VwGH 2000/21/0045

VwGH2000/21/004528.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des H, geboren am 8. Februar 1965, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. Jänner 2000, Zl. Fr 2806/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §34 Z17;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §34 Z17;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß "§ 36 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Ziffer 1" des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Zur Begründung stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 24. Juli 1998 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter (richtig: dritter und vierter) Fall StGB und wegen des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden sei, wobei die belangte Behörde die diesem Schuldspruch zugrundeliegenden, im Zeitraum vom 7. Dezember 1997 bis 10. April 1998 begangenen Straftaten im Einzelnen feststellte. Bei der Strafbemessung sei das Geständnis als mildernd, erschwerend hingegen seien die mehrfache Qualifikation der Diebstähle, die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art sowie die einschlägigen Vorstrafen gewertet worden. Über den Beschwerdeführer sei (nämlich) bereits am 24. Februar 1993 vom Strafbezirksgericht Wien wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe verhängt worden. In der Bundesrepublik Deutschland sei er darüber hinaus vom Landesgericht München 1 im Jahre 1993 wegen bewaffneten Raubes und anderer strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, die er bis Ende 1995 zum Teil verbüßt habe. Diesbezüglich sei er zwecks Strafvollstreckung zur Festnahme ausgeschrieben und er werde nach Verbüßung der über ihn in Österreich verhängten Freiheitsstrafe nach Deutschland auszuliefern sein. Schließlich weise der Beschwerdeführer noch eine Verurteilung durch das Bezirksgericht Hernals vom 15. März 1991 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe auf.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe den "Sondertatbestand des § 36 Abs. 2 Ziffer 1 erster Satz" FrG verwirklicht. Auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens sei der Beschwerdeführer als "Wiederholungstäter" einzustufen und es sei zu befürchten, dass er "wiederum das Rechtsgut Vermögen anderer Personen" verletzen werde. Im Hinblick auf diese Wiederholungsgefahr sei die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG durch den Beschwerdeführer durchaus gerechtfertigt.

Die ausführliche Begründung der belangten Behörde zu der Ermessensübung nach § 36 Abs. 1 FrG lässt sich dahin zusammenfassen, dass dem Gesetz die Absicht zu entnehmen sei, gegen gerichtliche Straftäter - wie im vorliegenden Fall gegen einen Wiederholungstäter - müsse in fremdenrechtlicher Hinsicht strengstens vorgegangen werden. Ein Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in diesen Fällen sei daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. "Derartige Fakten" habe der Beschwerdeführer aber nicht vorgebracht. So könne er vor allem nicht als "integrierte Person" qualifiziert werden, weil sich diese an die Rechtsvorschriften des Gastlandes halten würde. Unter Berücksichtigung der kontinuierlichen Fortfolge der begangenen Straftaten, die auf derselben schädlichen Neigung beruhten, sei auch die Tatsache "nicht ausreichend", dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, eine gebürtige Serbin mit nunmehr österreichischer Staatsbürgerschaft, und sein siebenjähriger Sohn in Österreich lebten. Ausschlaggebend sei für die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer "in kontinuierlicher Fortfolge Straftaten begangen habe". Das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sei wegen der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für das Eigentum anderer Personen wesentlich schwerer zu gewichten, als sein privates Interesse an einem weiteren Verbleib in Österreich.

Mit Beziehung auf § 37 FrG stellte die belangte Behörde fest, dem Beschwerdeführer sei am 25. Februar 1985 (nach Verlängerung) bis 7. Februar 1995 ein Sichtvermerk erteilt worden. Mit 22. Juli 1993 sei jedoch "gegen den Beschwerdeführer eine Sichtvermerksversagung, gültig bis 30. Dezember 1998, ausgeschrieben" worden. Es stelle "sicher ein gewisses privates Interesse dar", dass - wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung angegeben habe - seine Lebensgefährtin die österreichische Staatsbürgerschaft besitze und auch der gemeinsame siebenjährige Sohn in Österreich lebe. Sonstige etwaige familiäre Beziehungen zu in Österreich lebenden Person seien der belangten Behörde nicht bekannt. Trotz dieses privaten Interesses sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedoch gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien gemäß § 37 Abs. 2 FrG weniger schwer zu gewichten als die nachteiligen Folgen, die sich für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bei Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot ergeben würden. Angesichts der Schwere der strafbaren Handlungen sei - so die belangte Behörde abschließend - ein unbefristetes Aufenthaltsverbot auf jeden Fall notwendig und durchaus gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 36 Abs. 2 Z 1 erster und letzter Fall FrG). Gemäß Abs. 3 leg. cit. liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung auch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

Die Beschwerde bestreitet nicht die - auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandende - Annahme der belangten Behörde, im Hinblick auf die erwähnten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen sei der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt.

Auch gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, hegt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das den erwähnten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen keine Bedenken. Die gegen diese Prognosebeurteilung, vor allem aber unter dem Gesichtspunkt einer unrichtigen Ermessensübung in der Beschwerde vorgetragenen Argumente überzeugen nicht:

Zunächst verweist die Beschwerde darauf, dass die Verurteilung durch das Bezirksgericht Hernals mehr als neun Jahre, jene durch das Strafbezirksgericht Wien mehr als sieben Jahre zurückliege und dass das Urteil des Landesgerichtes München schon vor sieben Jahren erlassen worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher nicht - wie die belangte Behörde meine - "in kontinuierlicher Fortfolge" Straftaten begangen. Vielmehr habe er sich in der Zeit zwischen der letzten Vorverurteilung und dem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt "wohl verhalten". Weiters sei nicht berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer das Unrecht seiner Taten eingesehen und sich in dem letztgenannten Verfahren geständig verantwortet habe. Es sei daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft wohl verhalten werde und ihm eine günstige Zukunftsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG "auszustellen" sei.

Mögen zwar die beiden ersten Verurteilungen durch das Bezirksgericht Hernals und das Strafbezirksgericht Wien zu Geldstrafen im Hinblick auf den bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheide vergangenen Zeitraum für sich genommen nicht ins Gewicht fallen, so darf nicht übersehen, dass der Verurteilung wegen Unterschlagung Anfang 1993 die erste einschlägige Vermögensstraftat zugrunde lag und im selben Jahr die Verurteilung durch das Landesgericht München 1 wegen bewaffneten Raubes und anderer strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren erfolgte. Da der Beschwerdeführer diese Haftstrafe (zum Teil) bis Ende 1995 verbüßte, liegt bis zum ersten Delikt der Ende 1997 begonnenen Einbruchsserie, die der Verurteilung durch das Landesgericht Wiener Neustadt zugrunde lag, nur ein Zeitraum von etwa zwei Jahren, den der Beschwerdeführer in Freiheit verbrachte (wobei sich der Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten (vgl. AS 37; 178) erst seit Mitte 1997 wieder in Österreich aufgehalten hat). Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde von einer kontinuierlichen Fortfolge der Straftaten ausging. Jedenfalls ist ein Wohlverhalten in diesem Zeitraum keineswegs geeignet, die negative Zukunftsprognose in Frage zu stellen, wenn der Beschwerdeführer nicht einmal durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe davon abgehalten werden konnte, in der Folge wieder einschlägig und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Einbruchsdiebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig), straffällig zu werden. Dass aber das - bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigte - Geständnis noch keinen verlässlichen Schluss auf ein zukünftiges Wohlverhalten zulässt, bedarf keiner weiteren Begründung. Es kann daher weder die Beurteilung im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG, noch die unter ausreichender Bedachtnahme auf die familiären Interessen des Beschwerdeführers erfolgte Ermessensübung nach dieser Bestimmung als fehlerhaft angesehen werden.

Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist dessen Erlassung gemäß § 37 Abs. 1 FrG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 37 Abs. 2 FrG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen.

Unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG führt die Beschwerde ins Treffen, der siebenjährige Sohn des Beschwerdeführers sei in Österreich aufgewachsen, fühle sich daher als Österreicher, habe hier seine Freunde und sei "voll in die österreichische Gesellschaft" integriert. Das gelte auch für seine Lebensgefährtin. Auf Grund der schon in der Berufung dargelegten Konstellation, dass der Beschwerdeführer Bosnier und seine Lebensgefährtin (gebürtige) Serbin sei, wäre für den Beschwerdeführer die Rückkehr in seine ehemalige Heimat mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn auf Grund der momentanen politischen Situation im ehemaligen Jugoslawien "faktisch unmöglich". Er müsste daher im Falle der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes seine Lebensgefährtin und seinen Sohn in Österreich zurücklassen und der Kontakt zu seiner Familie würde sich "auf ein Minimum reduzieren". Insbesondere wäre es ihm nicht möglich, auf Grund der permanenten Trennung an der Erziehung seines Sohnes teilzuhaben.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde diese Umstände ohnehin ausreichend berücksichtigt und demzufolge einen Eingriff in die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführer angenommen hat. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten ansah und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer gewichtete, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Auch wenn sich der Beschwerdeführer (mit Unterbrechungen) seit 1985 - seit der Mitte 1993 ausgesprochenen Sichtvermerksversagung allerdings nicht mehr rechtmäßig - in Österreich aufhält und die erwähnten familiären Bindungen bestehen, kann nämlich im Hinblick auf die den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden schweren, zum Teil auch gewerbsmäßig begangenen Straftaten gegen fremdes Vermögen und der daraus zu treffenden negativen Prognose kein Überwiegen der persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere an der Verhinderung strafbarer Handlungen, angenommen werden. Der - nach den strafgerichtlichen Urteilsfeststellungen im Übrigen zuletzt auch arbeitslose - Beschwerdeführer hat vielmehr die sich für ihn und seine Familie aus dem Aufenthaltsverbot ergebenden Konsequenzen im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Februar 2002

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