VwGH 2000/12/0079

VwGH2000/12/007926.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 15. Februar 2000, Zl. 15 1311/183-II/15/99, betreffend Ruhegenussbemessung (§ 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/035;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §9 Abs1;
AVG §52;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/035;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1940 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. Februar 1998 als Amtsdirektor in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war zuletzt als Referent in einer Abteilung des (damaligen) Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales tätig.

Im Rahmen des Ruhestandsversetzungsverfahrens waren im Jahre 1997 zwei Gutachten zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers eingeholt worden.

Das amtsärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie vom 4. Dezember 1997 gelangte zu folgender Schlussfolgerung:

"Von neuro-psychiatr. Seite besteht eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit hohen Grades. Der Untersuchte ist nicht in der Lage, die Anforderung, die seiner beruflichen Stellung entspricht, zu erfüllen. Es ist auch zu befürchten, dass bei unveränderter Belastung eine weitere Verschlechterung des psychischen Grundleidens eintritt."

Das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin vom 17. Dezember 1997 schließt wie folgt:

"Vor allem von neuro-psychiatrischer Seite, aber auch auf Grund der internen und orthopädischen Leidenszustände (hier stehen im Vordergrund die degenerativen WS-Veränderungen mit erheblicher schmerzbedingter Funktionseinschränkung, das Magen-Darmleiden und das chronische Prostataleiden) besteht eine so hochgradige Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, dass der DN von ärztlicher Seite als nicht mehr dienstfähig zu bezeichnen ist, da er seinen beruflichen Anforderungen und der damit verbundenen verantwortlichen Tätigkeit nicht mehr gewachsen ist. Eine wesentliche Besserung des Zustandsbildes ist auch für die Zukunft nicht zu erwarten."

Mit Bescheid vom 27. Jänner 1998 stellte das Bundespensionsamt (die Pensionsbehörde erster Instanz) fest, dass dem Beschwerdeführer gemäß §§ 3 bis 7 und 62b des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, vom 1. Februar 1998 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 30.499,-- gebühre. Begründend führte die Pensionsbehörde erster Instanz insbesondere aus, der Ruhegenuss werde gemäß § 4 des Pensionsgesetzes 1965 auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liege, in dem der Beamte das 60. Lebensjahr vollendet haben werde, sei die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen und das Ergebnis auf zwei Kommastellen zu runden. Da die Ruhestandversetzung des Beschwerdeführers 32 Monate vor dem Ablauf des Monates, in dem der das 60. Lebensjahr vollendet haben werde, wirksam geworden sei, betrage die Ruhegenussbemessungsgrundlage somit 74,67 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - vor, dass gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/1997 eine Kürzung gemäß § 4 Abs. 3 nicht stattzufinden habe, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig sei. Das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit sei nicht einmal geprüft worden; mangels entsprechender Sachverhaltsfeststellungen sei der Bescheid somit aus diesem Grund rechtswidrig. Tatsächlich liege nämlich eine Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers vor. Seit seinem ersten Antrag auf Ruhestandsversetzung im Herbst 1995 sei es zu einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen. Mittlerweile sei er infolge seiner gesundheitlichen Beschwerden nicht mehr im Stande, irgendeinem geregelten Erwerb nachzukommen.

Hierauf veranlasste die belangte Behörde vorerst die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zur "Leistungsfeststellung", das - aufbauend auf den eingangs genannten Gutachten - zu folgendem "Leistungskalkül" kam:

"Restarbeitsfähigkeit: (Ja Nein Begründung:

Es besteht eine psychisch-vegetative Problematik mit psychosomatischen Fixierungen. Die derzeit durchgeführte Behandlung der psychischen Komponente ist nicht ausreichend und nützt auch nicht das zur Verfügung stehende therapeutische Spektrum aus. Zusammen mit der krisenprophylaktischen Entlastung von den zuletzt herrschenden Arbeitsbedingungen ist eine konsequente fachgerechte Therapie geeignet, zunächst eine Stabilisierung und in absehbarer Zeit eine Verbesserung der Beschwerdesymptomatik zu erreichen. Die in den vorliegenden Unterlagen angeführte Chronifizierungstendenz herrscht nur unter Bedingungen und vergleichbaren Belastungen, wie sie im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestanden haben.

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und großer Gelenke sind als erheblich im Ausmaß der Beeinträchtigung dokumentiert. Die Belastungen im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit werden weder geistig noch körperlich verkraftet. Jede körperlich schwere Arbeit, Überkopfarbeit, Hantieren mit weit nach vorne gestreckten Armen und mit gebeugtem Oberkörper, sowie in exponierten Lagen und im Freien, ist nicht mehr möglich. Lärmbelastung, Termin- und Leistungsdruck ist zu meiden.

Insgesamt ist die allgemeine Leistungsbreite und Belastbarkeit so weit reduziert, dass nur mehr einfache, emotionell nicht belastende, stressarme Tätigkeiten unter leichter bis gelegentlich mittelschwerer körperlicher Belastung bei schonenden ergonomischen Bedingungen in wechselnder Körperhaltung, überwiegend aber im Sitzen zumutbar sind. Pausen zur Entspannung, die das übliche Ausmaß bei Bedarf übersteigen können, müssen zur Verfügung stehen."

Weiters holte die belangte Behörde ein berufskundliches Gutachten ein, das - soweit für die beschwerdegegenständliche Ruhegenussbemessung von Relevanz - nach Wiedergabe des zitierten medizinischen Gutachtens (ieS) ausführt:

"Die Verweismöglichkeit für einfache Tätigkeiten wie z. B. Portier, Museumswächter, Aufseher, Billeteur oder Telefonist ist gegeben. Dabei handelt es sich um körperlich und geistig leichte Arbeiten unter geringer psychischer Belastung - wie im ärztlichen Leistungskalkül angegeben. Auf schonende ergonomische Bedingungen kann Rücksicht genommen werden. Termin- und Leistungsdruck fallen hier nicht an. Ein Wechseln der Körperhaltung sowie die Einhaltung von Entspannungspausen ist in der Regel möglich. Die Berufe werden fast ausschließlich nicht im Freien ausgeübt.

Daher ist nach § 4 Abs. 7 PG 1965 dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben.

Diese berufskundliche Beurteilung erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der auf dem aktuellen Arbeitsmarkt vorherrschenden Arbeitsbedingungen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind die angeführten Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden. Freie Arbeitsplätze sind dabei nicht berücksichtigt."

In seiner Stellungnahme vom 25. November 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, bei den Verweisungsberufen werde übersehen, dass laut den medizinischen Sachverständigengutachten selbst bei Einhaltung sämtlicher Bedingungen wie stressarmer Tätigkeit bei lediglich fallweiser mittelschwerer körperlicher Belastung die Möglichkeit gegeben sein müsse, Pausen zu machen, die das übliche Ausmaß bei Bedarf übersteigen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei kein Arbeitsplatz vorhanden, bei welchem der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer Pausen zu gestatten, die das übliche Ausmaß laut Arbeitszeit- oder Arbeitsruhegesetz überschreiten würden. Dies bedeute, dass die angeführte Restarbeitsfähigkeit vom Entgegenkommen eines Arbeitgebers abhängig sei, eine Voraussetzung, die der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht zu Grunde gelegt werden könne. Da kein Dienstgeber verpflichtet sei, außerordentliche Pausen zu akzeptieren, sei der Beschwerdeführer jedenfalls vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Das bedeute, dass er keinem regelmäßigen Erwerb nachgehen könne. Aus diesem Grund liege eine Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 4 Abs. 7 des Pensionsgesetzes 1965 vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete dies nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage im Wesentlichen damit, die Einwendungen des Beschwerdeführers richteten sich nur gegen die Feststellung des berufskundlichen Sachverständigen, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege, obwohl der Beschwerdeführer Pausen benötige, die das übliche Ausmaß bei Bedarf überstiegen. Nun seien beim Beschwerdeführer nicht immer und dauernd, sondern nur bei Bedarf verlängerte Pausen erforderlich. Überdies habe der ärztliche Sachverständige festgestellt, dass alle Leiden behandelbar seien und vor allem betreffend die psychisch-vegetative Problematik mit den psychosomatischen Fixierungen eine konsequente, fachgerechte Therapie mit der krisenprophylaktischen Entlastung von den zuletzt herrschenden Arbeitsbedingungen geeignet sei, nicht nur eine Stabilisierung, sondern in absehbarer Zeit eine Verbesserung der Beschwerdesymptomatik zu erreichen, was aber zweifellos wieder zu einer Verbesserung der Arbeitsfähigkeit führe. Das bedeute, dass auch unter Zugrundelegung einer Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung diese nicht dauernd wäre, was jedoch eine Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965 sei. Abgesehen davon liege eine Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht vor. Auf Grund der Feststellung des ärztlichen Sachverständigen, dass eine Restarbeitsfähigkeit vorliege, und auf Grund seiner Diagnose und der Feststellungen, welche Tätigkeiten noch zumutbar seien, habe der berufskundliche Sachverständige unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer bei Bedarf Pausen zur Entspannung benötige, die über das übliche Ausmaß hinausgingen, unter Aufzählung von Beispielen festgestellt, dass es noch Verweisungsberufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe. Diese Schlussfolgerung erscheine logisch und nachvollziehbar, weil es sich zweifellos um einfache, emotionell nicht belastende Tätigkeiten handle, die nicht in exponierten Lagen und nicht im Freien ausgeübt würden. Sie erforderten auch keine körperlich schwere Arbeit oder Überkopfarbeit bzw. ein Hantierung mit weit nach vorne gestreckten Armen oder mit gebeugtem Oberkörper. Einer Lärmbelästigung oder einem Termin- oder Zeitdruck seien Museumswächter grundsätzlich nicht ausgesetzt. Auch handle es sich erfahrungsgemäß um Tätigkeiten, die in wechselnder Körperhaltung durchgeführt würden. So gingen die Museumswächter bzw. Aufseher durch die ihnen zur Beobachtung zugewiesenen Räume und hätten auch jederzeit die Möglichkeit, sich niederzusetzen und solcherart die Aufsicht durchzuführen. Es sei somit sicherlich die Möglichkeit gegeben, Entspannungspausen einzulegen, die zeitlich nicht vorgeschrieben seien und daher bei Bedarf auch über das übliche Ausmaß hinausgehen könnten. Somit bestehe kein Grund, die Gutachten der Sachverständigen nicht für die Entscheidung über das Vorliegen einer dauernden Erwerbsfähigkeit heranzuziehen. Aus den Ausführungen gehe eindeutig hervor, dass beim Beschwerdeführer keine dauernde Erwerbsfähigkeit im Sinn des § 4 des Pensionsgesetzes 1965 vorliege. Damit sei aber die in § 4 Abs. 4 Z. 3 leg. cit. normierte Voraussetzung, bei deren Vorliegen eine Kürzung nicht stattfinde, nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhegenussbemessung in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 durch unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 dieses Gesetzes verletzt.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist unbestritten, dass das Verfahren, das zur Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand führte, nicht vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden war, sodass gemäß § 62c Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, § 4 leg. cit. in der nach Ablauf des 30. April 1996 geltenden Fassung anzuwenden ist.

Nach § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 in der demnach maßgebenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 ist für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

Nach § 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965 - in der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138 und der Z. 13 der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend die Berichtigung von Druckfehlern im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 35/1998 - findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der Fassung des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997 gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinn des § 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet der Beschwerdeführer vorerst gegen das im Ruhegenussbemessungsverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ein, dass darin zwar eine Besserung der psychischen Gesundheitsstörung behauptet werde, nicht jedoch ihr Ausmaß und die Verlässlichkeit einer solchen Prognose. Soweit die belangte Behörde auf Grund des medizinischen Gutachtens unabhängig von einer Besserungsmöglichkeit von einer Restarbeitsfähigkeit ausgehe, könne dies dem Gutachten nicht eindeutig entnommen werden. Dieses Gutachten sei auch insofern undeutlich, als es keinerlei Angaben darüber mache, wie häufig der Beschwerdeführer zusätzlicher Pausen bedürfe. Ohne derartige Präzisierung habe der berufskundliche Sachverständige jedoch keine taugliche Grundlage für sein Gutachten gehabt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme ausdrücklich auf das Problem der zusätzlichen Pausen hingewiesen.

Die Bedenken einer Undeutlichkeit oder Unvollständigkeit des -

im Ruhegenussbemessungsverfahren eingeholten - medizinischen Sachverständigengutachtens kann der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen, weil dieser Sachverständige in seinem Leistungskalkül vorerst die psychisch-vegetative Problematik und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und großer Gelenke des Beschwerdeführers in Relation zu seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit setzte. Abschließend kam dieser Sachverständige jedoch zur eindeutigen Aussage, dass insgesamt die allgemeine Leistungsbreite und Belastbarkeit nur mehr einfache, emotionell nicht belastende, stressarme Tätigkeiten unter leichter bis gelegentlich mittelschwerer körperlicher Belastung bei schonenden ergonomischen Bedingungen in wechselnder Körperhaltung erlaubten, überwiegend aber im Sitzen zumutbar seien. Damit wurden aus der Sicht des medizinischen Sachverständigen eindeutig die psychischen und physiologischen Voraussetzungen, die der Beschwerdeführer schon aktuell - sohin ohne Berücksichtigung einer allfälligen Besserung des psychischen Status - für seine Erwerbsfähigkeit einbringen konnte, dargelegt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedurfte dieses Sachverständigengutachten als Grundlage für das berufskundliche keiner weiteren Aufklärung oder Ergänzung durch die belangte Behörde.

Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Heranziehung des berufskundlichen Gutachtens mit dem Argument, dass weder ausdrücklich noch indirekt auf die Erforderlichkeit von Pausen Bedacht genommen worden wäre. Für alle vom berufskundlichen Sachverständigen angeführte Verweisungsberufe sei Stress bzw. emotionale Belastung in der einen oder anderen Weise typisch. Ein Billeteur, Telefonist oder auch ein Portier könne nicht einfach seine Arbeit unterbrechen, wenn er mit Unzufriedenheit und Ungeduld konfrontiert sei. Ebenso wenig sei es bei diesen Berufen möglich, nach einem solchen Erlebnis sogleich eine längere Arbeitspause einzulegen. Für Aufseher oder Wärter in Museen kämen nicht weniger schwer wiegende Momente zu tragen. Pausen könnten sie noch viel weniger nach eigenen Bedürfnissen gestalten. Wärter wie Aufseher seien dazu da, um erforderliche Konfrontationen durchstehen zu können, sie hätten eine Schutzfunktion. Es sei daher geradezu abwegig, eine Person für einen solchen Beruf als geeignet zu bezeichnen, für die emotionale Belastung und Stress unverträglich seien. Aus der Lebenserfahrung könne vorausgesetzt werden, dass psychische Beeinträchtigungen depressiver Art insbesondere auch dadurch gekennzeichnet seien, dass sich der daran Leidende unwillkürlich immer wieder Situationen ausmale, die er befürchte oder glaube, fürchten zu müssen. Notorisch sei, dass in Museen gelegentlich Akte des Vandalismus oder Eigentumsdelikte vorkämen, und es sei daher zu überlegen, wie das Bewusstsein einer solcher Möglichkeit auf jemanden wirke, der psychisch im Sinne einer Depression schwer beeinträchtigt sei.

Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gegenstand des vorliegenden Ruhegenussbemessungsverfahrens ist die Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig war. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, daher die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wieder erlangt werden kann. Der schon bisher im § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (in der bis zur Neufassung des § 9 durch Art. 3 Z. 9 des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86, am 30. September 2000 geltenden Fassung; diese gilt allerdings noch für die im § 62j Abs. 2 leg. cit. in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001 genannten Übergangsfälle) verwendete Begriff der Erwerbsunfähigkeit hat mit dem in § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 des Pensionsgesetzes 1965 insofern eine "gemeinsame" Wurzel, als Erwerbsunfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Die Erwerbfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen, es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Sie setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (zB Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2000/12/0058, mwN).

Das im Beschwerdefall durchgeführte Verfahren trägt diesen Kriterien jedoch nicht hinreichend Rechnung. Zwar gibt der berufskundliche Sachverständige im Rahmen seines Befundes das Gutachten des (im Ruhegenussbemessungsverfahren beigezogenen) medizinischen Sachverständigen wieder, er beschränkt sich jedoch im Rahmen seines eigenen Gutachtens darauf, für die von ihm aufgezeigten Verweisungsberufe zu konstatieren, dass die Einhaltung von Entspannungspausen in der Regel möglich sei. Damit setzt er sich jedoch in seinem Gutachtensteil im Gegensatz zu den von ihm herangezogenen Prämissen des medizinischen Sachverständigengutachtens, das ausdrücklich auf die Notwendigkeit von Entspannungspausen, die das übliche Ausmaß bei Bedarf übersteigen können, hinwies, nicht ausreichend auseinander.

Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 25. November 1999 auf genau diese Diskrepanz hinwies, hätte die belangte Behörde auf eine Ergänzung des berufskundlichen Gutachtens dahingehend hinzuwirken gehabt, ob und inwiefern in den Verweisungsberufen allenfalls auch Pausen, die bei Bedarf das übliche Ausmaß übersteigen können, zur Verfügung stehen. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen, wonach Museumswächter bzw. Aufseher sicherlich die Möglichkeit hätten, Entspannungspausen einzulegen, die zeitlich nicht vorgeschrieben seien und daher bei Bedarf auch über das übliche Ausmaß hinausgehen können, entbehren nachvollziehbarer Grundlagen in den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens und belasten daher den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel.

Bereits aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 26. Juni 2002

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