VwGH 2000/05/0164

VwGH2000/05/016419.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1. des Mathias Willmann und 2. der Annemarie Willmann, beide in Bisamberg, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Mai 2000, Zl. RU1-B- 0013/00, betreffend Vollstreckung eines Abbruchauftrages und Kostenvorauszahlungsauftrag nach § 4 Abs. 2 VVG,

Normen

AVG §63 Abs3;
VVG §10 Abs2;
VVG §2 Abs1;
VVG §4 Abs2;
AVG §63 Abs3;
VVG §10 Abs2;
VVG §2 Abs1;
VVG §4 Abs2;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in Höhe von EUR 166,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in Höhe von EUR 166,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Juli 1984 wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Bisamberg als Baubehörde zweiter Instanz den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung zur "Erweiterung einer bestehenden Mauerecke mit Terrasse durch Überdachung und Kamin" ab und trug ihnen auf, das ohne Konsens errichtete Bauwerk bis Ende 1984 abzutragen. Der Bescheid erwuchs am 18. August 1984 in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer kamen dem Abbruchauftrag nicht nach. Am 18. Mai 1999 ersuchte der Bürgermeister der Marktgemeinde Bisamberg die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (im Folgenden: BH) schließlich um dessen Vollstreckung.

Am 10. Juni 1999 setzte die BH den Beschwerdeführern eine Frist von vier Wochen zur Erbringung der Leistung und drohte ihnen für den Fall der Nichterfüllung eine Ersatzvornahme an. Die Beschwerdeführer erfüllten den Abbruchauftrag dennoch nicht.

Am 21. bzw. 22. Juli 1999 lud die BH vier Unternehmen zur Erstellung von Kostenvoranschlägen für die Abtragung der konsenslos vorgenommenen Erweiterung laut Bescheid ein. Die BH erhielt ein Offert lediglich von der W GmbH. Diese legte am 4. Dezember 1999 den geforderten Kostenvoranschlag vor, der vom "Abbruch des bestehenden überdachten Sitzplatzes im Bereich des Gartens, samt der Fußbodenkonstruktion und der Fundamente, inkl. dem Abtransport des gesamten anfallenden Schuttmaterials auf Deponie" ausging. Es wurden auf Basis einer detaillierten Kalkulation, Gesamtkosten von S 59.232,-- (inkl. 20 % USt) veranschlagt.

Der Kostenvoranschlag wurde dem Gebietsbauamt Korneuburg zur Überprüfung der Angemessenheit übermittelt. Dieses teilte der BH mit, es handle sich bei dem Gebäude um ein teilweise massiv ausgeführtes Bauwerk mit Dachkonstruktion und Fundierung. Die für den Abbruch erforderliche Zufahrt für Abbruchgeräte und LKW sei nur über einen Begleitweg des Donaugrabens und anschließend über Felder möglich. Dieser Umstand sei im Angebot der W GmbH berücksichtigt und die notwendigen Leistungen in den Pauschalen und Regiesätzen ausgewiesen worden. Der Betrag von S 59.232,-- sei somit als preisangemessen zu bezeichnen.

Mit Schreiben vom 26. Jänner 2000 wurden die Beschwerdeführer von der beabsichtigten Abtragung verständigt und ihnen auch mitgeteilt, dass die BH eine Auftragserteilung an die W GmbH beabsichtige, wobei die Kosten S 59.232,-- betragen sollten, die von den Beschwerdeführern als Vorauszahlung zu entrichten sein würden. Die Beschwerdeführer wurden zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen eingeladen.

Nachdem die Beschwerdeführer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hatten, erließ die BH den hier gegenständlichen Bescheid vom 20. März 2000. Im Punkt I.

("Vollstreckungsverfügung") wurde die Ersatzvornahme durch die W GmbH auf Gefahr und Kosten der Beschwerdeführer angeordnet. Weiters wurden die Beschwerdeführer durch Punkt II. dieses Bescheides zur Vorauszahlung von S 59.232,-- verpflichtet.

(Nur) der Erstbeschwerdeführer erhob Berufung mit der alleinigen Begründung, bei der Marktgemeinde Bisamberg sei ein Ansuchen auf Umwidmung der gegenständlichen Grundstücke gestellt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Erstbeschwerdeführer habe keinen der in § 10 Abs. 2 VVG genannten Berufungsgründe angeführt und auch gegen den Kostenvorauszahlungsauftrag nichts vorgebracht. Nach Auskunft der Marktgemeinde Bisamberg sei außerdem trotz Ansuchens des Erstbeschwerdeführers kein Umwidmungsverfahren bezüglich der gegenständlichen Grundstücke eingeleitet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich beide Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Unterbleiben der Durchführung der angeordneten Vollstreckung sowie in ihrem Recht auf Verhältnismäßigkeit der angeordneten Zwangsmittel verletzt erachten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin hat, wie den vorgelegten Akten eindeutig zu entnehmen ist, weder gegen den Bescheid der BH vom 20. März 2000 berufen, noch wurde die Berufung des Erstbeschwerdeführers auch im Vollmachtsnamen der Zweitbeschwerdeführerin eingebracht. Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher mangels Erschöpfung des Instanzenzuges (Art 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

II. Zum Erstbeschwerdeführer:

In der Beschwerde wird erstmals geltend gemacht, es sei dem Titelbescheid nicht zu entnehmen, ob nur die Terrasse samt Überdachung und Kamin oder auch die Erweiterung der bestehenden Mauerecke entfernt werden müsse; auch der "Vollstreckungsbescheid" sei unklaren Inhaltes.

Nach § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Die Vollstreckungsbehörde kann nach Abs. 2 dieser Bestimmung in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen.

Zufolge § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach dem VVG erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist (Z. 1), die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt (Z. 2) oder die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen (Z. 3).

Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen eines der in § 10 Abs. 2 VVG genannten Berufungsgründe in der Berufung behauptet und begründet werden muss (s. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (1998), S. 1393 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Da der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Vollstreckungsverfügung keine Unbestimmtheit des Titelbescheides, sondern lediglich vorgebracht hat, er habe bei der zuständigen Gemeinde eine Umwidmung seines Grundstücks beantragt, hatte die belangte Behörde keine diesbezüglichen Erwägungen anzustellen. Schon deshalb vermag der Beschwerdeführer daher mit diesem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun (vgl. das hg. Erk. vom 2. Februar 1993, Zl. 92/05/0307).

Mit denselben Argumenten ist auch dem, ebenfalls in der Beschwerde erstmals geltend gemachten, Einwand des Erstbeschwerdeführers zu begegnen, die Vollstreckungsverfügung stimme mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht überein.

Der Erstbeschwerdeführer bekämpft darüber hinaus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Kostenvorauszahlungsauftrag mit dem Argument, der von der W GmbH erstellte Kostenvoranschlag, welcher als Grundlage für den Kostenvorauszahlungsauftrag diente, nehme nicht ausreichend auf den Abbruchauftrag bezug, er beinhalte nicht das konsenslos errichtete Bauwerk sondern vielmehr ohne nähere Bezeichnung den Abbruch eines Nebengebäudes samt Abtransport. Auch wäre ein wesentlich geringerer Aufwand erforderlich gewesen, insbesondere deshalb, weil es nicht notwendig gewesen wäre, den Abtransport des gesamten anfallenden Materials auf eine Deponie durchzuführen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Kostenvorauszahlungsaufträge keine Vollstreckungsverfügungen im Sinne des § 10 VVG dar. Für sie gilt daher weder die Beschränkung auf die Berufungsgründe des § 10 Abs. 2 VVG noch die Einschränkung der Anwendbarkeit des AVG auf die Vorschriften seines ersten und vierten Teiles, sodass auf sie das AVG zur Gänze anzuwenden ist (Art II Abs. 2 Z. 1 EGVG). Hat sich die Behörde erster Instanz bemüht, durch Einholung mehrerer Kostenvoranschläge das voraussichtliche Mindestmaß des Vollstreckungsaufwandes für die Durchführung der Ersatzvornahme festzustellen, ist ein weiteres Ermittlungsverfahren nicht erforderlich, wenn der Verpflichtete selbst keine geeigneten, die Unrichtigkeit der Annahme der Behörde widerlegenden konkreten Umstände, allenfalls auch durch Vorlage von entsprechenden Kostenvoranschlägen, darlegt (hg. Erk. vom 25. Juni 2001, Zl. 2001/07/0042, m. w. H.).

Dem Erstbeschwerdeführer wurde im Zuge des erstinstanzlichen Verfahren Gelegenheit geboten, zum Kostenvoranschlag, der insbesondere auch Kosten für den Abtransport und die Deponierung des Bauschuttes enthielt, Stellung zu nehmen. Der Erstbeschwerdeführer hat jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und ist somit seiner eben dargelegten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Der erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Behauptung, er würde selbst für die Deponierung sorgen, muss das aus § 41 Abs 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegengehalten werden. Auf Grund des Berufungsvorbringens bestand für die belangte Behörde jedenfalls kein Grund zur Annahme, es sei durch den erstinstanzlichen Bescheid eine Verletzung des aus § 2 VVG erfließenden Schonungsprinzips durch Auferlegung eines über das Notwendige hinaus gehenden Kostenvorschusses (vgl. das hg. Erk. vom 19. Mai 1998, Zl. 98/05/0017) erfolgt.

Im Übrigen ist der Erstbeschwerdeführer darauf zu verweisen, dass es sich nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 VVG lediglich um eine Vorauszahlung zur nachträglichen Verrechnung und nicht um die endgültige Kostenvorschreibung handelt, sodass eine allenfalls sich ergebende Kosteneinsparung dem Erstbeschwerdeführer zurückzuerstatten wäre.

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Entscheidungen über den Kostenersatz gründen sich hinsichtlich beider Beschwerdeführer auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2002

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