VwGH 99/21/0158

VwGH99/21/01585.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde der FA, geboren am 29. Dezember 1967, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. April 1999, Zl. IV- 910.388/FrB/99, betreffend Aufenthaltserlaubnis, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3 Z1;
FrG 1997 §8 Abs3;
FrG 1997 §8;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3 Z1;
FrG 1997 §8 Abs3;
FrG 1997 §8;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Antrag vom 11. Jänner 1999 begehrte die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsbürgerin, die Erteilung einer Erstaufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltzweck "Studentin". Dem Antrag schloss sie unter Anderem eine Mitteilung der Universitätsdirektion der Wirtschaftsuniversität Wien vom 29. Dezember 1998 bei, wonach sie - bei Vorlage entsprechender Nachweise - zum Studium zugelassen werden könne. Nachweise der allgemeinen und der besonderen Universitätsreife bräuchten nicht erbracht werden. Die Beschwerdeführerin gab in ihrem Antrag weiters an, dass sie Mutter von zwei am 22. Oktober 1996 geborenen Söhnen sei. Sie gab nicht an, dass ihr Ehegatte legal in Österreich aufhältig sei. Sie verfüge zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich - insoferne legte sie eine Bestätigung einer ägyptischen Bank vor - über den Betrag von 13.000,-- US-Dollar und 561,40 ägyptische Pfund und werde sofort nach ihrer Einreise nach Österreich für sich und ihre Kinder eine Krankenversicherung abschließen.

Mit Schreiben vom 10. März 1999 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, dazu Stellung zu nehmen, dass sich offensichtlich ihr am 1. April 1967 geborener Ehegatte in Österreich aufhalte; der Aufenthaltszweck scheine daher in einer Familienzusammenführung zu liegen, wodurch der Verdacht einer Umgehung der Quotenbestimmungen vorliege. Darüber hätte die Beschwerdeführerin die Behörde getäuscht.

Diesem Vorhalt entgegnete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. April 1999. Sie trat der Annahme der belangten Behörde nicht entgegen, dass sich ihr Ehegatte, den sie am 14. Jänner 1996 geheiratet habe, in Österreich aufhalte. Sie habe jeweils für sich und ihre beiden Kinder getrennte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt und beabsichtige tatsächlich, ihr in Kairo begonnenes Handelsstudium in Österreich fortzusetzen. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihre Kinder nach Österreich mitnehmen wolle. Hätte sie eine Aufenthaltsbewilligung auf der Basis der Familiengemeinschaft gewollt, so hätte sie dies beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab und begründete ihre Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin als Aufenthaltszweck ausschließlich "Student" angegeben habe. Gemäß § 7 Abs. 4 FrG wäre die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur zulässig, wenn der Aufenthalt ausschließlich dem Zweck des Studiums dienen solle. Die Beschwerdeführerin sei aber mit einem in Österreich niedergelassenen ägyptischen Staatsbürger verheiratet und wolle des Weiteren mit ihren beiden Kindern in das Bundesgebiet gelangen. Daher sei offensichtlich, dass ihr primärer Aufenthaltszweck der Familienzusammenführung dienen solle, und nicht dem ausschließlichen Aufenthaltszweck des Studiums. Ihr Antrag müsse daher als unzulässige Umgehungshandlung angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin wendet ein, es sei zwar richtig, dass ihr Ehegatte seit sieben Jahren in Österreich lebe. Er verfüge über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung und sei als Zeitungskolporteur mit einem Monatseinkommen von rund S 16.000,-- tätig. Die Beschwerdeführerin verfüge über sämtliche Voraussetzungen für ein Studium der Betriebswirtschaft und wolle dieses Fach an der Wirtschaftsuniversität studieren. Es sei wohl nicht zulässig, davon auszugehen, dass eine Abweisung dann zu erfolgen habe, wenn der Ehegatte des Antragstellers in Österreich lebe. Die belangte Behörde habe dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstaufenthaltserlaubnis zu Unrecht einen Umgehungszweck unterstellt.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des FrG

lauten:

"Aufenthaltstitel

§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1. Aufenthaltserlaubnis oder

2. Niederlassungsbewilligung

erteilt.

(2) Aufenthaltstitel berechtigen zum Aufenthalt für einen bestimmten Zweck oder zum dauernden Aufenthalt sowie zu den mit diesen Aufenthalten verbundenen Einreisen.

...

(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn

1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;

...

Erteilung der Einreise- und Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Visa können nur befristet, Aufenthaltstitel auch unbefristet erteilt werden. ...

...

(3) Die Behörde hat bei der Ausübung des in Abs. 1

eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des

geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere

seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die

Dauer seines bisherigen Aufenthaltes,

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die

sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage

und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und

3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des

beabsichtigten Aufenthaltes

Bedacht zu nehmen.

...

Versagung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels

§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

...

3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

..."

Nach den Gesetzesmaterialien zum FrG (685 BlgNR 20. GP, 60) sind die materiellen Vorschriften über die Erteilung von Einreise- und Aufenthaltstitel in § 8 FrG zusammengefasst und daher - sofern sie nicht ausdrücklich auf bestimmte Formen abgestellt sind - für die Erteilung jeglichen Einreise- und Aufenthaltstitels maßgeblich. Vor allem gilt dies für die in § 8 Abs. 1 postulierten Bedingungen eines gültigen Reisedokumentes sowie des Fehlens eines Versagungsgrundes und für die in § 8 Abs. 3 formulierte Determinierung des Ermessens. An diesen beiden Bestimmungen ist in jedem Einzelfall die Frage der Erteilung oder der Versagung des beantragten Einreise- oder Aufenthaltstitels zu messen.

Bei der Ausübung des ihr bei der Erteilung eines Einreise- und Aufenthaltstitels eingeräumten Ermessens hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 3 FrG "vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden" auszugehen. Der belangten Behörde lag gegenständlich ein ausschließlich auf den Aufenthaltszweck des Studiums gestützter Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstaufenthaltserlaubnis vor. Der hier beabsichtigte Besuch einer Universität fällt zweifellos unter den Aufenthaltszweck des Studiums und bildet daher gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 FrG einen tauglichen Grund für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Auch die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin ein Studium in Österreich nicht beabsichtige, oder dass sie nicht zum Studium zugelassen werden könne. Sie erachtet jedoch den Aufenthaltszweck der Beschwerdeführerin nicht "ausschließlich" im Studium gelegen. Der eigentliche Aufenthaltszweck der Beschwerdeführerin liege vielmehr in der Familienzusammenführung, was sich aus der Niederlassung ihres Ehegatten in Österreich und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer beiden Kinder nach Österreich reisen wolle, ergebe.

Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass weder die Niederlassung des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Österreich noch der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin während ihres Studiums mit ihren minderjährigen Kindern in Österreich aufhalten will, von vornherein ausschließen, dass der Aufenthaltszweck der Beschwerdeführerin in Österreich "ausschließlich" dem Zweck des Studiums dienen werde (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1999, Zl. 98/19/0203, vom 15. Oktober 1999, Zl. 99/19/0160, und vom 24. Juli 2001, Zl. 2000/21/0003). Gerade die familiären Bindungen und die im gegenständlichen Fall mit dem Zusammenleben mit ihrem Ehegatten verbundene Sicherung der materiellen Lebensgrundlage der Beschwerdeführerin stellen nämlich - abgesehen von der von der belangten Behörde in zulässiger Weise ins Spiel gebrachten Indizwirkung für den zu prüfenden Aufenthaltszweck - gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 FrG ein Ermessenskriterium zu Gunsten und nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin dar (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 2000/21/0003).

Die Erwägungen der belangten Behörde, dass der Aufenthaltszweck des Studiums nur zur Umgehung von fremdengesetzlichen Bestimmungen angegeben wurde und dass der primäre Aufenthaltszweck der Beschwerdeführerin die Familienzusammenführung sei, sind daher nicht schlüssig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte im Hinblick darauf, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung festgelegten Pauschbeträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 5. September 2002

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