Normen
SHG NÖ 1974 §12;
SHG NÖ 1974 §9;
SHG NÖ 1974 §12;
SHG NÖ 1974 §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 16. Jänner 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten unter Verwendung eines dafür vorgesehenen Formulars einen Sozialhilfeantrag, und zwar in der Form "Hilfe zum Lebensunterhalt". Hinsichtlich der Wohnung gab der Beschwerdeführer an, die Miete betrage einschließlich Betriebskosten S 11.150,-- und werde von Vater und Bruder bezahlt.
Mit Bescheid vom 27. November 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten diesen Antrag mit der Begründung ab, Hilfe zum Lebensunterhalt dürfe nicht geleistet werden, wenn die Hilfe von einer anderen Seite geleistet werde. Für Asylwerber sei jedoch das Bundesasylamt zuständig.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, von anderer Seite werde für ihn entgegen der Annahme der Erstbehörde keine Hilfe geleistet.
In einer mit dem Beschwerdeführer am 30. April 1999 vor der Marktgemeinde Neulengbach aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer an, in dem von ihm bewohnten Haus in N lebten, (offenbar) abgesehen von seinen beiden Kindern, noch 6 weitere Personen, wovon zwei (I.S. und Y.S.) jeweils monatlich netto S 14.761,-- verdienten, die übrigen Bewohner jedoch kein Einkommen hätten bzw. der Beschwerdeführer hiezu keine Angaben machen könne.
Mit Schreiben vom 21. Mai 1999 räumte die Niederösterreichische Landesregierung dem Beschwerdeführer Parteiengehör ein. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass das Haus in N vom Vater des Beschwerdeführers (Y.S.) angemietet worden sei und insgesamt 8 Personen als Mitbewohner im gemeinsamen Haushalt lebten. Die monatliche Miete von S 8.000,-- werde von den 7 Erwachsenen bezahlt. Sowohl der Vater des Beschwerdeführers (Y.S.) als auch sein Bruder (I.S.) erzielten jeweils ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.761,--. Da das Haushaltseinkommen den Sozialhilferichtsatz übersteige, bestehe kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt.
Mit Schreiben vom 10. Juni 1999 nahm der Beschwerdeführer Stellung und führte aus, dass die Miete inklusive Betriebskosten einen Betrag von monatlich S 11.550,-- ausmache. Im gemeinsamen Haushalt lebe nun auch (seit ca. 1 Woche) eine Schwägerin des Beschwerdeführers, sodass das Familieneinkommen derzeit um eine weitere Person belastet werde.
Die Niederösterreichische Landesregierung wies die Berufung mit Bescheid vom 22. Juni 1999 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach Wiedergabe des Verwaltungsverfahrens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die Niederösterreichische Landesregierung aus, im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass das Haus in N vom Vater des Beschwerdeführers (Y.S.) angemietet worden sei und 8 weitere Personen dort im gemeinsamen Haushalt lebten, wobei die monatliche Miete von S 8.000,-- von 7 Erwachsenen bezahlt werde. Weiters sei erhoben worden, dass der Vater des Beschwerdeführers und sein Bruder (I.S.) ein monatliches Nettoeinkommen von jeweils S 14.761,-- erzielten. Hinsichtlich des Einwands des Beschwerdeführers, die Miete inklusive Betriebskosten mache einen Betrag von S 11.550,-- aus, werde bemerkt, dass für die Berechnung des Wohnungsbedarfes nur die tatsächliche Miete ohne Betriebskosten heranzuziehen sei. Weiters erwähne der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme, dass nunmehr auch seine Schwägerin im gemeinsamen Haushalt lebe und das Familieneinkommen um eine weitere Person belastet werde. Hiezu werde eingewendet, dass die Berufungsbehörde sachlich nicht über mehr entscheiden dürfe, als bereits Gegenstand der Entscheidung der ersten Instanz gewesen sei. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Berufungsbehörde über den gleichen Zeitraum wie die erste Instanz eine Entscheidung zu fällen gehabt habe und somit der Zuzug der Schwägerin im anhängigen Verfahren nicht berücksichtigt werden könne. Abschließend habe der Beschwerdeführer erklärt, dass für die zwei Kinder keine Familienbeihilfe bezogen werde und somit der Richtsatz für 1998 S 26.928,-- und für 1999 S 27.334,-- betrage. Diesen Richtsätzen sei das monatliche Gesamtfamilieneinkommen von S 29.522,-- gegenüber zu stellen. Da das Einkommen den Richtsatz übersteige, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 7. Juli 1999) ist für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage vor Erlassung des NÖ Sozialhilfegesetzes 2000 maßgeblich.
Die einschlägigen Bestimmungen des NÖ Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG) vom 21. Februar 1974 lauteten idF LGBl. 9200-9 (auszugsweise):
"Abschnitt II
Hilfe zum Lebensunterhalt
§ 9
Lebensunterhalt
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist dem zu gewähren, der den notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
(2) Der notwendige Lebensunterhalt umfasst den Aufwand für die notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens, insbesondere Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Unterkunft, Beheizung, Beleuchtung, Kleinhausrat sowie persönliche Bedürfnisse zur angemessenen Bildung und Pflege der Beziehungen zur Umwelt.
...
(4) Hilfe zum Lebensunterhalt kann durch laufende oder einmalige Geldleistungen oder durch Sachleistungen, insbesondere durch Gewährung des Lebensunterhaltes in einem geeigneten Heim, erfolgen.
...
§ 12
Richtsätze
(1) Die Landesregierung hat für die Bemessung des unter durchschnittlichen Lebensverhältnissen laufend erforderlichen notwendigen Lebensunterhaltes unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten nach Personengruppen abgestuft Durchschnittsbeträge (Richtsätze) durch Verordnung zu bestimmen.
(2) In der Verordnung nach Abs. 1 sind jedenfalls Richtsätze für die Personengruppen "Alleinstehende", "Haushaltsvorstände" und "Haushaltsangehörige" festzusetzen.
(3) Die Richtsätze sind so zu bemessen, dass sie den notwendigen monatlichen Bedarf an Nahrung, Instandhaltung der Kleidung, Körperpflege, Beheizung und Beleuchtung der Unterkunft, Kleinhausrat sowie persönlichen Bedürfnissen zur angemessenen Bildung und Pflege der Beziehungen zur Umwelt decken.
(4) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes, insbesondere Unterkunft, Kleidung und andere notwendige Bedürfnisse ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken."
Die Verordnung über Sozialhilfen der Niederösterreichischen Landesregierung (erlassen auf Grund der §§ 9, 12, 32 und 33 des NÖ SHG) lautete ab 1. Jänner 1998 (LGBl. 9200/1-26) auszugsweise:
"Abschnitt I
Hilfe zum Lebensunterhalt
§ 1
Richtsätze
(1) Die monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes betragen unbeschadet der in den §§ 2 bis 4 genannten Leistungen:
a) Für Alleinstehende | S 5.939,-- |
b) für Haushaltsvorstände | S 5.216,-- |
c) für Haushaltsangehörige | |
mit Anspruch auf Familienbeihilfe | S 1.610,-- |
d) für Haushaltsangehörige ohne | |
Anspruch auf Familienbeihilfe | S 2.714,-- |
(2) Die Gesamtunterstützung nach Abs. 1 einschließlich der Mietbeihilfe gemäß § 3 darf in der Regel nicht höher sein als die nach § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/55 in der Fassung BGBl. Nr. 79/1997, für das Jahr 1998 festgelegten Mindestleistungen der Pensionsversicherung."
Diese Verordnung lautete ab 1. Jänner 1999 (LGBl. 9200/1-27) auszugsweise:
"Abschnitt I
Hilfe zum Lebensunterhalt
§ 1
Richtsätze
(1) Die monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes betragen unbeschadet der in den §§ 2 bis 4 genannten Leistungen:
a) Für Alleinstehende | S 6.028,-- |
b) für Haushaltsvorstände | S 5.294,-- |
c) für Haushaltsangehörige | |
mit Anspruch auf Familienbeihilfe | S 1.634,-- |
d) für Haushaltsangehörige ohne | |
Anspruch auf Familienbeihilfe | S 2.755,-- |
(2) Die Gesamtunterstützung nach Abs. 1 einschließlich der Mietbeihilfe gemäß § 3 darf in der Regel nicht höher sein als die nach § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/55 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/1998, für das Jahr 1999 festgelegten Mindestleistungen der Pensionsversicherung."
Der Beschwerdeführer stellte seinen Sozialhilfeantrag auf "Hilfe zum Lebensunterhalt" für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder. Die belangte Behörde hätte demnach grundsätzlich den Bedarf dieser vierköpfigen Familie zu ermitteln und den dem Beschwerdeführer bzw. dieser vierköpfigen Familie zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln gegenüber zu stellen gehabt. Auf Grund der Besonderheit des Beschwerdefalles, der sich dadurch auszeichnet, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie unstrittig im Hausverband seines Vaters gemeinsam mit anderen Familienangehörigen (insbesondere Brüdern und deren Ehefrauen) lebt und der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst erkennen ließ, dass die Unterhaltsmittel (im Wesentlichen das Monatseinkommen seines Vaters und eines seiner Brüder) für die Aufrechterhaltung des gesamten Hausverbandes herangezogen werden (Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht konkret vorgebracht), hegt der Verwaltungsgerichtshof vorliegendenfalls keine Bedenken gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, dem Unterhaltsbedarf sämtlicher im Hausverband lebender Personen deren sämtliche (dh.: zusammengezählte) Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen. Bei dieser Vorgangsweise hätten allerdings die unstrittigen Wohnkosten, die gemäß § 9 Abs. 2 NÖ SHG zum notwendigen Lebensunterhalt zählen und auf deren gemeinsame Tragung durch alle Bewohner sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidungsbegründung stützt, angemessen berücksichtigt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, wie die belangte Behörde angesichts der von ihr festgestellten verfügbaren Unterhaltsmittel (S 29.522,--) und der Summe der von ihr herangezogenen Richtsätze für einen Haushaltsvorstand und 8 Haushaltsangehörige (insgesamt S 26.921,-- für 1998 bzw. S 27.334,-- für 1999) sowie Wohnkosten in Höhe von über S 8.000,-- zum Ergebnis gelangen konnte, die verfügbaren Unterhaltsmittel überstiegen den Bedarf.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 23. April 2002
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