VwGH 99/08/0109

VwGH99/08/010930.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des B in P, vertreten durch Dr. Ronald Rödler, Dr. Heribert Kirchmayer, Rechtsanwälte in 2460 Bruck an der Leitha, Hauptplatz 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 29. Oktober 1998, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1998, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
StudBerG;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
StudBerG;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand zuletzt bis 30. Juni 1997 als Kundenbetreuer bei einer Versicherungsgesellschaft in Beschäftigung. Ab 27. Juli 1997 bezog er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Der Rektor der Universität Wien ließ den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 6. August 1997 zur Studienberechtigungsprüfung für die Studienrichtung Rechtswissenschaften zu. Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien, vom 24. Februar 1998 wurde dem Beschwerdeführer die Studienbeihilfe ab 1. Oktober 1997 in der Höhe von monatlich S 11.500,-- bewilligt. Mit weiterem Bescheid dieser Behörde vom 24. Februar 1998 wurde ausgesprochen, dass der Anspruch auf Studienbeihilfe von Oktober bis Dezember 1997 ruhte, weil der Beschwerdeführer mehr als zwei Wochen Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezogen habe.

Der Beschwerdeführer stellte am 29. Juli 1998 den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Formblattes. In diesem Formblatt wurde die Frage, ob sich der Antragsteller in Ausbildung (Schule, Hochschule, Fachschule, Kurs, Lehrgang, Praktikum usw.) befinde, bejaht. Nach dem Inhalt der mit dem Beschwerdeführer am 4. und 5. August 1998 aufgenommenen Niederschriften wurde der Beschwerdeführer zur Studienberechtigungsprüfung nach dem Studienberechtigungsgesetz, BGBl. 292/1985, für die Studienrichtung Rechtswissenschaften zugelassen. Er habe sämtliche Kurse abgeschlossen, es seien nur drei Prüfungstermine ausständig.

Mit Bescheid vom 13. August 1998 gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag auf Gewährung des Arbeitslosengeldes mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. In der Begründung wurde hiezu nach Gesetzeszitaten ausgeführt, der Beschwerdeführer befinde sich in einem Aufbaustudium zur Studienberechtigungsprüfung für Rechtswissenschaft. Da "die Studienberechtigungsprüfung noch nicht abgeschlossen" worden sei und eine solche Ausbildung während der Sommerferien als nicht unterbrochen gelte, liege Arbeitslosigkeit nicht vor.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, sämtliche Schulungen und Unterrichtseinheiten habe er bereits im Juni 1998 abgeschlossen. Lediglich ein Teil der Prüfungen sei noch abzuschließen. Die Ausbildung sei somit beendet. Im Übrigen komme § 12 Abs. 3 AlVG nicht zur Anwendung, weil er mangels Inskription kein ordentlicher Hörer sei.

Die belangte Behörde gab dieser Berufung keine Folge. In der Begründung ihres Bescheides führte sie nach Gesetzeszitaten und Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, der Beschwerdeführer habe noch drei Prüfungstermine im September und Oktober 1998. Der formelle Abschluss der Studienberechtigungsprüfung sei daher noch nicht nachgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe sowohl im Wintersemester 1997 als auch im Sommersemester 1998 Anspruch auf Studienbeihilfe für die Absolvierung des Studiums mit der Studienrichtungskennzahl 099 (Studienberechtigungsprüfung) gehabt. Die Studienbeihilfe sei bis 30. Juli 1998 ausbezahlt worden.

Die Ausbildung in Form des Studiums zur Ablegung der Studienberechtigungsprüfung sei insbesondere auf Grund ihrer schultypischen Form und zeitlichen Inanspruchnahme unter § 12 Abs. 3 lit. f AlVG zu subsumieren. Da der Beschwerdeführer noch Prüfungen abzulegen habe, sei er über den 31. Juli 1998 hinaus an der Fortsetzung des Studiums bzw. Erreichung des Ausbildungszieles interessiert. Er gelte daher so lange nicht als arbeitslos, als er nicht in der nach studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form, nämlich der Exmatrikulation, die Beendigung seines Studiums wirksam dokumentiert habe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1997, 96/08/0145).

Eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG sei mangels gesetzlicher Voraussetzungen nicht möglich; das Studium sei auch nicht im Auftrag des Arbeitsmarktservice gemäß § 12 Abs. 5 leg. cit. erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 2211/98, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machenden Ergänzung der Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides. Die Behörden seien zutreffend davon ausgegangen, dass er an der Universität Wien immatrikuliert habe, um die Studienberechtigungsprüfung ablegen zu können. Er sei aber nicht ordentlicher Hörer einer Hochschule, sondern habe lediglich als außerordentlicher Hörer die Universität zwecks Ablegung der Studienberechtigungsprüfung besucht. Die Auffassung der belangten Behörde, diese Ausbildung sei auf Grund ihrer schultypischen Form und der zeitlichen Inanspruchnahme unter § 12 Abs. 3 lit. f AlVG zu subsumieren, sei unrichtig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne des Abs. 1, wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sind in § 12 Abs. 4 AlVG näher geregelt. Danach muss der Arbeitslose u.a. vor der Arbeitslosigkeit zugleich mit seiner Beschäftigung dem Studium oblegen sein, was im Beschwerdefall unbestrittenermaßen nicht vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, 98/08/0065) begründet die Ausbildung in einer Schule oder in einem schulähnlichen geregelten Lehrgang kraft Gesetzes die unwiderlegliche Vermutung, dass der Betreffende so lange nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung seines Ausbildungszieles interessiert (und daher nicht arbeitslos) ist, als er in der Schule oder in einem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Seine allfällige bestehende Arbeitswilligkeit kann ein solcher Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren.

Soweit die genannte Vermutung sich auf den Besuch einer "Hochschule" bezieht, gilt sie nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für "ordentliche Hörer". Nur für diese Fälle hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass schon die Immatrikulation die Vermutung bewirke, dass eine Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt nicht gegeben sei (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1997, 96/08/0145, und vom 23. Juni 1998, 98/08/0042).

Im Fall außerordentlicher Hörer ist daher nicht auf deren formelle Stellung nach den jeweiligen Organisations- bzw. Studienvorschriften abzustellen, sondern in Ermangelung einer im Gesetz vorgesehenen Sonderregelung im Einzelfall zu prüfen, ob sie - sei es an der Hochschule, sei es anderswo - in einem "geregelten Lehrgang" ausgebildet werden.

In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde lediglich festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 6. August 1997 zur Studienberechtigungsprüfung nach dem Studienberechtigungsgesetz, BGBl. Nr. 292/1985, für die Studienrichtung Rechtswissenschaft zugelassen wurde und bestimmte Prüfungen aus näher umschriebenen Fächern ablegen kann. Damit erhielt der Beschwerdeführer aber nur die Berechtigung zur Ablegung von Prüfungen. Die Ablegung dieser Prüfungen ist nach dem Studienberechtigungsgesetz nicht davon abhängig, dass der Beschwerdeführer zu einem ordentlichen oder einem außerordentlichen Studium zugelassen worden wäre. Das Studienberechtigungsgesetz enthält keine Vorschrift über die Art der Vorbereitung des Zugelassenen für die einzelnen Prüfungen. Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin Prüfungstermine vorgegeben wurden, lässt daher weder einen Rückschluss darauf zu, ob der Beschwerdeführer bis zu diesen Terminen einem geregelten Lehrgang unterliegt, noch die Vermutung, dass er der Vermittlung nicht zur Verfügung steht.

Das Gleiche gilt für die Feststellungen der belangten Behörde über den Bezug von Studienbeihilfe durch den Beschwerdeführer:

Nach § 5 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch Verordnung zu bestimmen, inwieweit Personen, die sich auf die Studienberechtigungsprüfung vorbereiten, unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums im Hinblick auf den Anspruch auf Studienbeihilfe ordentlichen Hörern gleichzustellen sind. Die Verordnung hat die Anspruchsdauer, den Nachweis des günstigen Studienerfolges und die Voraussetzungen für das Erlöschen des Anspruches festzulegen. Die dazu ergangene Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Gewährung von Studienbeihilfe an Kandidaten für die Studienberechtigungsprüfung, BGBl. Nr. 573/1992, sieht in ihrem § 2 eine Anspruchsdauer von höchstens zwei Semestern vor. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer im Wintersemester 1997/98 und im Sommersemester 1998 - bis 31. Juli 1998 - die Studienbeihilfe gewährt. Die belangte Behörde wird daher festzustellen haben, ob der Beschwerdeführer für den Zeitraum ab Antragstellung auf Grund seiner Teilnahme an einem Universitätslehrgang oder des Besuches einzelner universitärer Lehrveranstaltungen einem ordentlichen Studierenden gleichzuhalten ist oder nicht. In letzterem Falle wird sie zu beachten haben, dass der Beschwerdeführer in dem Zeitraum zwischen der Beendigung der besuchten Lehrveranstaltungen (des besuchten Lehrganges) und der Ablegung der Prüfungen nach dem Studienberechtigungsgesetz als arbeitslos gilt (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, 97/08/0648).

Da die belangte Behörde mit ihrer Auffassung, die Zulassung zur Ablegung von Prüfungen nach dem Studienberechtigungsgesetz bewirke, dass der solcherart Zugelassene gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG als nicht arbeitslos gilt, die Rechtslage verkannte, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Der pauschaliert durch Verordnung festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt auch die Umsatzsteuer, weshalb das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war (Mayer, B-VG, § 48 VwGG I.4.).

Wien, am 30. Jänner 2002

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