Normen
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1997 §36;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1997 §36;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2001 wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten wegen des Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 Jahren verurteilt worden sei; über Berufung der Staatsanwaltschaft habe das Oberlandesgericht Wien die Freiheitsstrafe mit Urteil vom 16. November 1999 auf drei Jahre erhöht. Der Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 21. Februar 1999 ein damals erst fünfzehnjähriges Mädchen, dessen Gutgläubigkeit bzw. durch Abhängigkeit veranlasste Zwangslage er ausgenützt hätte, mit Gewalt, nämlich durch Würgen mit einer Hand am Hals, zur Vornahme und Duldung des Oralverkehrs sowie durch gewaltsames Auseinanderdrücken der Oberschenkel zur Duldung des Beischlafes genötigt habe.
Das festgestellte Verhalten lasse den Schluss auf eine besonders sozialschädliche Neigung des Beschwerdeführers zu, zumal er bereits 1994 vom Landesgericht Klagenfurt rechtskräftig wegen §§ 15, 201 Abs. 2 StGB (zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätze a S 170,--) verurteilt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass er weiterhin eine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit (anderer) darstellen und auch in Zukunft Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werde.
Der Beschwerdeführer sei im Juni 1977, somit im Alter von ca. 11 1/2 Jahren, nach Österreich gekommen und seitdem hier aufhältig. Er sei mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und habe mit dieser zwei, 1985 sowie 1989 geborene Kinder, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige seien. Der Beschwerdeführer befinde sich im Besitz einer befristeten Niederlassungsbewilligung sowie eines befristeten Befreiungsscheines und sei bis zu seiner Verhaftung im Februar 1999 regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Im Hinblick auf das Alter des Beschwerdeführers bei seiner Einreise nach Österreich könne nicht davon ausgegangen werden, dass er im Sinn des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG "von klein auf im Inland aufgewachsen" sei. Zwar stelle ein Aufenthaltsverbot einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, jedoch habe der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten dokumentiert, nicht gewillt zu sein, die zum Schutz von Leib und Leben aufgestellten Normen zu beachten. Das Aufenthaltsverbot sei daher zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter sowie der Gesundheit zulässig und zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Es erscheine jedenfalls nicht verantwortbar, dem Beschwerdeführer eine Fortführung seiner kriminellen Machenschaften in Österreich zu ermöglichen. Im Hinblick darauf sehe sich die belangte Behörde ungeachtet der familiären und privaten Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich außer Stande, das in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu seinen Gunsten zu üben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die oben dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen durch das Landesgericht St. Pölten bzw. das Oberlandesgericht Wien sowie durch das Landesgericht Klagenfurt. Durch diese strafgerichtlichen Verurteilungen wurde der Tatbestand nach § 36 Abs. 2 Z 1 erster, dritter und vierter Fall FrG erfüllt und es besteht angesichts des näher umschriebenen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kein Zweifel an der Verwirklichung der in Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme. Derartige Zweifel vermag auch die Beschwerde nicht zu erwecken, wenn sie geltend macht, es hätte in einem durchzuführenden Ermittlungsverfahren, etwa durch Einholung eines psychiatrischen bzw. psychologischen Gutachtens oder durch Befragung von Bekannten und Mithäftlingen des Beschwerdeführers, dessen tatsächliche zukünftige Gefährlichkeit überprüft werden müssen. Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen der behördlichen Prognose nicht ausdrücklich entgegen getreten wird, ist auf den kurzen Zeitraum, der seit Begehung der letzten Straftat verstrichen ist, und ferner auf den Umstand zu verweisen, dass der Beschwerdeführer schon zweimal ein gleichartiges Sittlichkeitsdelikt begangen hat und ungeachtet einer strafgerichtlichen Verurteilung einschlägig rückfällig geworden ist. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass die Beschwerde nicht aufzeigt, was eine Änderung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers bewirkt haben könnte, waren die für notwendig erachteten Ermittlungsschritte entbehrlich (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zl. 2000/21/0031).
Dass auf den Beschwerdeführer im Hinblick auf sein Alter bei Einreise nach Österreich (11 1/2 Jahre) der Tatbestand des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG keine Anwendung finden kann, hat die belangte Behörde unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ergänzend aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zl. 2000/21/0180) treffend dargestellt. Die auf § 35 Abs. 4 FrG bezugnehmenden Beschwerdeausführungen - zu beurteilen ist freilich die auf Aufenthaltsverbote anwendbare, wenngleich im Wesentlichen gleich lautende Vorschrift des § 38 Abs. 1 Z 4 leg. cit. - übersehen die spezifischen Erläuterungen in den Gesetzesmaterialien, wonach Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen sein werden, deren Aufenthaltsrecht noch im Kleinkindalter (2. bis 3. Lebensjahr oder früher) begründet wurde (685 BlgNR 20. GP 76).
Der Beschwerde ist zuzugestehen, dass der Beschwerdeführer angesichts seines langjährigen Aufenthaltes und seiner Beschäftigung in Österreich und angesichts dessen, dass sich auch seine Ehegattin und seine beiden minderjährigen Kinder hier befinden, nachhaltig im Inland verankert ist. Wenn die belangte Behörde trotzdem zur Ansicht gelangte, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten sei, so ist sie im Ergebnis - vor allem im Hinblick auf den einschlägigen Rückfall des Beschwerdeführers und die Schwere der von ihm zuletzt begangenen strafbaren Handlung zu Lasten eines fünfzehnjährigen Mädchens - dennoch im Recht. Aus den zuletzt dargestellten Gründen stellt es auch keine Verletzung in Rechten des Beschwerdeführers dar, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid Überlegungen zur Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG nicht ausdrücklich dargelegt hat. Der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nämlich eindeutig größeres Gewicht beizumessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation. Die hiedurch eintretenden nachteiligen Wirkungen sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen, und zwar ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer vermeint, sich mit einer Rückkehr in die Türkei "in keinster Weise abfinden" zu können.
Soweit die Beschwerde gemeinschaftsrechtliche Regelungen gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes ins Treffen führt, hat sie offenbar den Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation im Auge. Auch dieser Einwand ist freilich nicht zielführend. Art. 14 Abs. 1 des genannten Beschlusses ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind") macht deutlich, dass die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II des Beschlusses) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen, wenn es - wie vorliegend - aus den genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 2000/21/0034). Im gegenständlichen Fall lässt das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers auf eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, schließen, sodass der angefochtene Bescheid auch im Lichte des Urteils des EuGH vom 10. Februar 2000 (Rechtssache Nazli, C - 340/97 ) unbedenklich erscheint.
Da nach dem Gesagten bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen - was die behaupteten Verfahrensmängel anlangt, so wird deren Relevanz nicht dargetan - war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als
unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 24. April 2001
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