Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs3 Z1;
FrG 1993 §10 Abs4;
FrG 1993 §7 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs5;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs3 Z1;
FrG 1993 §10 Abs4;
FrG 1993 §7 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs5;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, verfügte zuletzt über eine bis zum 31. Dezember 1999 gültige Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Jeglicher Aufenthaltszweck". Er stellte am 7. Dezember 1999 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2000 verständigte der Landeshauptmann von Niederösterreich den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme und hielt darin fest, dass der Beschwerdeführer kein gültiges Reisedokument (Reisepass) vorgelegt habe. Der Aufforderung, einen gültigen Reisepass vorzulegen, sei er "bis dato" mit der Begründung nicht nachgekommen, dass er über ein solches Dokument "derzeit" nicht verfüge.
In einer Stellungnahme vom 8. März 2000 führte der Beschwerdeführer aus, er habe versucht, von der türkischen Botschaft eine Verlängerung seines Reisepasses zu erreichen, doch sei ihm dies verweigert worden, weil er seinen Militärdienst in der Türkei noch nicht abgeleistet habe. Als Beweis biete er seine Befragung durch die Behörde an. Sollte die Behörde an seiner Darstellung zweifeln, könne er Zeugen der Ablehnung durch die türkische Botschaft namhaft machen. Ausdrücklich verwies der Beschwerdeführer auf § 14 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997), wonach ein Aufenthaltstitel im Inland auch in Bescheidform erteilt werden könne, wenn der Fremde nicht in der Lage sei, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, und wonach dem Fremden in solchen Fällen von Amts wegen ein Lichtbildausweis für Fremde nach § 85 FrG 1997 auszustellen sei.
Der Landeshauptmann von Niederösterreich wies mit Bescheid vom 9. März 2000 den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 14 Abs. 3 vierter Satz FrG 1997 zurück. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer benötige als türkischer Staatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 1 FrG 1997 einen gültigen Reisepass. Da er der persönlichen Aufforderung, der Behörde einen gültigen Reisepass vorzulegen, nicht nachgekommen sei (eine derartige "persönliche" Aufforderung ist nicht aktenkundig), sei er mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 23. Februar 2000 schriftlich aufgefordert worden, der Behörde ein gültiges Reisedokument vorzulegen. Dazu habe der Beschwerdeführer vorgebracht, die türkische Botschaft verweigere ihm die Verlängerung des Reisepasses, weil er den Militärdienst in der Türkei noch nicht abgeleistet hätte. Als türkischer Staatsbürger unterliege der Beschwerdeführer "den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten der Republik Türkei". Sein Aufenthalt in Österreich vermöge ihn von seinen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten nicht zu entbinden. Als türkischer Staatsbürger wäre er unter Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten somit sehr wohl "in der Lage", sich ein gültiges Reisedokument zu beschaffen, weswegen § 14 Abs. 5 FrG 1997 auf ihn keine Anwendung finde.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe zum Zeitpunkt seiner Antragstellung einen gültigen türkischen Reisepass vorgelegt. Er habe sich mit Zeugen in die türkische Botschaft begeben und um die Ausstellung eines (neuen) Reisepasses angesucht, was von dieser aber von einer Zahlung von S 105.000,-- abhängig gemacht worden sei. Damit sei es für ihn klar gewesen, dass es ihm nicht möglich sein würde, sich gültige Reisedokumente zu besorgen. Aus diesem Grund komme in seinem Fall § 14 Abs. 5 FrG 1997 zur Anwendung. Er ersuche daher dringlich um die Ausstellung eines Lichtbildausweises für Fremde, um die Aufhebung des Bescheides über die Zurückweisung seines Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels und um die Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform.
Ohne nähere Ermittlungen zu pflegen, wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 31. August 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 3 FrG 1997 ab (Spruchpunkt I) und wies unter einem "die Anträge" des Beschwerdeführers vom 27. April 2000 sowie vom 7. Juli 2000 "auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform" gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück (Spruchpunkt II).
In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe am 7. Dezember 1999 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gestellt, der vom Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 9. März 2000 gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 zurückgewiesen worden sei, weil der Beschwerdeführer der Aufforderung, ein gültiges Reisedokument vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Dagegen habe er fristgerecht Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass er sich außer Stande sehe, ein türkisches Reisedokument vorzulegen, weil dies seitens der türkischen Botschaft von der Zahlung von S 105.000,-- abhängig gemacht werde, die er nicht aufbringen könne. Gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 sei im Antrag der jeweilige Zweck der Reise oder des Aufenthaltes bekannt zu geben; der Antragsteller dürfe ihn während des Verfahrens nicht ändern. Der Fremde habe der Behörde die für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen. Er habe über Verlangen der Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen. Der Antrag sei ua. zurückzuweisen, sofern der Antragsteller kein gültiges Reisedokument vorlegt. Da der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und der Berufungsbehörde ein gültiges Reisedokument vorzulegen, sei die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die Berufung abzuweisen gewesen.
Gleichzeitig mit seiner Berufung habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform gestellt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2000 sei dem Bundesministerium für Inneres die Rechtsvertretung durch vier namentlich genannte Rechtsanwälte bekannt gegeben worden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer den bereits gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform wiederholt. Gemäß § 14 Abs. 5 FrG 1997 könne ein Aufenthaltstitel im Inland auch in Bescheidform erteilt werden, wenn der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument sein Herkunftsstaates zu beschaffen. Dem Fremden sei in solchen Fällen von Amts wegen ein Lichtbildausweis für Fremde (§ 85) auszustellen. Wie sich aus § 14 Abs. 5 FrG 1997 klar ergebe, sei eine Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform nicht zulässig, "da lediglich von Amts wegen, im Ermessen der Behörde liegend, ein Titel in Bescheidform erteilt werden kann". Auf Grund des Sachverhaltes "sowie der eindeutigen Rechtslage" seien die Anträge als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weil ein Aufenthaltstitel in Bescheidform nur von Amts wegen zu erteilen und eine Antragstellung daher unzulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie erneut ihre Auffassung bekräftigte, es stehe im Ermessen der erkennenden Behörde in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob ein Aufenthaltstitel in Bescheidform zu erteilen sei. Da "die Entscheidung der ersten Instanz im Rahmen des gesetzlichen Ermessens getroffen" worden sei, sei auch diese Entscheidung als rechtmäßig zu betrachten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Aufenthaltstitel wertete die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag zu Recht als solchen auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung.
Bereits vor Erlassung des FrG 1997 nahm die einschlägige Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz sowie dem Fremdengesetz 1992 (FrG 1992) auf Fälle Bedacht, in denen ein Fremder nicht in der Lage war, sich ein Reisedokument seines Heimat- oder Aufenthaltsstaates zu beschaffen. Die für die Beurteilung derartiger Fälle maßgebliche Rechtslage lautete (auszugsweise) wie folgt:
§ 10 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 10. (1) Fremde, die eine Bewilligung haben, sind zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist als österreichischer Sichtvermerk zu erteilen...."
§ 7 und § 10 FrG 1992 lauteten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Ein Sichtvermerk kann einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt ...
...
(4) Der Sichtvermerkswerber hat der Behörde die für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen; er hat über Verlangen der Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Sichtvermerkswerber kein gültiges Reisedokument vorlegt; § 10 Abs. 4 bleibt unberührt.
...
(6) Der Sichtvermerk ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.
...
§ 10.
...
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,
1. in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen oder
...
(4) Ein Sichtvermerk kann im Inland aus den Gründen des Abs. 3 Z 1 auch in Bescheidform erteilt werden, wenn der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Heimat- oder Aufenthaltsstaates zu beschaffen. ..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2000, Zl. 96/19/2600, näher dargelegt hat, war nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des FrG 1997 (derjenigen nach dem Aufenthaltsgesetz sowie dem FrG 1992) ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 7 Abs. 4 zweiter Satz erster Halbsatz FrG 1992 zurückzuweisen, wenn kein gültiges Reisedokument vorgelegt wurde, doch blieb nach der ausdrücklichen Anordnung des zweiten Halbsatzes die Bestimmung des § 10 Abs. 4 FrG 1992, derzufolge ein Sichtvermerk in Bescheidform unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden konnte, unberührt. Die Anwendung des § 10 Abs. 4 FrG 1992 im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausgeschlossen. War ein Fremder demnach nicht in der Lage, sich ein Reisedokument seines Heimat- oder Aufenthaltsstaates zu beschaffen, konnte ihm bei Vorliegen der im § 10 Abs. 3 Z. 1 FrG 1992 genannten Gründe eine Aufenthaltsbewilligung in Bescheidform erteilt werden. Auf die Frage, warum der antragstellende Fremde kein gültiges Reisedokument vorlegen konnte, kam es nur insoweit an, als zu prüfen war, ob der Fremde, der kein Reisedokument besaß, alle ihm zumutbaren Schritte gesetzt hatte, um ein solches zu erlangen.
Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Rechtslage nach dem FrG 1997 lautet (auszugsweise) wie folgt:
"§ 14.
...
(3) Im Antrag ist der jeweilige Zweck der Reise oder des Aufenthaltes bekannt zu geben; der Antragsteller darf ihn während des Verfahrens nicht ändern. Der Fremde hat der Behörde die für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen. Er hat über Verlangen der Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller kein gültiges Reisedokument vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(4) Der Einreise- oder Aufenthaltstitel ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.
(5) Ein Aufenthaltstitel kann im Inland auch in Bescheidform erteilt werden, wenn der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftstaates zu beschaffen. Dem Fremden ist in solchen Fällen von Amts wegen ein Lichtbildausweis für Fremde (§ 85) auszustellen. Ein Einreisetitel kann in Bescheidform erteilt werden, wenn das Reisedokument des Fremden nicht der Passpflicht genügt."
Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers ausschließlich damit, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, ein (aktuelles) gültiges Reisedokument vorzulegen. Sie verkennt mit dieser isoliert auf § 14 Abs. 3 vierter Satz FrG 1997 abstellenden Auffassung grundlegend die maßgebliche Rechtslage.
Gemäß § 14 Abs. 4 FrG 1997 ist ein Einreise- oder Aufenthaltstitel im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen. Das FrG 1997 ist also von der Systemvorstellung geleitet, dass sich die einreise- und aufenthaltsrechtliche Stellung eines Fremden aus seinem Reisedokument ergeben soll. Ausgehend von dieser Vorstellung sieht § 14 Abs. 3 vierter Satz FrG 1997 vor, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (und demnach auch ein solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) zurückzuweisen ist, sofern der Antragsteller kein gültiges Reisedokument vorlegt. Scheitert die Erteilung eines Aufenthaltstitels schon am Fehlen eines gültigen Reisedokuments, so soll die Behörde ermächtigt sein, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Wie aber bereits § 10 Abs. 4 FrG 1992 eine Ausnahme von dem im § 7 Abs. 1 FrG 1992 normierten Grundsatz, wonach ein Sichtvermerk nur bei Vorliegen eines gültigen Reisedokumentes erteilt werden kann, vorsah (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0252), so kann auch auf der Grundlage des FrG 1997 ein Aufenthaltstitel im Inland gemäß § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 in Bescheidform erteilt werden, wenn der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen (letztere Voraussetzung ist beinahe wörtlich aus § 10 Abs. 4 FrG 1992 übernommen). Diese ausnahmsweise Ermächtigung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform ist von der Behörde immer dann in Betracht zu ziehen, wenn der antragstellende Fremde kein gültiges Reisedokument im Sinne des § 14 Abs. 3 vierter Satz FrG 1997 vorlegt.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform ist freilich nur dann zulässig, wenn die auch sonst für Aufenthaltstitel umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Besteht etwa kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, so kommt auch die Erteilung in Bescheidform nur dann in Frage, wenn die Behörde nach Maßgabe der in § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 genannten Kriterien im Rahmen einer Ermessensentscheidung eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen beabsichtigt.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform ist weiters nach § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen. Anders als § 10 Abs. 4 im Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 Z. 1 FrG 1992 setzt § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 nicht mehr voraus, dass besonders berücksichtigungswürdige Fälle oder humanitäre Gründe vorliegen müssen, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform sprechen. Ungeachtet der Formulierung ("kann") ist nicht davon auszugehen, dass der Behörde bei der Beurteilung, ob einem Fremden, dem es faktisch unmöglich oder unzumutbar ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ein Aufenthaltstitel in Bescheidform zu erteilten ist, freies Ermessen im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG eingeräumt wäre. Legt der antragstellende Fremde somit kein gültiges Reisedokument vor, so ist die Zurückweisung seines Antrages gemäß § 14 Abs. 3 vierter Satz FrG 1997 nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform nach § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 nicht erfüllt sind.
Indem die belangte Behörde bereits auf Grund der Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments vermeinte, zur Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers ermächtigt zu sein, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in Bescheidform zu prüfen (hier: ohne sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Verweigerung der Ausstellung bzw. Verlängerung eines türkischen Reisepasses auseinanderzusetzen), belastete sie den angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt I mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach die Erteilung bzw. Verlängerung eines Reisepasses von der Zahlung des oben erwähnten Geldbetrages abhängig gemacht werde, dieses dahingehend zu beurteilen wäre, dass der Beschwerdeführer mangels Zumutbarkeit nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates im Sinn des § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 zu beschaffen. Zugleich sei darauf hingewiesen, dass die von der Behörde erster Instanz vertretene Auffassung, der Beschwerdeführer habe sich die Nichtausstellung seines Reisepasses mangels Erfüllung der Wehrpflicht gleichsam selbst zuzuschreiben, inhaltlich ebenso verfehlt ist. Sollte die Ausstellung bzw. Verlängerung eines Reisepasses nur daran scheitern, dass der Beschwerdeführer, der sich nach seinem Vorbringen bereits seit mehr als 10 Jahren in Österreich rechtmäßig aufhält, seinen Wehrdienst in der Türkei noch nicht abgeleistet hat, wäre ebenfalls davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 14 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen.
Erteilt die Behörde einen Aufenthaltstitel in Bescheidform, so hat sie gemäß § 14 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 dem Fremden überdies von Amts wegen (also anders als im Regelfall des § 85 Abs. 1 FrG 1997, der einen Antrag voraussetzt) einen Lichtbildausweis für Fremde auszustellen.
Da die Frage, ob im Falle der Nichtvorlage eines Reisedokumentes ein Aufenthaltstitel im Inland auch in Bescheidform erteilt werden kann, nach dem bisher Gesagten von der Behörde von Amts wegen bereits im Zusammenhang mit einer allfälligen Zurückweisung des Antrages als Vorfrage zu beurteilen ist, und auch das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ganz offensichtlich nur eine Erinnerung an die von ihm vertretene Rechtsauffassung, derzufolge in seinem Fall die Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung in Bescheidform (und in weiterer Folge die Ausstellung eines Lichtbildausweises für Fremde) in Betracht kommt, darstellte, erweist sich auch die mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gesondert vorgenommene Zurückweisung eines nach der Aktenlage (unabhängig vom verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) gar nicht gestellten Antrages als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 22. Oktober 2001
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