VwGH 2001/18/0179

VwGH2001/18/017918.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des A C in Wien, geboren am 1. November 1977, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Juli 2001, Zl. SD 667/01, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6;
AsylG 1997 §7;
FrG 1997 §33 Abs1;
ARB1/80 Art6;
AsylG 1997 §7;
FrG 1997 §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Juli 2001 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 18. April 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am 21. April 1999 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juni 1999 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG unter gleichzeitiger Feststellung, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 leg. cit. zulässig sei, abgewiesen worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung erhoben. Am Ende der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 12. Mai 2000 habe er die Erklärung abgegeben, seinen Asylantrag zurückzuziehen, woraufhin der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 15. Mai 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 AsylG den Bescheid des Bundesasylamtes ersatzlos behoben habe. Gegen diese Entscheidung habe der Beschwerdeführer eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Dieser habe mit Beschluss vom 15. November 2000 seinem Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit der Wirkung stattgegeben, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsstellung zukomme, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides (des unabhängigen Bundesasylsenates) gehabt habe. Da er vom 7. Juni 1999 bis 3. Juni 2000 durchgehend über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt habe, sei er zunächst auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes bis zum Vorliegen eines Erkenntnisses im asylrechtlichen Verfahren zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Mit hg. Erkenntnis vom 29. März 2001 seien die Beschwerden gegen den gemäß den §§ 7 und 8 AsylG ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Mai 2000 und gegen den gemäß § 19 AsylG ergangenen (mündlich verkündeten) Bescheid derselben Behörde vom 3. November 2000 (schriftlich ausgefertigt am 22. Jänner 2001) als unbegründet abgewiesen worden.

Da der Beschwerdeführer nunmehr weder über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG noch über einen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel verfügt habe, sei ihm mit Verständigung vom 29. Mai 2001 die beabsichtigte Ausweisung aus dem Bundesgebiet zur Kenntnis gebracht worden. In der dazu ergangenen Stellungnahme vom 13. Juni 2001 sei (von ihm) darauf verwiesen worden, dass über seinen Asylantrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden wäre. In der vorliegenden Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid vom 25. Juni 2001 sei zwar vorgebracht worden, dass das Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof noch anhängig wäre, diesem Vorbringen stehe jedoch das vorliegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2001 entgegen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei daher nicht rechtmäßig, und es lägen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG vor. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. entgegenstehe.

Diesbezüglich werde vom Beschwerdeführer geltend gemacht, dass im Bundesgebiet seine zwei Brüder lebten und er sich mit einem seiner Brüder im gemeinsamen Haushalt befände. Beide Brüder kämen für seinen Unterhalt auf, er selbst hätte keine aufrechte Kranken- oder Unfallversicherung. In Anbetracht der Umstände, dass der Beschwerdeführer mit einem seiner Brüder im gemeinsamen Haushalt lebe und zumindest während seines anhängigen Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei, sei daher von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Diesen persönlichen Interessen stehe jedoch gegenüber, dass er illegal in das Bundesgebiet gelangt und nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet geblieben sei. Dieses Verhalten stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukomme, dar. Auch sei der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Die durch das aufgezeigte Fehlverhalten bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei jedenfalls von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten gewesen seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich somit als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG.

Da sonst keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhalts von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können. Dass der Beschwerdeführer von seinen Brüdern finanziell unterstützt werde und bei einem seiner Brüder wohne, habe eine positive Ermessensübung nicht begründen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen, dass - wie unter I.1. dargestellt - das Verfahren über den Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet sei und er über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfüge. Von daher besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, kein Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft indes den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 Abs. 1 FrG und bringt vor, dass die belangte Behörde keine Interessenabwägung im Sinn dieser Gesetzesbestimmung vorgenommen habe und - wie sich auch aus Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) ergebe - der alleinige Umstand, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, für seine Ausweisung nicht ausreiche, zumal türkische Staatsangehörige nur nach den Grundsätzen der Richtlinie 64/221/EWG ausgewiesen werden dürften.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - Feststellungen zur Dauer des Aufenthaltes und zu den familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber die Auffassung vertreten, dass seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich keine solche Bedeutung zukomme, dass seine Ausweisung nicht dringend geboten wäre. Das hier maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0219, mwN). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unberechtigten Aufenthalt seit Beendigung des ihn betreffenden Asylverfahrens maßgeblich beeinträchtigt. Die auf Grund seines bisherigen Aufenthalts bestehenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet werden dadurch entscheidend relativiert, dass ihm bis zur Beendigung des den negativen Asylbescheid betreffenden hg. Beschwerdeverfahrens (vgl. I.1) nur eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung auf Grund seines Asylantrages, der sich letztlich als unbegründet erwiesen hat, zugekommen ist. Wenn die Beschwerde den ARB ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer zu dem in Art. 6 ARB näher umschriebenen Personenkreis unselbstständig Erwerbstätiger gehöre, zumal eine Beschäftigung lediglich im Rahmen einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung ein mit Art. 6 ARB verknüpftes Aufenthaltsrecht nicht begründen könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 96/18/0350), oder dass er die Voraussetzungen des Art. 7 ARB erfülle. Abgesehen davon regelt diese Bestimmung nicht den Familiennachzug und ist auch der Beschwerdehinweis auf die Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1964, 64/221/EWG, verfehlt. Dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0424, verwiesen. Im Hinblick darauf bestand keine Veranlassung, der Anregung zu folgen, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

3. Schließlich geht auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, dass der lediglich auf § 33 Abs. 1 FrG und § 66 Abs. 4 AVG verweisende Spruch des angefochtenen Bescheides mangelhaft sei, ins Leere, handelt es sich doch bei diesen Gesetzesbestimmungen um die konkreten Rechtsnormen, die die Grundlage für den Abspruch der Behörde bildeten, und lässt die Bescheidbegründung keine Zweifel über die angewendeten Vorschriften, so insbesondere auch § 37 Abs. 1 FrG entstehen (vgl. dazu etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 59 Abs. 1 AVG E 6a, 6b, zitierte hg. Judikatur).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. September 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte