VwGH 2001/06/0144

VwGH2001/06/014420.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde 1. der GM und 2. des Mag. CH, beide in I, beide vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 2a/II, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 10. Oktober 2001, Zl. I-5371/1999, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: AÖ in S), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §7 Abs5;
BauRallg;
VwRallg;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §7 Abs5;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ein Bauansuchen der Mitbeteiligten, das ursprünglich auf die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit Lager gerichtet war.

Der im ersten Rechtsgang, im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 1999 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2001, Zl. 99/06/0155, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zur Vorgeschichte kann daher auf dieses Erkenntnis verwiesen werden.

Im fortgesetzten Verfahren wurde das Bauvorhaben der Mitbeteiligten mit Eingabe vom 9. Juli 2001 dahingehend geändert, dass an Stelle des ursprünglich vorgesehenen Lagers drei Kellerabteile und an Stelle der ursprünglich geplanten Kellerabteile der Zugang zum Heiz- und Tankraum und ein Kellerabteil vorgesehen wurden. Die ursprünglich vorgesehene Rutsche in das Lager wurde im Keller- und im Erdgeschoß fallen gelassen. Im Erdgeschoß wurde im Bereich der Rutsche ein Abstellraum geplant. Die Bezeichnung des Vorhabens wurde von "Wohnhaus mit Lager" in "Wohnhaus" abgeändert.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung u.a. der Beschwerdeführer neuerlich abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass durch die vorgenommene Änderung des ursprünglichen Vorhabens bei gleichzeitiger planlicher Änderung der Kellerraumeinteilung (und Verzicht auf den Ausbau von Rutschen) im vorliegenden Projektsverfahren sichergestellt sei, dass die in Rede stehenden Kellerräumlichkeiten und somit das Gesamtvorhaben mit der angeordneten Widmung im Einklang stehe. Die Aussage der Mitbeteiligten, dort übliches Lagergut bzw. auch Obst und Feldfrüchte aus dem angrenzenden Obstgarten unterbringen zu wollen, belege, dass derart genützte Räume eindeutig mit der Widmung "Wohngebiet" übereinstimmten. Gemäß der vorliegenden Baubeschreibung (sowie den Plänen) sollten in dem Wohnhaus vier voneinander abgetrennte Wohnungen errichtet werden. Die Änderung des Bauvorhabens im Kellergeschoß sehe nunmehr in diesem Sinne eine Raumaufteilung in der Weise vor, dass vier Kellerabteile geschaffen würden, die den vier Wohneinheiten zuordenbar seien. Somit sei von der Vereinbarkeit mit der Widmung Wohngebiet auszugehen, da insbesondere gegenteilige Indizien für eine andere Nutzung der Kellerräume nicht vorlägen.

Zur behaupteten Unzulässigkeit des in den Mindestabstand ragenden Erkers wurde ausgeführt, dass gemäß § 7 Abs. 5 Tir. Bauordnung 1989 offene Balkone, Erker und ähnliche Bauteile, die nicht mehr als 1,5 m in die Mindestabstandsfläche hineinragen, im Bereich des Mindestabstandes außer Betracht blieben. Der vorliegende Vorbau sei als Erker zu qualifizieren, da er in seiner Ausformung nicht fassadengestaltend in Erscheinung trete und im Verhältnis zur Raumbreite der dahinterliegenden Wohnung weniger als 50 % der Raumbreite ausmache.

Was die behauptete erschwerte Kehrung der Kamine und eine dadurch verursacht erhöhte Brandgefahr betreffe, werde auf die Auflage im Baubescheid verwiesen, dass für die Kehrung der Kamine für das vorliegende Objekt und für das angrenzende Nachbargebäude jeweils ein gesicherter Aufstieg für den Kaminkehrer vorzusehen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei das Bauvorhaben durch die nunmehrige Bezeichnung "Wohnhaus" seinem Wesen nach geändert worden. Es liege somit kein mit dem ursprünglichen Bauvorhaben noch identes Bauvorhaben vor. Die Beschwerdeführerin verweist insbesondere darauf, dass auf eine Wohneinheit ein Kellerraum von über 31 m2 (gemeint offensichtlich 51 m2) entfalle. Der Keller mache insgesamt (ohne Tank- und Heizraum) 247 m2 aus.

Den Beschwerdeführern kann nicht gefolgt werden, dass durch die vorgenommene Änderung betreffend die Verwendung des Gebäudes von Wohnhaus mit Lager in Wohnhaus in Verbindung mit der Schaffung von den vier Wohnungen in dem Wohnhaus entsprechenden vier Kellerabteilen das ursprüngliche Bauvorhaben in seinem Wesen geändert worden ist. Ein in den ursprünglichen Bauplänen dargestelltes Projekt kann nach der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/06/0185) nicht als ein "aliud" beurteilt werden, wenn im Zuge des Berufungsverfahrens Modifikationen erfolgen, welche - nach Art und Ausmaß geringfügig -

dem Zweck dienen, das Projekt (zur Gänze) dem Gesetz anzupassen. Auch wenn nicht nur Einschränkungen des ursprünglichen Bauvorhabens vorgenommen werden, so sind Änderungen des ursprünglichen Bauvorhabens im Berufungsverfahren zulässig, die insgesamt betrachtet kein Ausmaß erreichen, auf Grund dessen das Bauvorhaben als ein anderes zu beurteilen wäre, bzw. die das Wesen (den Charakter) des Vorhabens betreffen. Zentraler Verwendungszweck (wenn auch nicht alleiniger Zweck) des ursprünglichen Bauvorhabens war im vorliegenden Fall die Verwendung als Wohnhaus, dieser Verwendung dient das vorliegende Bauvorhaben nach der Änderung nunmehr ausschließlich. Ein im Wesen abgeändertes Bauvorhaben ergibt sich daraus nicht. Aus den baurechtlichen und raumordnungsrechtlichen Vorschriften ergibt sich aber nicht, dass Kellerabteile in einem Wohnhaus eine bestimmte Größe nicht übersteigen dürfen. Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens ist allein das zur Bewilligung beantragte, planmäßig belegte Projekt. Wenn ein errichtetes Bauvorhaben zu anderen Zwecken als den bewilligten verwendet wird, ist dagegen baupolizeilich mit baupolizeilichen Aufträgen vorzugehen.

Weiters meinen die Beschwerdeführer, der auch vorgesehene Vorbau sei zu Unrecht als Erker qualifiziert worden. Auch diese Auffassung wird nicht geteilt. Nach der hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2001, Zl. 98/06/0150) ist unter diesem Begriff nach dem Sprachgebrauch ein in der Regel geschlossener, überdachter, vorspringender Teil an Gebäuden zu verstehen, der u.U. über ein oder mehrere Geschoße reichen kann. Dieser Gebäudeteil wird in der Regel nicht vom Boden hochgeführt, sondern ragt dem Gebäude frei vor oder er wird von einem Mauervorsprung oder einer Säule gehalten. Hinsichtlich von Gebäudeteilen vorspringenden Charakters, die nicht den Eindruck einer neuen geschlossenen Gebäudefront erwecken, wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Erkerähnlichkeit" zwei negative Voraussetzungen entwickelt:

danach darf ein solcher Vorsprung nicht selbst den Charakter eines Raumes haben; darüber hinaus darf ein solcher Vorsprung nach der Rechtsprechung nicht auf der ganzen Breite des dahinterliegenden Raumes vorspringen. Die beiden zuletzt genannten Negativvoraussetzungen erfüllt der verfahrensgegenständliche Erker. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem Vorerkenntnis die Erkereigenschaft dieses Vorbaues, der sich im 1. Obergeschoß an einer Gebäudefront mit einer Länge von ca. 7,80 befindet, ca. 2,3 m lang und ca. 1,00 m breit ist, bejaht. Auch in der vorliegenden Beschwerde wird nicht näher dargelegt, warum dieser Bauteil den dargelegten Kriterien eines Erkers im Sinne der angeführten Judikatur zu § 7 Abs. 5 Tir. Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33 (TBO), nicht entsprechen sollte.

Auch zu der geltend gemachten erhöhten Brandgefahr, weil nach Auffassung der Beschwerdeführer die Zufahrt für Fahrzeuge der Feuerwehr zum Brandobjekt nicht gegeben sei, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in dem angeführten Vorerkenntnis Zl. 99/06/0155, darauf hingewiesen, dass keine Bestimmung der Tiroler Bauordnung bzw. einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung dem Nachbarn diesbezüglich ein Mitspracherecht gemäß § 30 Abs. 4 TBO einräumt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2001

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