VwGH 2001/02/0048

VwGH2001/02/004818.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der am 21. Jänner 1984 geborenen M P, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Postgasse 6-8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 17. Jänner 2001, Zl. 11-F/2001, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §61 Abs2;
FrG 1997 §66 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §61 Abs2;
FrG 1997 §66 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2001 wurde gegen die (am 21. Jänner 1984 geborene) Beschwerdeführerin gemäß § 61 Fremdengesetz 1997 (FrG) zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft nach Entlassung aus der Strafhaft angeordnet. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass dieser Bescheid mit diesem Zeitpunkt in Kraft tritt.

Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, sei mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. August 2000 "gemäß § 127 StGB, § 229 Abs. 1 StGB, § 27 Abs. 1 SMG, § 178 StGB, § 130 1 StGB, § 15 StGB und Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. August 2000, GZ 16 Ns 17/00 und vom 12.4.1999, ... gemäß § 127 StGB, § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB, § 130 1. DF StGB, § 27 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes, zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, 7 Monaten und 15 Tage verurteilt" worden. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 17. Jänner 2000 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Auf Grund dieses vollstreckbaren Aufenthaltsverbotes, aber auch auf Grund der Tatsache, dass die gerichtlichen Verurteilungen (gemeint offenbar: die diesen zu Grunde liegenden Straftaten) eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und vor allem der öffentlichen Sicherheit bildeten, sei die Behörde zum Schluss gekommen, dass die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung der Beschwerdeführerin zu verhängen gewesen sei, um ein weiteres strafbares Verhalten zu verhindern. Die belangte Behörde sei "somit zum Ergebnis gelangt, dass die Verhängung der Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis" stehe und "im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 61 FrG lautet (auszugsweise):

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(2) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; diese ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. ..."

§ 66 Abs. 1 FrG lautet:

"(1) Die Behörde kann von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann."

Entgegen dem Beschwerdevorbringen trifft es nicht zu, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid gemäß § 57 AVG erlassen hätte. Auch übersieht die Beschwerde, dass der erwähnte Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2001, mit dem diese über die Beschwerdeführerin ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängte, den Ausspruch enthält, wonach einer Berufung die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen werde; die belangte Behörde ging daher zu Recht von der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes aus.

Soweit sich die Beschwerdeführerin vor dem Gerichtshof gegen das über sie verhängte Aufenthaltsverbot wendet und ausführt, die belangte Behörde hätte dessen Voraussetzungen (nochmals) überprüfen müssen, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Schubhaftbehörde insoweit nur gehalten ist zu prüfen, ob das für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende durchsetzbare Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht ist. Trifft dies zu, so ist sie an das Bestehen derselben gebunden und hat davon auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/02/0166, mwN).

Die Beschwerdeführerin weist jedoch auf ihr Alter und die oben wiedergegebene Bestimmung des § 66 Abs. 1 FrG hin; die Anwendung gelinderer Mittel sei von der Behörde überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Die belangte Behörde hatte zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides im Hinblick auf das Alter der Beschwerdeführerin und die nicht auszuschließende Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Strafhaft davon auszugehen, dass die durch den angefochtenen Bescheid angeordnete Inschubhaftnahme zu einem Zeitpunkt erfolgen könnte, zu dem die Beschwerdeführerin (noch) minderjährig sein werde; die belangte Behörde hätte daher im Sinne des § 66 Abs. 1 zweiter Satz FrG zu begründen gehabt, warum sie Grund zur Annahme fand, dass der Zweck der Schubhaft durch die Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden könne.

Wie dem angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, hat sich die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage nicht mit dieser Frage auseinandergesetzt. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vorbringt, es sei "behördenintern" die Frage geprüft (und verneint) worden, ob ein gelinderes Mittel anzuwenden wäre, haben die diesbezüglich angestellten Erwägungen in der Bescheidbegründung keinen Niederschlag gefunden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2000, Zl. 98/02/0155); er war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Mai 2001

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