Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 23. Februar 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen dem Beschwerdevorbringen zufolge algerischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 7 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis zum Ablauf des 2. Februar 2005 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 3. Juli 1999 mit dem Zug von Amsterdam kommend in Kufstein in das Bundesgebiet eingereist, zum Brenner gefahren und nach Italien ausgereist. Bei der Zugkontrolle in Italien sei er von der italienischen Polizei aufgegriffen und nach Österreich zurückgestellt worden. Da er bei seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich nicht im Besitz des erforderlichen Reisedokuments und einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 FrG gewesen sei, halte er sich seither rechtswidrig im Bundesgebiet auf, was eine Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. darstelle.
Sein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Gesamt(fehl)verhalten und seine Mittellosigkeit rechtfertigten die Annahme, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Seine Mittellosigkeit gefährde darüber hinaus das wirtschaftliche Wohl des Landes (§ 36 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.) und erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG, wobei ihm der Ausnahmetatbestand dieser Gesetzesbestimmung schon deshalb nicht zugute komme, weil er am 3. Juli 1999 nicht rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist sei. Da er sich nicht nur mittellos, sondern auch rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, werde das Ermessen gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu seinem Nachteil geübt.
Ein relevanter Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege insofern vor, als er schwer krank sei, vom 5. Juli 1999 bis 1. Dezember 1999 in stationärer Behandlung in der Universitätsklinik Innsbruck gewesen sei und derzeit in ambulanter Behandlung sei. Er sei in Innsbruck wohnhaft und werde von der Caritas betreut. Die Kosten für seine ärztliche Behandlung, seine Zahnarztbehandlung und seinen Aufenthalt in der "Städtischen Herberge" vom 1. Dezember 1999 bis 31. Dezember 1999 müsse auf Grund des Tiroler Sozialhilfegesetzes das Sozialamt der Stadt Innsbruck tragen, das zusätzlich für Dezember 1999 und Jänner 2000 insgesamt S 2.800,-- bereits für seinen Lebensunterhalt bezahlt habe. Sein fortgesetzter rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet in Verbindung mit seiner Mittellosigkeit mache das Aufenthaltsverbot vor dem Hintergrund seiner schweren Krankheit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes des wirtschaftlichen Wohls des Landes dringend geboten.
Die privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen insofern schwer, als er einer medizinischen Behandlung bedürfe. Da er jedoch erst seit 3. Juli 1999 - rechtswidrig - in Österreich, das er nur habe durchqueren wollen, aufhältig und demgemäß hier nicht integriert oder mit einer intensiven privaten oder einer familiären Bindung versehen sei, käme diesen Interessen im Hinblick auf seine Mittellosigkeit und die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts höchstens dasselbe Gewicht zu wie den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß den §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten.
Wenn der Beschwerdeführer vorgebracht habe, er wäre "sehr wohl in der Lage, durch private Zuwendungen die Mittel zur Befriedigung der Grundbedürfnisse des Lebens abzudecken", werde einerseits darauf verwiesen, dass die Verwirklichung des Tatbestands des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG schon auf Grund des Bezuges von Sozialhilfe gegeben sei, und andererseits darauf, dass es Sache des Fremden sei, von sich aus (initiativ) zu beweisen, dass er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Zu seinem weiteren Vorbringen, dass die "Vollstreckung des Aufenthaltsverbots gleichbedeutend wäre mit Beendigung der medizinischen Behandlung, was wiederum seinen baldigen Tod zur Folge hätte", werde darauf hingewiesen, dass die Erlassung und die "Vollstreckung" eines Aufenthaltsverbots zu unterscheiden seien (vgl. § 56 Abs. 2 FrG).
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß §§ 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.
Gemäß Abs. 2 des § 36 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, und entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0147, mwN).
1.2. Nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid verfügt der Beschwerdeführer über keine eigenen Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts und mussten die Kosten der auf Grund seiner Erkrankung notwendigen ärztlichen Behandlung und seiner Unterbringung in der "Städtischen Herberge" in Innsbruck vom Sozialamt der Stadt Innsbruck getragen werden, das auch für Dezember 1999 und Jänner 2000 insgesamt S 2.800,-- für seinen Lebensunterhalt bezahlt hat. Die Beschwerde bringt dazu selbst vor, dass der Beschwerdeführer über keine eigenen finanziellen Mittel verfüge und durch Zuwendungen Dritter in der Lage sei, einen minimalen Lebensstandard "einzuhalten". Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei.
1.3. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers - der in der Beschwerde zugesteht, dass (auch) seine dauernde ärztliche Behandlung an der Universitätsklinik Innsbruck von der öffentlichen Hand getragen wird - resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung der öffentlichen Hand (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das vorzitierte Erkenntnis), begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Wenn die Beschwerde gegen diese Annahme ins Treffen führt, dass sich der Beschwerdeführer, sehe man von seiner illegalen Durchreise (vgl. I.1.) ab, in Österreich nichts habe zu Schulden kommen lassen, so verkennt sie, dass für das Gerechtfertigtsein dieser Annahme nicht erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bereits strafbare Handlungen begangen hat (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis), und dass bereits die Gefahr der finanziellen Belastung der öffentlichen Hand, die sich im Fall des Beschwerdeführers im Übrigen bereits verwirklicht hat, die besagte Annahme rechtfertigt.
2.1. Im Licht des § 37 FrG bringt die Beschwerde in Wiederholung der Berufungsbehauptungen des Beschwerdeführers vor, dass er an Tuberkulose sowie Aids leide und deshalb in dauernder Behandlung an der Universitätsklinik Innsbruck stehe, die Behandlung nur an dieser Klinik möglich sei und im Fall des Abbruchs dieser Behandlung die Krankheit binnen kurzer Zeit zum Tod führen würde. Die Interessenabwägung hätte daher zu seinen Gunsten ausfallen müssen.
2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers zutreffend auf dessen schwere Erkrankung und die Notwendigkeit der Behandlung dieser Krankheit Bedacht genommen. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers standen in dem für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens sowie die aus seiner Mittellosigkeit resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und die finanzielle Belastung der öffentlichen Hand durch die Kosten der ärztlichen Behandlung und des Unterhalts des Beschwerdeführers gegenüber. Bei der gebotenen Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde somit zwar die von der Beschwerde ins Treffen geführte Erkrankung und Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt, jedoch zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Vollstreckung des Aufenthaltsverbots die Beendigung der medizinischen Behandlung und seinen baldigen Tod zur Folge hätte, unter Hinweis auf § 56 Abs. 2 FrG den Standpunkt vertreten, dass die Erlassung und die Durchsetzung des Aufenthaltsverbots zu unterscheiden seien. Mit dieser Auffassung hat die belangte Behörde insofern das Gesetz verkannt, als die Frage einer für den Fremden lebensnotwendigen medizinischen Betreuung in Österreich bereits im Rahmen der Interessenabwägung nach § 37 FrG zu beurteilen ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zlen. 98/21/0283, 0284). Ob, wie der unstrittig an Aids und Tuberkulose erkrankte Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht hat, die Durchsetzung des Aufenthaltsverbots die Beendigung der medizinischen Behandlung und damit seinen baldigen Tod zur Folge hätte bzw. ob es ihm (tatsächlich) möglich sein werde, eine für ihn lebensnotwendige ärztliche Betreuung auch im Ausland in Anspruch zu nehmen, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor. Sollte diese Möglichkeit nicht gegeben sein, so hätten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich ein derart großes Gewicht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG in den Hintergrund träte.
3. Da sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage mit dieser entscheidungswesentlichen Frage der faktischen Behandlungsmöglichkeit im Ausland nicht auseinander gesetzt hat, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Juni 2001
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