VwGH 2000/18/0098

VwGH2000/18/009818.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des A J in L, geboren am 5. Oktober 1975, vertreten durch Dr. Axel Zaglits, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schmidtorstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. Dezember 1999, Zl. St 215/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 21. Dezember 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer gebe sich als Staatsangehöriger von Sierra Leone aus. Seine Identität stehe mangels Vorliegens eines Reisedokuments nicht fest. Im Asylverfahren sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, allgemeine Fragen bezüglich Sierra Leone (z.B. Nationalfeiertag, Währung, Ortsnamen, Flagge etc.) zu beantworten.

Der Beschwerdeführer sei am 26. November 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Am 28. November 1997 sei er gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes aus 1992 ausgewiesen worden. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, der am 30. Dezember 1997 rechtskräftig abgewiesen worden sei. In weiterer Folge seien ihm Vollstreckungsaufschübe erteilt worden.

Mit Urteil vom 11. Februar 1999 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz sowie wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung gemäß § 83 und § 84 Abs. 2 Z. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden.

"Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Zi. 1 2. Fall FrG ist somit erfüllt und es liegt durch diese Verurteilung eine bestimmte Tatsache vor, die die Annahme rechtfertigt, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet."

Ob sich der Beschwerdeführer schuldig fühle oder nicht, sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Schon allein der Umstand, dass er wegen eines Deliktes nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt worden sei, lasse die Ausübung des bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeräumten Ermessens zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht nur gerechtfertigt, sondern auch für geboten erscheinen, wozu komme, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe und er illegal in das Bundesgebiet gelangt sei. Überdies sei der Beschwerdeführer nach dem Berufungsvorbringen in einer schwierigen finanziellen Lage, was eine günstige Prognose nicht zulasse.

Da sich der Beschwerdeführer erst seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhalte, werde durch das Aufenthaltsverbot nicht in relevanter Weise in sein Privatleben eingegriffen. Der Verlust eines in Österreich - nach dem Berufungsvorbringen - bestehenden Freundeskreises stelle keinen Eingriff in das Privatleben im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Ein in Österreich bestehendes Familienleben habe der Beschwerdeführer nicht behauptet und sei auch aus der Aktenlage nicht zu ersehen. Die Behörde sei daher einer Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, ebenso enthoben wie einer Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG. Aber selbst wenn man diese Auffassung nicht teile, sei schon in Anbetracht der großen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten. In Anbetracht des erst zweijährigen inländischen Aufenthaltes auf der einen und "der Art und Schwere der gerichtlichen Verurteilung" auf der anderen Seite wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei weitem schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher auch aus dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privat- und Familienlebens zulässig, dies insbesondere im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, unbekämpft.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen gefährdet. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten (die daher festzustellen sind) und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0416, vom 3. August 2000, Zl. 99/18/0446, und vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0089).

Die belangte Behörde hat in Ansehung des § 36 Abs. 1 FrG ausdrücklich und ausschließlich auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers und nicht auf die diesen zu Grunde liegenden Straftaten abgestellt. Damit hat sie die Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

3. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 2001

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