VwGH 2000/16/0213

VwGH2000/16/021317.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 22. Juni 1999, Zl. MD-VfR - W 18 u. 19/98, betreffend Getränkesteuer für Jänner bis Juni 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §14 Abs1;
LAO Wr 1962 §12 Abs1;
BAO §14 Abs1;
LAO Wr 1962 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 23. März 1998 informierte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, den Beschwerdeführer, dass er als Betriebsnachfolger der K-GmbH für Getränkesteuerschulden bis Juni 1996 zur Haftung herangezogen werde. Der Beschwerdeführer erwiderte, dass er erst seit Juli 1996 am gegenständlichen Standort ein Unternehmen führe; es sei zu keiner Unternehmensveräußerung gekommen. Verschiedene Einrichtungsgegenstände seien von der K-GmbH gekauft worden, gewisse Gegenstände seien nicht übernommen, sondern durch neue Geräte ersetzt worden. Die Zapfensäule und andere Gegenstände hätten einer Brauerei gehört und seien von dieser abgeholt worden.

Die Hausverwaltung gab an, dass vor dem 1. Juli 1996 Herr K. Mieter des Lokales gewesen sei.

Mit Bescheid vom 5. Juni 1998 zog die Abgabenbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer im Umfang von S 2.419,-- zur Haftung für Getränkesteuerverbindlichkeiten aus der Zeit Jänner bis Juni 1996 heran. Der Beschwerdeführer habe als Erwerber ohne Unterbrechung den Betrieb fortführen können, sodass von einer Übernahme des lebensfähigen Betriebes auszugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er erklärte, dass der Vorschreibung der Getränkesteuer Gemeinschaftsrecht widerspräche. Er bestritt bezüglich der Haftung einen Unternehmensübergang.

Innerhalb der Berufungsfrist richtete der Beschwerdeführer an die Behörde einen Antrag auf "Mitteilung des Abgabenanspruches". Aufgrund des Hinweises durch die Abgabenbehörde, es sei kein Abgabenbescheid gegenüber der Primärschuldnerin ergangen, stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Getränkesteuererklärung des Vorgängers auf Null zu berichtigen, weil die Vorschreibung dem Gemeinschaftsrecht widersprochen habe. Darauf schrieb die Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 14. August 1998 der K-GesmbH die Getränkesteuer für die Zeit vom Jänner 1996 bis Juni 1996 vor. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen als unbegründet ab. Zum Bemessungsbescheid wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Berichtigungserklärung gemäß § 193 Abs. 3 BAO abgegeben habe; die belangte Behörde erkannte aber keinen Verstoß gegen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes.

Bezüglich der Haftung nahm die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 WAO als gegeben an. Das Gastronomieunternehmen "Espresso-Cafe" sei ohne wesentliche Unterbrechung in einer dem vorangegangenen Gewerbebetrieb gleichwertigen Weise fortgeführt worden, habe doch der Vorgänger die Betriebstätigkeit mit Juni 1996 eingestellt und der Beschwerdeführer den Betrieb bereits im Juli 1996 fortgeführt. Daher sei ohne umfangreiche Investitionen und Neuanschaffungen der Weiterbetrieb möglich gewesen. Die vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Anschaffungen seien allesamt erst Monate nach dem Betriebsbeginn erfolgt und daher nicht für die sofortige Betriebsfortführung erforderlich gewesen. Gläserspühler, Ventilator, Kühlpult, Stereoanlage, Kühlschrank und Thekenteile, die bei Fortführung des Betriebes dem Austausch bestehender Einrichtungen dienten, stellten keine tragenden Unternehmensgrundlagen dar, zumal das Gesamtvolumen dieser Anschaffungen nicht einmal S 40.000,-- betragen habe. Der Schankanlage komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil diese auch nicht im Eigentum des Betriebsvorgängers gestanden sei. Da der Gastgewerbebetrieb nahtlos fortgesetzt worden sei, sei auch abzuleiten, dass ein entsprechender Teil des Kundenstockes noch erhalten geblieben sei. Im Hinblick auf die erfolgte Übertragung der wesentlichen Unternehmensgrundlagen sei eine Übereignung im Sinne des § 12 Abs. 1 BAO erfolgt. Bei der Primärschuldnerin bzw. bei sonstigen Haftungspflichtigen bestehe keine Einbringungsmöglichkeit, sodass die Heranziehung des Beschwerdeführers nicht unbillig sei.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zu dieser Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 12 Abs. 1 WAO lautet:

"(1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

1. für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

2. für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren, mit folgenden Einschränkungen:

Der Erwerber haftet für die Abgabenrückstände jedes Kalenderjahres bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im erworbenen Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen."

Eine Übereignung eines Unternehmens im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt. Bei Gastronomieunternehmen zählen das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens. Der Unternehmer muss dabei in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen (vgl das hg. Erkenntnis vom 20. September 1996, Zl. 93/17/0261, mwH; zuletzt vom 24. Jänner 2001, Zl. 2000/16/0577).

Im Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 97/16/0343, hatte der Verwaltungsgerichtshof einen Sachverhalt zu beurteilen, nach dem zunächst ohne Unterbrechung der Betrieb drei Monate lang unverändert weitergeführt wurde und dann ein Umbau stattfand. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei darauf abgestellt, dass dann, wenn ein Unternehmen ohne Unterbrechung fortgeführt wurde, jedenfalls ein lebender Betrieb im Sinne der in der Judikatur entwickelten Kriterien erworben wurde und der Haftungstatbestand erfüllt ist.

Auch im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass nach der Betriebseinstellung durch den Vorgänger im Juni 1996 die Fortführung des Betriebes durch den Beschwerdeführer bereits im Juli 1996 erfolgte. Damit mussten die tragenden Unternehmensgrundlagen vorhanden gewesen sein; wenn der Beschwerdeführer im Laufe der folgenden neun Monate (die letzte der vorgelegten Rechnungen stammt aus März 1997) Investitionen von unter S 40.000,-- getätigt hat, hat dies auf den erfolgten Erwerb eines lebenden Unternehmens keinen Einfluss. Genauso wenig spielt es eine Rolle, ob der Erwerber in den Bierbezugsvertrag des Vorgängers (mit der damit verbundenen Zurverfügungstellung einer Schankanlage) eintrat oder nicht, weil es nicht darauf ankommt, ob der Erwerber des Gastronomiebetriebes von derselben oder von einer anderen Brauerei beliefert wird. Der Haftungstatbestand des § 12 Abs. 1 WAO ist somit jedenfalls erfüllt.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer aber die Getränkesteuervorschreibung sowohl ihm gegenüber als auch gegenüber der Primärschuldnerin als gemeinschaftsrechtswidrig. In beiden Fällen wie auch im angefochtenen Bescheid wurde eine Aufgliederung nach alkoholischen und alkoholfreien Getränken nicht getroffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen aufgrund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 , Slg. 2000/I-1157, ergangenen Erkenntnissen vom 30. März 2000, Zlen. 2000/16/0117 (vormals 97/16/0221) und 2000/16/0116 (vormals 97/16/0021), ausgeführt, dass die belangte Behörde, wenn sie auf Basis des von ihr angewendeten innerstaatlichen Rechts die Vorschreibung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke billigte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete; dies ist auch im hier zu beurteilende Fall erfolgt (der Anteil nichtalkoholischer Getränke ist nicht beziffert), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

In Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse verwiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

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