VwGH 2000/14/0053

VwGH2000/14/005323.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der L AG in L, vertreten durch Binder, Grösswang & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 22. April 1998, RV-084.96/1-6/96 (und RV- 158.97/1-6/97), betreffend Körperschaftsteuer und einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1991 und 1992, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §263 Abs2;
BAO §263 Abs3;
BAO §270 Abs3;
BAO §263 Abs2;
BAO §263 Abs3;
BAO §270 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid erhobenen Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde (Berufungssenat I) sei im gegenständlichen Fall insofern rechtswidrig zusammengesetzt gewesen, als Dr. D an der Entscheidung mitgewirkt habe. Dr. D sei dem Berufungssenat nicht als entsendetes Mitglied, sondern bloß als entsendeter Stellvertreter zugewiesen. Eine Mitwirkung des Dr. D an der Entscheidung sei daher nur zulässig, wenn alle als entsendete Mitglieder in Betracht kommenden Personen verhindert gewesen wären. Darüber finde sich aber in der Berufungsentscheidung kein Anhaltspunkt. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass alle 59 entsendeten Mitglieder des Berufungssenates I verhindert gewesen wären. Der angefochtene Bescheid sei somit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Ansicht, es habe sich im gegenständlichen Fall, insbesondere auch wegen der internationalen Vertragsverflechtungen, die Zuziehung eines auf diesem Gebiet rechtskundigen Beisitzers empfohlen. Die vier von der Notariatskammer für Oberösterreich entsendeten Mitglieder seien entweder bei der beabsichtigten Terminvereinbarung telefonisch nicht erreichbar gewesen oder hätten aus Zeitgründen an der Sitzung des Berufungssenates vom 26. März 1998 nicht teilnehmen können; es sei daher der erstgereihte Stellvertreter der Notariatskammer für Oberösterreich, nämlich Dr. D, zum Zug gekommen.

In der Replik zur Gegenschrift weist die Beschwerdeführerin daraufhin, dass die belangte Behörde nicht habe darlegen können, dass alle 59 entsendeten Mitglieder verhindert gewesen seien. Daraus ergebe sich die gesetzwidrige Zusammensetzung des Senates. Überdies habe die belangte Behörde keine Nachweise dafür gebracht, welche der von der Notariatskammer entsendeten Mitglieder sie zu erreichen versucht habe, wie oft sie derartige Versuche unternommen habe und welche Mitglieder tatsächlich für die Sitzung am 26. März 1989 zeitlich nicht verfügbar gewesen seien. Darüber hinaus entsende nicht nur die Notariatskammer rechtskundige Beisitzer. Zahlreiche andere Interessenvertretungen hätten ebenfalls rechtskundige Senatsmitglieder entsendet. Dies gelte im Besonderen für die Rechtsanwaltskammer. Die belangte Behörde lege nicht dar, warum nicht ein von der Rechtsanwaltskammer nominierter Besitzer geladen worden sei. Darüber hinaus enthalte die BAO keine Regelung, nach welcher primär rechtskundige Beisitzer heranzuziehen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 270 Abs. 3 BAO entscheidet über Berufungen gemäß § 260 Abs. 2 leg. cit. ein fünfgliedriger Berufungssenat, der sich aus dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion oder einem von ihm bestimmten Finanzbeamten als Vorsitzendem und vier Beisitzern zusammensetzt. Von den Beisitzern haben einer der Gruppe der ernannten und drei der Gruppe der entsendeten Mitglieder der Berufungskommission anzugehören. Ein Mitglied muss von einer gesetzlichen Berufsvertretung selbstständiger Berufe, ein weiteres von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbstständiger Berufe entsendet sein, während das dritte Mitglied von der gesetzlichen Berufsvertretung des Berufungswerbers entsendet sein soll.

Nach § 263 Abs. 2 BAO besteht die Berufungskommission aus zwei Gruppen von Mitgliedern, welche in je einer Liste zu vereinigen sind. Die erste Gruppe setzt sich aus den von den gesetzlichen Berufsvertretungen entsendeten, im jeweiligen Bundesland wohnhaften Mitgliedern zusammen, wobei das Bundesministerium für Finanzen die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder unter Berücksichtigung der Bedeutung der Berufsgruppen für die Steuerleistung im Bundesland bestimmt. Die Mitglieder der zweiten Gruppe werden in erforderlicher Anzahl vom Bundesministerium für Finanzen ernannt. Abs. 3 des § 263 BAO bestimmt, dass neben den Mitgliedern der Berufungskommission nach den Grundsätzen des Abs. 2 leg. cit. die gleiche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen und gleichfalls in je einer Liste zu vereinigen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. September 1999, 89/13/0153, ausgeführt hat, sind Stellvertreter zur Mitwirkung in Berufungssenaten erst dann heranzuziehen, wenn alle Mitglieder an der Mitwirkung verhindert sind. Die Verhinderung aller Mitglieder ist von der belangten Behörde darzutun.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Heranziehung eines von der gesetzlichen Berufsvertretung selbstständiger Berufe entsendeten Stellvertreters auch dann rechtens ist, wenn nicht feststeht, dass alle von den gesetzlichen Berufsvertretungen selbstständiger Berufe entsendeten Mitglieder verhindert sind, an der Entscheidung mitzuwirken.

Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid und auch aus der Gegenschrift ergibt, hat die belangte Behörde die Verhinderung aller von den gesetzlichen Berufsvertretungen selbstständiger Berufe in die Berufungskommission entsendeten, dem Berufungssenat I zugewiesenen Mitglieder nicht dargetan. Die Mitwirkung des Dr. D in seiner Stellung als von einer gesetzlichen Berufsvertretung selbstständiger Berufe entsendeter Stellvertreter an der Entscheidung des Berufungssenates I erweist sich daher als rechtswidrig (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 29. März 2001, 99/14/0105).

Da der Berufungssenat I, der den angefochtenen Bescheid beschlossen hat, nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt war, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung konnte in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gefällt werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. April 2001

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