VwGH 2000/02/0165

VwGH2000/02/016530.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der K in V, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Ferdinand-Leihs-Straße 9, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 19. Mai 2000, Zl. LGS 600/ALV/1218/2000-Mag. Ed/Pa, betreffend Sondernotstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;
SondernotstandshilfeV 1995 §1 idF 1998/II/090;
AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;
SondernotstandshilfeV 1995 §1 idF 1998/II/090;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 27. Dezember 1999 die Zuerkennung der Sondernotstandshilfe; die Beschwerdeführerin legte ihrem Antrag das Schreiben einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vom 23. November 1999 bei, wonach das Kind Julia der Beschwerdeführerin, geboren am 2. Juni 1998, an einer Kuhmilchallergie leide und spezieller Ernährung bedürfe. Bei geringster Kuhmilchbeimengung würden "massivste urticarielle und andere allergische Erscheinungen auftreten". Eine Unterbringung bei einer Tagesmutter oder in einer Krabbelstube sei aus den genannten Gründen nicht möglich.

Aus der Bescheinigung der Gemeinde E. vom 27. Dezember 1999 ergibt sich, dass eine Tagesmutter voraussichtlich ab Jänner 2000 verfügbar sein werde. Darauf nimmt ein Aktenvermerk vom 12. Jänner 2000 Bezug, in dem festgehalten ist, dass laut Auskunft der Gemeinde derzeit keine Tagesmutter verfügbar sei; sobald dies der Fall sei, erfolge eine Verständigung durch die Gemeinde.

Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Sondernotstandshilfe wurde stattgeben.

Die Gemeinde E. teilte mit Schreiben vom 22. Februar 2000 der Behörde mit, dass (nunmehr) eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit bei einer Tagesmutter ab 9. Februar 2000 verfügbar sei. Die Beschwerdeführerin erklärte, Einwände wegen der Allergie des Kindes gegen die Unterbringung zu haben.

In einer "Anmerkung der Gemeinde zur neuerlichen Überprüfung der Unterbringungsmöglichkeit und der vorgebrachten Einwände ..."

wiederholte diese am 10. März 2000, dass die näher genannte Tagesmutter ab 9. Februar 2000 verfügbar (gewesen) sei.

Mit Bescheid vom 16. März 2000 wurde die der Beschwerdeführerin gewährte Sondernotstandshilfe auf Grund Vorhandenseins einer geeigneter Unterbringungsmöglichkeit ab 9. Februar 2000 eingestellt. In der Begründung verwies der Bescheid auf die Angaben der Gemeinde.

In ihrer Berufung vom 20. März 2000 bezog sich die Beschwerdeführerin auf die Krankheit ihrer Tochter und legte (nochmals) das bereits erwähnte Schreiben der Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vom 23. November 1999 bei.

Im Zuge des von der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens gab die Bezirkshauptmannschaft Hartberg mit 27. April 2000 eine Stellungnahme ab. In dieser heißt es unter anderem, dass die Mutter nach dem Abstillen des Kindes vor circa 8 Wochen nunmehr nach einem strengen Diätplan kochen müsse. Die der Gemeinde E. zur Verfügung stehende Tagesmutter habe keine Ausbildung und keine Erfahrung in medizinischer oder ernährungswissenschaftlicher Richtung, die Bedenken der "Kindesmutter" (Beschwerdeführerin) bezüglich der Unterbringung ihrer Tochter seien "demnach begründet". Die Beschwerdeführerin habe inzwischen vielfältige Erfahrung im Kochen von Diätgerichten und ebenso in der Pflege, wenn das Kind doch einmal mit Milch oder Hühnereiweiß in Berührung komme.

In der Folge legte die Bezirkshauptmannschaft ein Schreiben der behandelnden Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde vom 11. Mai 2000 vor, wonach das Kind Julia an einer ausgeprägten Kuhmilchallergie leide. Bei Zufuhr von nur geringen Mengen an Milch, zum Beispiel Beimengungen in Nahrungsmitteln, komme es sofort zu ausgeprägten Hauterscheinungen und zeitweise Atemnotzuständen. Aus diesem Grund benötige das Kind strengstens kuhmilchfreie Kost und besondere Überwachung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Es sei durchaus glaubhaft, dass das Kind der Beschwerdeführerin an Neurodermitis und einer schweren Milch- und Hühnereiweißallergie leide, dies stehe jedoch "mit den Voraussetzungen (Anmerkung: für die Gewährung von Sondernotstandshilfe) in keinem Zusammenhang". Es seien auch "laut Aktenlage" von der vorgeschlagenen Tagesmutter keine Aussagen darüber getroffen worden, dass diese nicht in der Lage wäre, die Kinderbetreuung zu übernehmen. Es sei daher - trotz der Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde - davon auszugehen gewesen, dass eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit im Sinne des § 1 der Sondernotstandshilfeverordnung (in der Folge SNH-VO) "zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhanden" gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/1999 (in der Folge AlVG), haben Mütter oder Väter Anspruch auf Sondernotstandshilfe für die Dauer von 52 Wochen, längstens jedoch bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn sie wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht.

Nach Abs. 6 leg. cit. ist dem Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe eine Bescheinigung der Hauptwohnsitzgemeinde über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizulegen (Satz 1). Die Hauptwohnsitzgemeinde ist dabei an die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995 in der jeweils geltenden Fassung, gebunden (Satz 3). Die Gewährung der Sondernotstandshilfe durch die regionale Geschäftsstelle ist bei Vorliegen einer solchen Bescheinigung über das Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit nicht zulässig. Im Berufungsverfahren ist bei Berufungseinwendungen betreffend die Unterbringungsmöglichkeit eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen und in freier Beweiswürdigung zu entscheiden (vorletzter und letzter Satz).

Gemäß § 1 der SNH-VO, BGBl. Nr. 361/1995 in der Fassung BGBl. II Nr. 90/1998, gilt als geeignete Unterbringungsmöglichkeit für das Kind jedenfalls eine Einrichtung, die nach den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften (z.B. Kindergartengesetz, Kindertagesheimgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz und dergleichen) für Kinder zwischen dem 19. und dem 36. Lebensmonat entweder vom Land oder der Gemeinde selbst oder von Rechtsträgen geführt wird, denen sich das Land oder die Gemeinde zur Erreichung dieser Ziele bedient. Eine private Einrichtung (wie Privatkindergarten, Pfarrkindergarten, Kindergruppe und dergleichen) ist einer solchen Einrichtung gleichzuhalten. Nach Abs. 3 leg. cit. gelten Tagesmütter/väter nur insoweit als geeignete Unterbringungsmöglichkeit, als für sie bzw. für die Einrichtung, die die Tagesmütterbetreuung organisiert, eine Bewilligung nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften vorliegt.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für das Kind Julia der Beschwerdeführerin besteht oder nicht. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf die besonderen gesundheitlichen Probleme ihres Kindes. Die belangte Behörde hält den als glaubhaft angesehenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegen, dass "laut Aktenlage" die vorgeschlagene Tagesmutter keine Aussage darüber getroffen hätte, dass sie nicht in der Lage wäre, die Kinderbetreuung zu übernehmen. Ein Erhebungsergebnis in die Richtung, dass die Tagesmutter Kenntnis von der besonderen gesundheitlichen Situation des Kindes der Beschwerdeführerin gehabt hätte und sich in Kenntnis dieser Situation und der damit verbundenen besonderen Pflegebedingungen (Diätküche etc.) bereit und in der Lage gesehen hätte, die Pflege des Kindes zu übernehmen, liegt allerdings nicht vor. Weder wurde die Tagesmutter befragt, ob sie - im Hinblick auf die besondere Situation des Kindes - dessen Pflege (und die damit verbundene Verantwortung) übernehmen wolle, noch wurde erhoben, ob die Tagesmutter (objektiv) in der Lage ist, die besonderen Voraussetzungen für die Pflege des Kindes zu erfüllen. Dabei wäre auch zu erheben gewesen, ob die Tagesmutter bereit und in der Lage gewesen wäre, eine allenfalls nötige Ausbildung hinsichtlich der für das Kind einzuhaltenden Diät zu übernehmen.

Da die belangte Behörde entsprechende Erhebungen unterlassen hat, war der bekämpfte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war jedoch abzuweisen, da der zuerkannte Betrag bereits die Pauschalgebühr (in der Höhe von S 2.500,--) für die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes enthält; desgleichen ist in der Pauschalgebühr für den Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer inbegriffen.

Wien, am 30. März 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte