Spruch:
Der die erstbeschwerdeführende Partei betreffende Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der die zweitbeschwerdeführende Partei betreffende Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer - der Erstbeschwerdeführer ist der Vater der Zweitbeschwerdeführerin - sind Staatsangehörige von Algerien und am 12. August 1999 in das Bundesgebiet eingereist. Der Erstbeschwerdeführer beantragte in der Folge die Gewährung von Asyl und stellte im Namen seiner Tochter einen Asylerstreckungsantrag. Seinen Asylantrag begründete er auszugsweise wie folgt:
"Ich habe diese Frau M im Jahre 1993 kennen gelernt und haben wie ein Ehepaar gelebt, wir waren aber nicht verheiratet. Der Vater von M war Algerier und deren Mutter Französin. M Vater war ein Verräter, er hat die Befreiungskämpfer an die Franzosen verraten, das war aber noch während der Besatzung. ... M hatte dann Probleme bekommen, weil die Terroristen herausbekommen haben, dass sie die Tochter des Verräters sei, und wurden wir die ganze Zeit terrorisiert. Die Terroristen kamen zu mir, als Polizisten getarnt, und warfen mir vor, mein Land verraten zu haben, da ich mit einer Frau, deren Mutter Französin sei, zusammenleben würde. Ich habe dann versucht, M zu heiraten, was aber die Kirche auf Grund des christlichen Glaubens von M nicht erlaubte. ... Die Terroristen kamen zu mir in die Arbeit und meinten, ich sei ein Verräter und mit einer Tochter eines Verräters zusammen leben würde. Sie haben mir auch gesagt, dass sie die Garage anzünden werden und mir das Leben zur Hölle machen werden, dies geschah die ganze Zeit über. Das letzte Mal gegen 16/17. April nach den Wahlen. Sie kamen zu mir, ich sagte, dass ich meine Ruhe haben wollte. Unter den Terroristen war ein Offizier von der Polizei, der die Terroristen anführte, er hat für die FIS gearbeitet. Meine Lebensgefährtin war Friseurin. Am 19.06.1999, ein Samstag, wurde M von den Terroristen entführt. Das kommt öfters vor, dass die Terroristen jemanden entführen. Ich habe M dann überall gesucht, ich habe eine Meldung bei der Polizei gemacht, die Polizei bemühte sich aber überhaupt nicht, ich gab an, dass M keine Familie mehr hätte und ich der einzige bin, bei dem sie leben würde. Ich wartete eine Woche und es geschah nichts, M ist nicht aufgetaucht. Mein Freund, ein Rechtsanwalt, kam zu mir und sagte mir, dass M von den Terroristen mit Hilfe des Staates entführt wurde, da sie mir nichts anhaben konnten, so wollten sie mir zeigen, welche Macht sie hatten. Mein Freund sagte weiter, dass er gehört hätte, dass man auch meine Tochter entführen wollte, da sie aus einer sündigen Ehe stammen würde, er meinte, ich sollte am besten aus dem Land verschwinden. ... Die waren ja 20-25 Tage vor der Entführung bei mir und haben mir gedroht, dass sie meiner Familie etwas tun werden. Daher nehme ich an, dass sie (M) entführt wurde und getötet wurde. ... Meine Tochter kann nicht mehr zurück, da sie nirgends registriert ist, und ich auch nicht wegen meines geschilderten Problems. Ich habe Angst vor den Terroristen."
Die Fragen, ob ihm "der Staat", die Polizei, geholfen habe, ob er staatlich verfolgt worden sei und ob er nicht einfach innerstaatlich hätte umziehen können, beantwortete der Erstbeschwerdeführer damit, dass viele Polizisten mit den Terroristen zusammenarbeiteten, dass er auch Polizisten als Freunde habe und dass er nicht wo anders habe leben wollen; seine Heimatstadt Wahran sei, wie vom Bundesasylamt vorgehalten, "der sicherste Teil", wo anders wäre es noch schlimmer.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es erachtete das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers als glaubwürdig und stellte es als zu beurteilenden Sachverhalt fest. Weiters stellte es die Verhältnisse in Algerien betreffend (ua.) fest, dass der Staat Angehörige der GIA mit größter Härte verfolge und dass gemäß Presseberichten bei Aktionen der Sicherheitskräfte eine größere Anzahl von Terroristen getötet worden sei. Anhänger verschiedener Religionen seien in der Vergangenheit "im Rahmen der Intensivierung und Ausweitung der Anschläge seit 1993, ebenso wie Ausländer, mitbetroffen" gewesen. Die Drohungen der bewaffneten islamistischen Gruppen richteten sich in der Regel gegen Ausländer insgesamt, nicht jedoch speziell gegen Christen. Daraus lasse sich ableiten, dass der Erstbeschwerdeführer, weil er nicht dem christlichen Glauben angehöre, nicht zu den besonders gefährdeten Gruppen zu zählen sei. Die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte Gefährdung seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter seitens islamischer Fundmentalisten "mag auf die eine oder andere Art gegeben sein, kann aber in der Substanz und Intensität nicht asylerheblich sein". Dass die staatlichen Behörden Algeriens nicht in der Lage und nicht gewillt gewesen wären, dem Erstbeschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zur gewähren, sei seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. "Nach ha. Erkenntnissen" sei "eine Verfolgung durch Islamisten und die daraus resultierenden Terrorakte nicht dem algerischen Staat zuzurechnen." Vielmehr gingen algerische Sicherheitskräfte sowohl präventiv als auch repressiv gegen den islamischen bewaffneten Terrorismus vor und zeigten sich grundsätzlich bemüht, die Staatsbürger Algeriens zu schützen. Im Hinblick darauf könne nicht davon ausgegangen werden, dass Algerien nicht schutzfähig oder schutzwillig wäre.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 20. Jänner 2000 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); außerdem stellte die belangte Behörde (neuerlich) fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers nach Algerien gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz 1997 zulässig sei. Begründend wurde zunächst ausgeführt, dass die vom Erstbeschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse nicht als Sachverhalt hätten festgestellt werden können. Rechtlich folge, dass der Erstbeschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Die von ihm geäußerte Furcht, von Terroristen bzw. Fundamentalisten verfolgt zu werden, sei als nicht dem Staat zurechenbar nicht maßgeblich; eine Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung, die lediglich von Privatpersonen ausgehe, könne nicht unter die Bestimmungen der GFK subsumiert werden. Eine nicht von staatlichen Stellen des Heimatlandes ausgehende Verfolgung entfalte asylrechtliche Bedeutung nur dann, wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die Verfolgung hintanzuhalten. Gegenständlich habe der Erstbeschwerdeführer nicht releviert, dass die Behörden seines Heimatstaates generell nicht in der Lage wären, ihn vor allenfalls zu befürchtenden Übergriffen fundamentalistischer Terroristen zu schützen bzw. eine solche drohende Verfolgung hintanzuhalten. Dass die staatlichen Behörden für den Fall seines Schutzersuchens aber nicht gewillt gewesen wären, ihm Hilfestellung und Schutzgewährung angedeihen zu lassen, habe er nicht nachvollziehbar ins Treffen führen können. Seine diesbezüglich in den Raum gestellte Behauptung sei insbesondere auch vor dem Hintergrund zu relativieren, dass er zu Protokoll gegeben habe, in den Reihen der Polizei Freunde gehabt zu haben. Eine "generelle Schutzunfähigkeit" des Staates, seine Bürger vor allfälligen Übergriffen durch Terroristen zu schützen, wäre erst dann anzunehmen, wenn der Staat "generell" infolge Fehlens einer funktionellen Staatsgewalt nicht in der Lage wäre, derartige Verfolgungsmaßnahmen hintanzuhalten. Algerien betreffend könne diesbezüglich auf die allgemein bekannten und auch in den Medien dokumentierten Bemühungen staatlicher Organe bei der Bekämpfung des fundamentalistisch motivierten Terrors verwiesen werden; diesen ihm zur Kenntnis gebrachten Fakten habe der Erstbeschwerdeführer substanziell nichts entgegenzusetzen vermocht. Auf Vorhalt einer ihm allenfalls offen stehenden innerstaatlichen Fluchtalternative (seitens des Bundesasylamtes) habe der Erstbeschwerdeführer eine solche "nicht glaubhaft in Abrede" gestellt; daraus könne erschlossen werden, dass ihm überdies die Möglichkeit geboten gewesen wäre, sich den "wohl lokal begrenzten" Übergriffen durch fundamentalistische Terroristen durch Verlegung seines Wohnsitzes endgültig zu entziehen. (Die weitere Begründung der belangten Behörde für ihre Feststellung nach § 8 AsylG wird hier nicht wiedergegeben.)
Im Hinblick auf dieses Ergebnis wies die belangte Behörde mit weiterem, ebenfalls im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Jänner 2000 den Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin mangels Gewährung von Asyl an einen Angehörigen iS des § 10 Abs. 2 AsylG gemäß §§ 10 und 11 leg. cit. ab.
Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Zum den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheid:
Die Begründung dieses Bescheides ist widersprüchlich. Einerseits wird eingangs festgehalten, dass die vom Erstbeschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse nicht als Sachverhalt hätten festgestellt werden können, andererseits wird im Zuge der rechtlichen Beurteilung auf das vom Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesasylamt erstattete Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Verfolgung durch Terroristen Bezug genommen, ohne erkennen zu lassen, dass die darauf aufbauenden Erwägungen bloß eventualiter angestellt werden würden. Ungeachtet dieses Begründungsmangels erweist sich der angefochtene Bescheid deshalb als rechtswidrig, weil keine der beiden möglichen Varianten einer rechtlichen Überprüfung standhält. Unter der Annahme, die belangte Behörde hätte ihrer einleitenden Feststellung zufolge das gesamte Vorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht als Sachverhalt zugrunde legen wollen, folgert dies daraus, dass sie keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat. Dazu wäre sie jedoch gegebenenfalls verpflichtet gewesen, weil das Bundesasylamt seinerseits das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zur Gänze für glaubwürdig erachtete (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0423, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Unterstellt man hingegen, dass die belangte Behörde gleich dem Bundesasylamt von der Richtigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers ausging, so ergäbe sich die Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides - und damit die Relevanz des im anderen Fall im Unterbleiben der mündlichen Verhandlung liegenden Verfahrensfehlers - aus folgenden Erwägungen:
Zunächst ist für diesen Fall klarzustellen, dass nicht ohne weiteres von einem Wegfall der behaupteten Bedrohung ausgegangen werden könnte, weil die den Anlass für die Verfolgung des Erstbeschwerdeführers bildende Lebensgemeinschaft infolge Tötung seiner Lebensgefährtin nicht mehr besteht. Es ist in diesem Zusammenhang nämlich auf die Aussage des Erstbeschwerdeführers zu verweisen, wonach er wegen seines "geschilderten Problems" und aus Angst vor den Terroristen nicht mehr nach Algerien zurückkehren könne. Ohne diese Aussage zu hinterfragen, verbietet sich jedoch die Annahme, die behauptete Verfolgungsgefahr sei nicht mehr existent. Tatsächlich haben auch weder das Bundesasylamt noch die belangte Behörde Überlegungen in diese Richtung angestellt. Vielmehr wurde damit argumentiert, dass die geschilderte Bedrohung lediglich von Privatpersonen ausgehe und dass im Hinblick auf die staatlichen Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung nicht von einer "generellen Schutzunfähigkeit" Algeriens ausgegangen werden könne; dass die staatlichen Behörden nicht gewillt gewesen wären, dem Erstbeschwerdeführer Hilfestellung und Schutzgewährung angedeihen zu lassen, sei - so die belangte Behörde - nicht nachvollziehbar.
Was den ersten Gesichtspunkt anlangt, so weist die vorliegende Beschwerde zutreffend darauf hin, dass es nicht auf die festgestellten Bemühungen in der Terrorismusbekämpfung ankommt, sondern darauf, ob diesen Bemühungen dergestalt Erfolg beschieden ist, dass im Hinblick auf die gesetzten Maßnahmen gegen Terroristen nicht mit einer für die Asylgewährung maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ein Nachteil von asylrelevanter Intensität befürchtet werden muss (vgl. näher das gleichfalls Algerien betreffende hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256). Soweit die belangte Behörde aber mangelnden Schutzwillen als nicht nachvollziehbar erachtet, lässt sie außer Betracht, dass der Erstbeschwerdeführer vorbrachte, der Anführer der Terroristen sei (auch) Polizeioffizier und eine nach Entführung der Lebensgefährtin bei der Polizei erstattete Meldung sei folgenlos geblieben. Bei Zutreffen dieser Behauptungen wäre die Befürchtung, nicht mit wirksamem Schutz seitens der staatlichen Organe rechnen zu dürfen, ungeachtet der allgemein in Algerien herrschenden Verhältnisse nicht von der Hand zu weisen.
Nach dem Gesagten kann der den Erstbeschwerdeführer betreffende Bescheid keinen Bestand haben, zumal die ergänzenden Überlegungen in Richtung einer "allenfalls offen stehenden inländischen Fluchtalternative" mangels konkreter Feststellungen zu einem sicheren Landesteil jeglicher sachverhaltsmäßiger Grundlage entbehren. Im Hinblick auf den primär vorliegenden Begründungsmangel war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2. Zum die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid:
Der Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin war an den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gekoppelt. Die Kassation des diesen Asylantrag abweisenden Bescheides der belangten Behörde hat zur Folge, dass der Bescheid über den Asylerstreckungsantrag mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0402).
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Juni 2001
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