Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Sudan und am 12. Oktober 1998 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1998 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Sudan gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 16. November 1999 gemäß § 7 AsylG ab. Bei dieser Entscheidung ging die belangte Behörde bezüglich der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers davon aus, dass dieser Zeuge Jehovas sei; auch sein Vater sei Zeuge Jehovas gewesen und 1997 von den Truppen des Al Bashir getötet worden, da man ihn wegen seiner Predigten verdächtigt habe, "den Leuten" zuzureden, sich den Soldaten des John Garang anzuschließen; der Beschwerdeführer selbst und sein Bruder seien von den Truppen des Al Bashir zwangsrekrutiert worden, sie hätten jedoch aus dem Militärlager fliehen und in das Heimatdorf zurückkehren können; in der Folge seien in diesem Heimatdorf und in den umliegenden Dörfern junge Leute von den Truppen des John Garang rekrutiert worden; man habe aber keine Schwierigkeiten bekommen, wenn man sich diesen Truppen nicht angeschlossen habe; Zeugen Jehovas hätten sich nicht angeschlossen, weil sie sich weigerten, an Kämpfen teilzunehmen; manche Leute, die aus den Lagern des Al Bashir gekommen wären, seien von diesem geschickt worden, um zu spionieren; solche Personen seien in der Folge von den Soldaten des John Garang zwangsrekrutiert worden; da er selbst aus einem Zwangsrekrutierungslager des Al Bashir geflüchtet sei, habe der Beschwerdeführer befürchtet, ebenfalls rekrutiert zu werden.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte drohende Zwangsrekrutierung für sich allein keine Asylrelevanz entfalte, da sie ausschließlich aus dem Alter und dem Geschlecht resultiere und deshalb nicht unter Art. 1 Abschnitt A Z 2 der FlKonv falle. Von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung sei nur in solchen Fällen auszugehen, in denen die Einberufung aus einem in der FlKonv genannten Grund erfolge, in denen damit gerechnet werden müsste, dass ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt werden würde, oder in denen davon auszugehen sei, dass eine dem Asylwerber wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen gegen ihn schwerer ausfallen werde als gegenüber anderen Staatsangehörigen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien jedoch keine Ausführungen zu entnehmen, die darauf hinweisen würden, dass die Aufforderung, sich den Rebellentruppen anzuschließen, eine Verfolgung im erwähnten Sinn dargestellt hätte. Es sei nicht objektivierbar, dass die befürchteten Rekrutierungen auf seine Eigenschaft als Zeuge Jehovas und demnach auf religiöse Gründe zurückzuführen gewesen seien; seine Behauptung, dass er als Zeuge Jehovas im Zuge der Zwangsrekrutierung eine höhere Gefahr zu gewärtigen hätte als andere Angehörige der im Süden des Sudan lebenden wehrdienstfähigen Personen, die nicht dieser Religionsgemeinschaft angehörten, beruhe lediglich auf Vermutungen und erscheine daher objektiv nicht begründet. So habe der Beschwerdeführer selbst angeführt, dass man in keine Schwierigkeiten gekommen sei, wenn man sich den Truppen des Garang nicht angeschlossen habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer geltend gemachte drohende Zwangsrekrutierung durch die Truppen des John Garang lediglich unter dem Gesichtspunkt einer allenfalls aus Gründen der Religion zu gewärtigenden Verfolgung geprüft. Damit wurde sie den Umständen des vorliegenden Falles jedoch nicht zur Gänze gerecht. Sie hat nämlich unbeachtet gelassen, dass die Zwangsrekrutierung durch Soldaten des John Garang dem Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge deshalb drohe, weil er aus einem Zwangsrekrutierungslager des Al Bashir (der gegnerischen Bürgerkriegspartei) geflüchtet ist. Im Einzelnen hat der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang im Zug der mündlichen Verhandlung vom 14. September 1999 ausgeführt, dass "manche" aus dem Lager des Al Bashir zurückgekommen seien, um für diesen "alles Mögliche auszuspionieren", während sie vorgegeben hätten, für Garang und gegen Bashir zu sein; es sei möglich, dass Garang auch ihn im Hinblick auf seine Flucht aus dem Lager Bashirs für einen Spion halte; so etwas sei sehr oft vorgekommen, Garang habe dann solche Leute zwangsrekrutiert. Der Beschwerdeführer hat weiter wörtlich Folgendes angegeben:
"Ich habe doch auch vor John Garang Angst, da ich ja zu denen gehöre, die im Lager Bashirs waren und daher in den Augen v. Garangs Truppen potentielle Spione sind und Garang diese umbringt. Ich stand in einem Buch, wo die Leute, die vorher bei Bashir waren, aufgelistet waren. Das Problem ist für Rückkehrer, wie mich, auch, dass einem im ganzen Dorf dann niemand mehr vertraut. ... Bei Garang ist es so, dass man nur Schwierigkeiten hat, wenn man vorher mit den Truppen Bashirs zusammen war. ...
Ja, ich weiß, dass die Leute v. Garang arabische Leute und Leute, die v. Bashir weggelaufen waren, töten."
Die belangte Behörde hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung einen durchaus glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe, sodass am Wahrheitsgehalt seiner Schilderung kein Zweifel entstanden sei. Ihre Feststellungen, die die eben wiedergegebenen Ausführungen des Beschwerdeführers nur gerafft darstellen, sind daher im Sinn dieser Ausführungen zu lesen. Jedenfalls kann kein Zweifel daran bestehen, dass die belangte Behörde davon ausging, dass dem Beschwerdeführer seitens der Truppen des John Garang deshalb Zwangsrekrutierung drohen könne, weil er aus einem Zwangsrekrutierungslager des Al Bashir geflüchtet und als potentieller Spion des Al Bashir betrachtet worden ist. Im Hinblick darauf liegt jedoch der von der belangten Behörde vermisste Bezug zu einem in der FlKonv genannten Grund vor, nämlich zu jenem der "politischen Gesinnung". Ob der Beschwerdeführer tatsächlich diese politische Gesinnung vertrat, das heißt, ob er tatsächlich für Al Bashir, die gegnerische Bürgerkriegspartei, spionieren wollte, ist ohne Belang, weil auch bloß unterstellte politische Gesinnung asylrelevant ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/01/0080). Die belangte Behörde hat diesem Umstand, wie erwähnt, keine Beachtung geschenkt. Damit hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. August 2001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)