VwGH 99/21/0144

VwGH99/21/014413.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 1. Jänner 1945 geborenen K, vertreten durch Dr. Manfred De Bock, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Bergmannstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. März 1999, Zl. Fr-4250a-114/98, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 8. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 2 iVm §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1972 im österreichischen Bundesgebiet auf, wobei ihm letztmalig bis 9. Februar 1997 ein entsprechender Sichtvermerk bzw. eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Sein Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 20. Juni 1997 abgelehnt worden. Seit diesem Zeitpunkt halte er sich unrechtmäßig in Österreich auf.

Auf Grund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei zunächst zu prüfen gewesen, ob der Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme die Aufenthaltsverfestigung des § 38 iVm § 35 FrG entgegenstehe. Dazu müsse der Berufungswerber vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sein.

Für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien zwei Übertretungen des § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 Z. 2 und 3 des Fremdengesetzes aus 1992 maßgeblich, wegen derer der Beschwerdeführer am 22. Juli 1997 mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- und am 20. Februar 1998 mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- bestraft worden sei. Vor dem 22. Juli 1997 habe sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Sein Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid vom 20. Juni 1997 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 des Fremdengesetzes aus 1992 abgelehnt worden.

Er halte sich somit seit dem 25. Juni 1997 (Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides) unrechtmäßig in Österreich auf. Mangels eines vorliegenden ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet komme die Aufenthaltsverfestigung des § 35 FrG nicht zur Anwendung.

Im Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn schienen darüber hinaus noch folgende rechtskräftige Bestrafungen auf: Wegen § 43 Abs. 4 lit. d KFG 1967 vom 21. Oktober 1994 zu einer Geldstrafe von S 2.000,--, wegen § 44 Abs. 4 KFG 1967 vom 19. Dezember 1994 zu einer Geldstrafe von S 500,--, wegen § 22 Abs. 1 Z. 1 iVm §§ 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 MeldeG vom 29. Februar 1996 zu einer Geldstrafe von S 500,--, wegen § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 FrG vom 29. Mai 1998 zu einer Geldstrafe von S 2.000,--, wegen § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 FrG vom 9. September 1998 zu einer Geldstrafe von S 3.000,--, und wegen § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 1 FrG vom 22. Dezember 1998 zu einer Geldstrafe von S 3.000,--.

Der Beschwerdeführer habe sohin im Zeitraum 1994 bis 1998 insgesamt achtmal verwaltungsrechtlich bestraft werden müssen.

Die fünf Bestrafungen nach dem Fremdengesetz sowie die Bestrafung nach dem MeldeG hätten dabei als bestimmte Tatsache iSd § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG zu gelten. Da diese aber die Annahme rechtfertigten, dass der weitere Aufenthalt des Fremden in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe, könne gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Auf Grund der wiederholten schwer wiegenden Verwaltungsübertretungen, die innerhalb eines kurzen Zeitraums gesetzt worden seien, und der daraus ersichtlichen Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers sowie seiner Weigerung, den gesetzeskonformen Zustand herzustellen, werde von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht.

1992 und 1994 habe der Beschwerdeführer vier, 1996 lediglich zwei Monate gearbeitet. Somit sei er ab November 1991, abgesehen von den jeweils kurzfristigen Beschäftigungen, keiner Tätigkeit nachgegangen, seinen Lebensunterhalt habe er aus dem Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und zuletzt Sozialhilfe bestritten, wobei per Stichtag 21. April 1998 bereits eine Summe von S 234.953,-- für ihn habe aufgewendet werden müssen. Er sei somit seit 1991, jedenfalls aber seit 1996 nicht mehr in den Arbeitsprozess integriert. Er sei ledig, lebe allein im "Haus der Jungen Arbeiter" und mache keine weiteren familiären Beziehungen geltend. Da sich der Beschwerdeführer 25 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, und bis Oktober 1991 durchgehend einer Beschäftigung nachgegangen sei, stelle die fremdenpolizeiliche Maßnahme einen schwer wiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar.

Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, da, solange der Fremde den Unterhalt nicht selbst sichern könne, einerseits das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährdet sei und andererseits die Gefahr bestehe, dass der Unterhalt auf illegale Weise abgedeckt werde. Zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zur Wahrung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sei daher das Aufenthaltsverbot dringend geboten. Dies auch deshalb, da er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und eine Legalisierung seines Aufenthaltes im Inland nicht möglich sei. Auch bestehe ein besonderes Bedürfnis daran, dass sein Verhalten keine Vorbildwirkung entwickle. So sei schon aus diesem Grund die Setzung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme erforderlich, um zu zeigen, dass Fremde, die sich nicht selbst darum bemühen würden, über ein entsprechendes Einkommen zu verfügen, nicht unbeschränkt in Österreich aufhältig sein dürften.

Hinsichtlich seiner privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich könne nur sein legaler Aufenthalt in der Dauer von 25 Jahren berücksichtigt werden, da er weder über familiäre Bindungen noch über eine Integration in den Arbeitsmarktprozess verfüge.

Im Hinblick auf die öffentlichen Interessen sei demgegenüber zu beachten, dass zwischenzeitlich auf Grund seiner Beschäftigungslosigkeit Sozialhilfekosten von S 234.953,-- angefallen seien. Da der Beschwerdeführer seit 1991 keiner längerfristigen Beschäftigung nachgehe sowie seit 1996 lediglich zwei Monate gearbeitet habe, sei auch nicht damit zu rechnen, dass sich in absehbarer Zeit seine finanzielle Situation bessere. Angesichts der sich daraus ergebenden weiteren finanziellen Belastung der Republik Österreich überwiege das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes den Eingriff in sein Privatleben.

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sei darauf zu verweisen, dass sich dieses nach der Zeit richte, nach welcher vermutlich die Voraussetzungen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen seien. Da der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Strafen wegen illegalen Aufenthaltes sowie trotz Ablehnung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung nicht bereit gewesen sei, freiwillig den gesetzeskonformen Zustand herzustellen, dokumentiere er eine Unbelehrbarkeit und Ignoranz gegenüber den österreichischen Gesetzen. Die Befristung des Aufenthaltsverbotes in der Dauer von sechs Jahren sei daher angemessen und erforderlich, um den Verwaltungszweck, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zu erreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 hätte verliehen werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da nach den Umständen des Falles nahe liegt, dass das in dieser Vorschrift normierte Aufenthaltsverbot-Verbot zum Tragen kommt, und sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage damit nicht befasst hat, ist der angefochtene Bescheid schon deswegen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage auch mit ihrer Auffassung verkannt, die Setzung der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten fremdenpolizeilichen Maßnahme sei schon deswegen erforderlich, um aufzuzeigen, dass Fremde, die sich nicht selbst darum bemühten, über ein entsprechendes Einkommen zu verfügen, nicht unbeschränkt in Österreich aufhältig sein dürften; das Verhalten des Beschwerdeführers dürfe keine Vorbildwirkung entwickeln. Das Fremdengesetz 1997 sieht die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus Gründen der Generalprävention nämlich nicht vor, vielmehr ist ein solches nur zulässig, wenn es im konkreten Fall erforderlich ist, um eine festgestellte, vom betreffenden Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0183, m.w.N.).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Dezember 2001

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