Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 31. August 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. September 1998 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15. Oktober 1998 gab er an, ihm drohe wegen der - durch seine Mutter erklärten - Weigerung, in der "Ogboni-Society" den Platz seines verstorbenen Vaters einzunehmen und dieser Geheimgesellschaft beizutreten, in Nigeria die Verfolgung durch Ogboni-Mitglieder. Diese Gesellschaft gebe es im ganzen Land, auch Richter und Rechtsanwälte seien Mitglieder. Die Polizei könne gegen die Praktiken dieser Geheimgesellschaft "nichts machen".
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 12. November 1998 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria fest. Es erachtete die Behauptungen des Beschwerdeführers - insbesondere weil die Ogboni-Mitglieder nicht mit ihm persönlich, sondern angeblich nur mit seiner Mutter gesprochen hätten und weil die Angaben zur angeblichen Verfolgung äußerst vage und nicht logisch nachvollziehbar seien - für nicht glaubwürdig. Das Bundesasylamt hielt dem Beschwerdeführer aber (in einer Alternativbegründung) auch entgegen, die Verfolgung durch eine Geheimgesellschaft "selbst mit magischen Praktiken" stelle keinen asylrechtlich relevanten Sachverhalt dar und der Beschwerdeführer könne der behaupteten Gefahr durch eine Verlegung seines Wohnsitzes in Nigeria entgehen. Schließlich verwies es darauf, dass die Exekutive und die Gerichte gegen diese Gesellschaften "rigoros" vorgingen.
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung wandte sich der Beschwerdeführer (unter anderem auch) gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes. "Vor dem Hintergrund der allgemeinen Berichte" sei seine Fluchtgeschichte glaubwürdig. Im Zusammenhang mit seiner "Glaubhaftigkeit" bot der Beschwerdeführer auch seine Einvernahme an. Den Eventualausführungen im erstinstanzlichen Bescheid hielt er entgegen, auch wenn die Gefahr, dass Ogboni-Mitglieder an ihm ein Opferungsritual vollziehen würden, nicht von staatlichen Stellen ausgehe, könne er sich nicht an die nigerianischen Behörden wenden, weil diese von Mitgliedern dieser Geheimgesellschaft unterwandert seien und ihn nicht schützen würden.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG keine Folge und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, deren Rechtzeitigkeit nach den Ergebnissen der von der belangten Behörde vorgenommenen Erhebungen über den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer im Zweifel angenommen wird. Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde ging wie die Erstbehörde erkennbar primär davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihm in Nigeria drohenden Verfolgung nicht der Wahrheit entspreche. Die belangte Behörde hätte in dieser Hinsicht aber - angesichts der ausreichend konkreten Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Berufung - nicht davon ausgehen dürfen, der Sachverhalt sei im Sinne des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG "geklärt", und sie hätte daher nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und die daran anschließende Judikatur) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen müssen. Dies gilt aber auch hinsichtlich der von der belangten Behörde den Rechtsausführungen - die insoweit als Hilfsbegründung zu verstehen sind - in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt zugrunde gelegten Annahme staatlicher Schutzgewährung, ist doch der Beschwerdeführer den diesbezüglich getroffenen Feststellungen in der Berufung entgegen getreten, worauf gleichfalls im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung einzugehen gewesen wäre.
Darüber hinaus wäre eine mündliche Verhandlung auch deshalb durchzuführen gewesen, weil die belangte Behörde in Ansehung der "Sekten betreffenden Lage in Nigeria" von sich aus neue Ermittlungen angestellt und dazu im angefochtenen Bescheid Feststellungen getroffen hat. Diesem Erfordernis kann aber grundsätzlich nicht dadurch entsprochen werden, dass dem Beschwerdeführer - wie hier - nur Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu Ermittlungsergebnissen eingeräumt wird (vgl. etwa das. hg. Erkenntnis vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002, u.v.a.). In diesem Zusammenhang sei im übrigen angemerkt, dass sich der Beschwerdeführer in dieser Stellungnahme auf bestimmte, ihm von der belangten Behörde auch vorgehaltene, aus seiner Sicht aber für die Glaubwürdigkeit der von ihm behaupteten Fluchtgründe sprechende Ermittlungsergebnisse, wie etwa darauf, dass es sich bei der Ogboni-Gesellschaft nicht um eine lokal begrenzte "Religionsgemeinschaft" handle, dass die Bemühungen der nigerianischen Regierung, das Sektenunwesen "in den Griff" zu bekommen, gescheitert seien und "Zwangsrekrutierungen" zu Geheimgesellschaften zunehmen würden, und dass das nigerianische Behördensystem unterwandert sei, ausdrücklich bezogen hat. Obwohl die belangte Behörde in diesem Sinn im angefochtenen Bescheid dann auch Feststellungen getroffen hat, unterließ sie es, sich mit diesen für den Beschwerdeführer günstigen Ermittlungsergebnissen bei der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung auseinanderzusetzen.
Soweit die belangte Behörde noch mit der räumlichen Begrenztheit der behaupteten Verfolgung durch die Ogboni-Geheimgesellschaft und mit dem Bestehen einer sogenannten inländischen Fluchtalternative argumentiert, steht dies im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen. Danach handelt es sich zwar bei den "übrigen" Sekten und Religionsgemeinschaften, nicht jedoch bei der Ogboni-Gesellschaft um lokal begrenzte Organisationen.
Wäre die belangte Behörde in der beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den Ergebnissen einer Berufungsverhandlung zu der Auffassung gelangt, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich die Verfolgung durch Mitglieder einer Geheimgesellschaft drohe und er nicht auf die angenommenen Schutzalternativen verwiesen werden könne, so hätte dies zumindest im Rahmen einer gemäß § 8 AsylG zu treffenden Entscheidung Berücksichtigung finden müssen. Unter den im - zur Verfolgung durch Mitglieder der Ogboni-Geheimgesellschaft unter dem Gesichtspunkt einer Verfolgung aus "Gründen der Religion" Stellung nehmenden - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargestellten Voraussetzungen hätte dies aber auch für die Entscheidung über den Asylantrag von Bedeutung sein und somit insgesamt zu einem anderen Bescheid führen können (vgl. auch die Erkenntnisse vom 25. Jänner 2001, Zl. 98/20/0555 und Zl. 99/20/0133, sowie zuletzt vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0123). Damit ist aber nicht nur die - von der belangten Behörde in der Gegenschrift verneinte - Relevanz der Verletzung der Verhandlungspflicht dargetan, sondern auch klargestellt, dass die im angefochtenen Bescheid auch vertretene Auffassung, die behauptete Verfolgungsgefahr durch Ogboni-Mitglieder erfolge aus keinem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft.
Da somit nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 2001
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