Normen
NO 1871 §141f Abs2;
NO 1871 §163 Abs1;
NO 1871 §165 Abs4;
NO 1871 §47 Abs1;
NO 1871 §82 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
NO 1871 §141f Abs2;
NO 1871 §163 Abs1;
NO 1871 §165 Abs4;
NO 1871 §47 Abs1;
NO 1871 §82 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Österreichische Notariatskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht für Notare vom 17. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "in den Jahren 1990 bis 1992 in den gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch Notare vom 5. Juli 1984 (Wagner, NO3, 553 ff), über die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen vorsätzlich im Beurkundungsregister (§ 82 Abs. 1 NO) entgegen den gemäß § 140a Abs. 2 Z. 8 Notariatsordnung (NO) erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 18. Mai 1977 (Wagner, NO3, 521 ff) verminderte Anfallszahlen angeführt, sohin unrichtige statistische Ausweise der Notariatskammer vorgelegt" und er habe dadurch die den Notaren durch die NO auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle anderen Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, vorsätzlich verletzt und somit das Disziplinarvergehen der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z. 1, 156 Abs. 1 Z. 2 NO begangen. Er werde hiefür nach § 158 Abs. 1 Z. 2 NO zu einer Geldbuße von S 50.000,-- und gemäß § 184 Abs. 2 NO zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer, der seit 1984 als öffentlicher Notar in W. tätig sei, habe von 1972 bis 1984 als Notariatskandidat beim öffentlichen Notar Dr. L. gearbeitet, der mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht für Notare vom 26. Mai 1981 zu einer Geldbuße von S 20.000,-- verurteilt worden sei, weil er die jährlich an die Notariatskammer zu erstattenden statistischen Ausweise nach Verfassung durch seine Angestellten ohne weitere Überprüfung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit unterfertigt und der Aufsichtsbehörde vorgelegt habe. Die Hintergründe und der Ausgang dieses Verfahrens seien dem Beschwerdeführer bekannt gewesen. Bereits Dr. L. habe das Beurkundungsregister u.a. dadurch falsch geführt, dass er unter ein und derselben fortlaufenden Zahl (Spalte 1) in Spalte 3 mehrere Urkunden angeführt habe. Der Beschwerdeführer habe diese Vorgangsweise übernommen und von 1984 bis 1992 beibehalten. Diese Art der Führung des Beurkundungsregisters habe zur Folge gehabt, dass in den statistischen Ausweisen unter Punkt II (Gesamtzahl der in das Beurkundungsregister eingetragenen Amtshandlungen nach § 82 NO) zu geringe Gesamtzahlen eingesetzt worden seien. Der Beschwerdeführer habe die Erstellung der statistischen Ausweise seinen Angestellten überlassen, ohne die Richtigkeit vor der Unterfertigkeit vorher zu überprüfen. Der Beschwerdeführer habe es ernstlich für wahrscheinlich und möglich gehalten, dass auf Grund der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer für das Beurkundungsregister aus dem Jahre 1977 richtigerweise für jede einzelne Urkunde eine eigene fortlaufende Zahl zu vergeben sei und dass sein Beurkundungsregister daher fehlerhaft sei. Er sei gewillt gewesen, hinzunehmen, dass deshalb auch die in den statistischen Ausweisen aufscheinenden Gesamtzahlen unkorrekt gewesen seien. Ihm sei dabei stets bewusst gewesen, dass diese statistischen Ausweise eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Frage der Schaffung weiterer Notariate bildeten. In den Jahren 1990 bis 1992 hätten insgesamt 1.736 zusätzliche Beurkundungsregisterzahlen vergeben werden müssen. Es sei nicht auszuschließen, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt ein viertes Notariat in W. geschaffen worden wäre, hätte der Beschwerdeführer ordnungsgemäße statistische Unterlagen vorgelegt. Da ein Notariatskandidat in Niederösterreich monatlich ca. S 50.000,-- weniger verdiene als ein selbständiger Notar, sei das Verhalten des Beschwerdeführers geeignet gewesen, einen jedenfalls nicht nur unbedeutenden Schaden herbeizuführen. Der Beschwerdeführer habe die Unrichtigkeit seiner Vorgangsweise zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, somit (bedingt) vorsätzlich gehandelt.
Auf Grund seiner Berufung gegen dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 22. September 1995 von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei im Ergebnis, nämlich insoweit, als sie sich gegen die Annahme eines Disziplinarvergehens nach § 156 Abs. 1 Z. 2 NO wende, berechtigt. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass in dem von ihm zu führenden Beurkundungsregister in den Jahren 1990 bis 1992 mit seinem Wissen und Wollen regelmäßig mehrere Urkunden unter ein und derselben Geschäftszahl zusammengefasst worden seien. Diese Vorgangsweise habe - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - den Vorschriften über die Führung des Beurkundungsregisters widersprochen. Gemäß § 82 Abs. 1 NO in der zur Tatzeit geltenden Fassung seien die in den Beurkundungen nach den §§ 79 bis 81 NO bestätigten Tatsachen in ein Beurkundungsregister einzutragen, wobei Form und Inhalt dieses Registers durch Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer geregelt würden. In den hiezu erlassenen Richtlinien für das Beurkundungsregister in der (zur Tatzeit geltenden) Fassung vom 18. Mai 1977 heiße es im § 1, dass das im § 82 NO vorgeschriebene Beurkundungsregister (u.a.) eine Spalte 1 "für die fortlaufenden Beurkundungsregisterzahlen, beginnend jeweils mit dem Anfang eines Kalenderjahres" und eine Spalte 3 "für die Bezeichnung der Urkunde" zu enthalten habe. Die Notariatsordnung in der Fassung von 1871 habe zunächst nur ein allgemeines Geschäftsregister ("Repertorium") gekannt, in welches der Notar jede von ihm vorgenommene notarielle Amtshandlung in der Ordnung der Zeitfolge einzutragen gehabt habe. § 47 Abs. 1 NO 1871 habe schon damals bestimmt, dass jede Notariatsurkunde, wenn sie der Eintragung in das Geschäftsregister unterliege, mit der Geschäftszahl versehen sein müsse. Erst mit Bundesgesetz vom 1. Juli 1921, BGBl. 375, sei ein Beurkundungsregister eingeführt worden, in welches nunmehr an Stelle der bis dahin notwendigen Eintragung in das "Repertorium" die in den Beurkundungen nach den §§ 79 bis 81 NO bestätigten Tatsachen einzutragen seien. Seither kenne die Notariatsordnung zwei Geschäftsregister, nämlich das allgemeine Geschäftsregister ("Repertorium") gemäß § 112 NO, in welcher der Notar jede von ihm vorgenommene notarielle Amtshandlung - ausgenommen seien außer den Protesten von Wechseln nur jene Beurkundungen, bezüglich deren das Gesetz es ausdrücklich gestatte, das seien die Vidimierung von Abschriften und Beglaubigung von Übersetzungen - in der Ordnung der Zeitfolge einzutragen habe, und das Beurkundungsregister gemäß § 82 NO, in welches der Notar die in den Beurkundungen nach den §§ 79 bis 81 NO bestätigten Tatsachen eintragen müsse. Solcherart sei das Beurkundungsregister ein Geschäftsregister besonderer Art, für welches aber ebenso wie für das "Repertorium" die unverändert gebliebene Vorschrift des § 47 NO gelte. Daraus folge, dass jede Legalisierungsklausel, die eine abgesonderte Notariatsurkunde darstelle, mit einer auf sie bezogenen Geschäftszahl versehen sein müsse und die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungen unter einer einzigen Geschäftszahl unzulässig sei. So wie der Notar gemäß § 47 Abs. 2 NO jede Notariatsurkunde am Schluss zu unterzeichnen und mit seinem Amtssiegel zu versehen habe, müsse auch jede Notariatsurkunde eine eigene Geschäftszahl tragen. Dem trage auch der Bezug im § 79 Abs. 5 NO auf "die Geschäftszahl des Beurkundungsregisters" Rechnung, weil sich nur aus den Eintragungen im Beurkundungsregister ergebe, welche Geschäftszahlen schon verwendet worden seien und mit welchen nun weiter fortzusetzen sei. Die Geschäftszahl gehöre zur betreffenden Notariatsurkunde, sie genieße den öffentlichen Glauben und sei durch die Unterschrift des Notars gedeckt; auch daraus ergebe sich, dass jede Notariatsurkunde, sohin jeder Legalisierungsvermerk auf einer Urkunde, ein eigenes, abgeschlossenes Ganzes bilde, zu welchem die dieser Notariatsurkunde zugeordnete Geschäftszahl gehöre, weil jede Notariatsurkunde auch das Ergebnis einer jeweils abgeschlossenen notariellen Amtshandlung darstelle, mögen auch zur gleichen Zeit gleiche Amtshandlungen mit den gleichen Parteien hintereinander vollzogen worden sein. § 82 Abs. 1 NO in der zum Tatzeit geltenden Fassung sei im Kontext mit § 47 Abs. 1 NO auszulegen; damit sei die Bestimmung aber, soweit es Form und Inhalt des Beurkundungsregisters betrifft, hinreichend determiniert. Was den statistischen Ausweis anlange, so komme es gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch die Notare vom 5. Juli 1984 auf die vorgenommenen Amtshandlungen, nicht aber auf die ausgewiesene Anzahl der Geschäftszahlen an. Es seien in den statistischen Ausweis jene Ziffern einzusetzen, die sich aus den Eintragungen im Geschäftsregister ("Repertorium") und dem Beurkundungsregister "ergeben". Das Formular spreche von der "Gesamtzahl der in das allgemeine Geschäftsregister eingetragenen Amtshandlungen bzw. von der Gesamtzahl der im Beurkundungsregister eingetragenen Amtshandlungen". Würden daher unter eine Beurkundungsregisterzahl mehrere notarielle Amtshandlungen eingetragen sein, so wäre nicht bloß die eine hiefür verwendete Beurkundungsregisterzahl, sondern es wären die gesamten unter ein und derselben Zahl eingetragenen Amtshandlungen auszuwerten. Es könne somit nicht im Ermessen des Notars gelegen sein, beliebig viele Amtshandlungen unter einer Beurkundungszahl zusammen zu ziehen, diese Praxis würde es auch ermöglichen, später verfasste Urkunden unter einer früheren Zahl zu beurkunden, was die Vorschriften über die zeitlich fortlaufende Nummerierung ad absurdum führen müsste. Die inkriminierte Vorgangsweise des Beschwerdeführers habe somit den geltenden Vorschriften der Notariatsordnung widersprochen; der Beschwerdeführer habe dadurch eine ihm für die Ausübung seines Berufes auferlegte Pflicht verletzt. Ein Notar, der schuldhaft eine Berufspflicht verletze, begehe eine Standespflichtverletzung (§ 155 Abs. 1 Z. 1 NO). Ein vom Disziplinargericht zu ahndendes Disziplinarvergehen liege aber nur dann vor, wenn die Berufspflicht vorsätzlich verletzt werde, es sei denn, dass die Verletzung keinen oder nur einen unbedeutenden Schaden nach sich zu ziehen geeignet ist (§ 156 Abs. 1 Z. 2 NO). Im Gegensatz zur Auffassung des Disziplinargerichtes erster Instanz sei die Berufspflichtverletzung des Beschwerdeführers aber nicht geeignet, bei einem anderen, nämlich bei einem bestimmten Notariatskandidaten wegen dessen verspäteter Ernennung zum Notar einen unmittelbaren, daraus resultierenden Vermögensschaden herbeizuführen. Den Anforderungen des § 156 Abs. 1 Z. 2 NO genüge nämlich nur ein solcher vermögensrechtlicher Schaden, der unmittelbar auf das Fehlverhalten zurückzuführen sei. Ob aber eine weitere Notarstelle an einem bestimmten Ort errichtet werde, sei nach der geltenden Rechtslage von den statistischen Ausweisen der im betreffenden Ort bereits tätigen Notare nicht abhängig; die statistischen Ausweise dieser Notare könnten höchstens im Rahmen des von der Notariatskammer einzuholenden Gutachtens Aktualität erlangen, an das der Bundesminister für Justiz jedoch nicht gebunden sei. Es liege somit kein Fall eines Disziplinarvergehens nach § 156 Abs. 1 Z. 2 NO, aber auch kein Fall eines Disziplinarvergehens im Sinn des § 156 Abs. 1 Z. 3 NO vor, weil diesfalls ein S 50.000,-- übersteigender Schaden eingetreten sein müsste. Da somit kein Disziplinarvergehen vorliege, sei der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und der Beschwerdeführer frei zu sprechen gewesen. Ob der Beschwerdeführer durch das inkriminierte Verhalten eine Ordnungswidrigkeit begangen habe, sei von der zuständigen Notariatskammer zu beurteilen.
Mit Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. März 1996 wurde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht für Notare und des Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofes vom 22. September 1995
- 1) das Ordnungsstrafverfahren gemäß § 161 f NO eingeleitet und
- 2) gemäß § 166 Abs. 1 NO gegen den Beschwerdeführer eine Strafverfügung erlassen.
Über Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Juli 1996 eine mündliche Verhandlung zur Behandlung der dem Beschwerdeführer "zur Last gelegten Beschuldigungspunkte, er habe in den Jahren 1990 - 1992 in den gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch Notare vom 5. Juli 1984 über die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen vorsätzlich im Beurkundungsregister entgegen den § 140a Abs. 2 Z. 8 NO erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 18. Mai 1977 verminderte Anfallszahlen angeführt, sohin unrichtige statistische Ausweise der Notariatskammer vorgelegt", anberaumt.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung erging der Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. September 1996, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, er habe "in den Jahren 1990 - 1992 grob fahrlässig
a) in den gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch Notare vom 5.7.1984 (Wagner, NO3, 553 ff) der Notariatskammer übergebenen statistischen Ausweise die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen nicht vollständig bekannt gegeben,
b) im genannten Zeitraum die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen entgegen den gemäß § 140a Abs. 2 Z. 8 NO erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 18.5.1977 (Wagner, NO3, 521 ff) nicht durch Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung erfasst,
c) die sich aus seiner Amtsführungspflicht unmittelbar ergebende Obliegenheit zur Beaufsichtigung seiner Angestellten, die mit der Führung des Beurkundungsregisters und Erstellung des statistischen Ausweises beauftragt waren, vernachlässigt."
Der Beschwerdeführer habe hierdurch schuldhaft, und zwar grob fahrlässig, die den Notaren durch die Notariatsordnung auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle anderen Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, verletzt, und somit die Ordnungswidrigkeit der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z. 1 und 156 Abs. 2 NO begangen. Gemäß § 158 Abs. 5 NO werde gegen den Beschwerdeführer hiefür die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge in Verbindung mit einer Geldbuße von S 30.000,--
verhängt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, es stehe unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer in dem gemäß § 82 NO zu führenden Beurkundungsregister unter einer Beurkundungsregisterzahl mehrere Geschäftsfälle, und zwar im Jahre 1990 bei 394 Beurkundungsregisterzahlen jeweils mehrere Beglaubigungen eingetragen habe. Tatsächlich habe es sich insgesamt um 897 Amtshandlungen gehandelt, sodass 503 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen wären. Im Jahre 1991 seien bei 404 Beurkundungsregisterzahlen tatsächlich 943 Amtshandlungen eingetragen worden, sodass 539 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen wären. Im Jahre 1992 seien bei 532 Beurkundungsregisterzahlen insgesamt
1.226 Amtshandlungen eingetragen worden. Tatsächlich wären 694 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen. Durch diese Führung des Beurkundungsregisters sei es zu einer unrichtigen Wiedergabe des statistischen Ausweises über die Tätigkeit der Notare, und zwar in seinem Punkt 2 dahin gehend, dass sowohl die Gesamtzahl der in das Beurkundungsregister eingetragenen Amtshandlungen tatsächlich höher und damit auch die Anzahl der Beglaubigungen von Unterschriften auf eigenen Urkunden unrichtig wiedergegeben worden sei. Die statistischen Ausweise seien von den Angestellten des Beschwerdeführers erstellt worden, ohne von ihm vor deren Unterfertigung überprüft worden zu sein. Ein Notar begehe gemäß § 155 Abs. 1 Z. 1 und § 156 Abs. 2 NO eine Ordnungswidrigkeit, wenn er schuldhaft eine Berufspflicht verletze. Zu den Berufspflichten des Notars zähle auch die ordnungsgemäße Führung der Beurkundungsregister und der statistischen Ausweise. Die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungen im Beurkundungsregister unter einer einzigen Geschäftszahl sei, wie auch der Oberste Gerichtshof ausgeführt habe, unzulässig. Jede Notariatsurkunde, sohin jeder Legalisierungsvermerk auf einer Urkunde bilde ein eigenes, abgeschlossenes Ganzes, zu welchem die dieser Notariatsurkunde zugeordnete Geschäftszahl gehöre. In den statistischen Ausweisen seien im Sinne der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch die Notare vom 5. Juli 1984 die vorgenommenen Amtshandlungen, nicht die Geschäftszahlen einzutragen; es seien in dem statistischen Ausweis jene Zahlen einzusetzen, die sich aus den Eintragungen im allgemeinen Geschäftsregister und dem besonderen Geschäftsregister, dem Beurkundungsregister, ergäben. Durch die Nichtüberprüfung der von seinen Angestellten vorgelegten statistischen Ausweise habe der Beschwerdeführer die sich ihm aus seiner Amtsführungspflicht unmittelbar ergebende Obliegenheit zur Beaufsichtigung der Mitarbeiter vernachlässigt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und bracht vor, es seien ihm unter a) und c) zwei neue Fakten zum Vorwurf gemacht worden, ohne dass der Einleitungs- oder Verweisungsbeschluss entsprechend ausgedehnt worden wäre. Die Richtlinien seien ohne eine inhaltliche ausreichend bestimmte Rechtsgrundlage erlassen worden, die Richtlinie vom 18. Mai 1977 sei darüber hinaus nicht gehörig kundgemacht. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer nicht schuldhaft eine Rechtsvorschrift für die Ausübung seines Berufes verletzt. Zum einen habe er die in diesen Richtlinien enthaltenen Verpflichtungen eingehalten, zum anderen könne ihm, wenn überhaupt, nur leichte Fahrlässigkeit bei der Auslegung einer unklaren Regelung vorgeworfen werden.
Mit Beschluss des Ständigen Ausschusses der Österreichischen Notariatskammer vom 16. April 1977 wurde der Berufung, soweit sie wegen des Ausspruches über die Strafe erhoben wurde, teilweise Folge gegeben und der Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1996 wie folgt gefasst:
Der Beschwerdeführer ist "schuldig, er hat in den Jahren 1990 bis 1992 grob fahrlässig
a) in den gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch Notare vom 5.7.1984 (Wagner, NO3, 553 ff) der Notariatskammer übergebenen statistischen Ausweisen, die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen nicht vollständig bekannt gegeben,
b) im genannten Zeitraum die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen entgegen den gemäß § 140a Abs. 2 Z. 8 NO erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 18.5.1977 (Wagner, NO3, 521 ff) nicht durch Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung erfasst,
c) die sich aus seiner Amtsführungspflicht unmittelbar ergebende Obliegenheit zur Beaufsichtigung seiner Angestellten, die mit der Führung des Beurkundungsregisters und Erstellung des statistischen Ausweises beauftragt waren, vernachlässigt."
Der Beschwerdeführer hat dadurch schuldhaft, und zwar grob fahrlässig, die den Notaren durch die Notariatsordnung auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, verletzt und somit die Ordnungswidrigkeit der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z. 1 und 156 Abs. 2 NO begangen. Gemäß § 158 Abs. 5 NO werde gegen den Beschwerdeführer hiefür die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge verhängt. Gemäß § 184 Abs. 2 NO in Verbindung mit § 380 ff StPO habe er die Kosten des Ordnungsstrafverfahrens zu ersetzen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richte, unbegründet. Soweit sie sich gegen den Strafausspruch richte, sei ihr durch Herabsetzung der verhängten Ordnungsstrafe teilweise Folge zu geben, weil ein materieller Schaden nicht eingetreten sei. Auf die Begründung des Beschlusses der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. September 1996 werde verwiesen. Der Beschwerdeführer habe zugegeben, dass er nicht für jede einzelne Amtshandlung eine eigene Beurkundungsregisterzahl vergeben, sondern wiederholt mehrere Beurkundungsregisterzahlen zusammengefasst habe. Dass diese Vorgangsweise den geltenden Vorschriften der Notariatsordnung widerspreche, ergebe sich aus dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes. Der Beschwerdeführer habe daher eine ihm für die Ausübung seines Berufes auferlegte Pflicht fahrlässig verletzt. Diese Berufspflichtverletzung sei schuldhaft und somit als Standespflichtverletzung im Sinne des § 155 Abs. 1 Z. 1 NO zu qualifizieren, wobei allerdings ein materieller Schaden nicht eingetreten sei. Der Berufung sei daher insofern stattzugeben gewesen, als die verhängte Geldstrafe zu erlassen gewesen sei.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 10. März 1999, B 1478/97, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegen den Beschluss der Notariatskammer, der einen Schuldspruch enthält, steht gemäß § 167 Abs. 1 Notariatsordnung (NO) dem Beschuldigten das Rechtsmittel der Berufung an den Ständigen Ausschuss zu.
Der Ständige Ausschuss entscheidet gemäß § 168 Abs. 2 NO über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss.
Gemäß § 141b Abs. 2 NO bilden der Präsident der Österreichischen Notariatskammer, seine beiden Stellvertreter und der Kassier sowie die Präsidenten der Kammern und vier weitere vom Delegiertentag aus seiner Mitte zu wählende Ausschussmitglieder aus dem Kandidatenstand den Ständigen Ausschuss.
Gemäß § 141 f Abs. 2 NO fasst der Ständige Ausschuss seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zur Beschlussfassung ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner stimmberechtigten Mitglieder, darunter von vier Notaren, erforderlich. Im Rechtsmittelverfahren wegen einer Standespflichtverletzung eines Notars dürfen sich die Notariatskandidaten an den Beratungen, Verhandlungen und Beschlussfassungen nicht beteiligen; sie können jedoch in den diesbezüglichen Sitzungen anwesend sein.
Dem Kopf des angefochtenen Bescheides zufolge hat der ständige Ausschuss unter dem Vorsitz von Vizepräsident Dr. A. "und unter Teilnahme" näher bezeichneter Notare "sowie des Notariatskandidaten Dr. S." über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1996 entschieden.
Der Rüge des Beschwerdeführers, der Ständige Ausschuss habe solcherart in gesetzwidriger Zusammensetzung die angefochtene Entscheidung getroffen, hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, es habe "laut Beschlussprotokoll kein Notariatskandidat an der Abstimmung teilgenommen".
Den Verwaltungsakten, die dem Verwaltungsgerichtshof auf Grund der mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Säumnisfolge des § 38 Abs. 2 VwGG ergangenen Aufforderung vorgelegt wurden, ist ein Protokoll über die Beratung und Beschlussfassung des Ständigen Ausschusses betreffend die den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Ordnungswidrigkeit mit dem in der Gegenschrift behaupteten Inhalt nicht zu entnehmen. Dem Verwaltungsgerichtshof liegt daher kein die Annahme rechtfertigender Umstand vor, Notariatskandidat Dr. S. habe im Gegensatz zum äußeren Tatbestand, d. h. im Gegensatz zu den im angefochtenen Bescheid selbst enthaltenen Angaben, nicht an der Beratung und Beschlussfassung über die Berufung des Beschwerdeführers "teilgenommen". Muss solcher Art aber davon ausgegangen werden, dass der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Beschluss unter Beteiligung eines Notariatskandidaten gefasst wurde, so entsprach die Zusammensetzung des entscheidenden Kollegialorgans "Ständiger Ausschuss" nicht dem Gesetz.
Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2001, Zl. 97/12/0160, und die dort zitierte Vorjudikatur) ist der Bescheid eines Kollegialorgans, wenn dieses in unrichtiger oder unvollständiger Besetzung entscheidet, mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG belastet, wobei eine fehlerhafte Besetzung in diesem Sinne dann vorliegt, wenn entweder bei der Entscheidung nicht die vorgeschriebene Anzahl von Mitgliedern mitgewirkt hat, oder Personen an der Entscheidung beteiligt waren, die als Mitglieder von der Mitwirkung ausgeschlossen waren oder bei denen es sich nicht um Mitglieder dieses Kollegialorgans handelte.
Zufolge der Teilnahme des Notariatskandidaten Dr. S. an der Beschlussfassung erweist sich der angefochtene Bescheid daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet, was bereits im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof für das fortzusetzende Verfahren zu folgenden Bemerkungen veranlasst:
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes ein, es werde ihm unter lit. b der Verstoß gegen eine Richtlinie vom 18. Mai 1977 zum Vorwurf gemacht, die vom Delegiertentag zwar beschlossen, aber niemals kundgemacht worden sei. Die belangte Behörde räumt in ihrer Gegenschrift die mangelnde Kundmachung dieser Richtlinie ein.
Auch ohne Bedachtnahme auf die erwähnte Richtlinie erweist sich allerdings - wie bereits dem (oben dargestellten) Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes zu entnehmen ist - die vom Beschwerdeführer bei der Führung des Beurkundungsregisters gepflogene Vorgangsweise als Verstoß gegen die Notariatsordnung, weil sich bereits aus § 47 Abs. 1 NO klar ergibt, dass die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungen unter einer einzigen Geschäftszahl unzulässig ist, vielmehr jede Notariatsurkunde mit einer auf sie bezogenen Geschäftszahl bezeichnet werden muss. Es ist daher auch unzulässig, mehrere Beurkundungen unter einer einzigen Geschäftszahl in das Beurkundungsregister nach § 82 Abs. 1 NO in der zur Tatzeit geltenden Fassung einzutragen.
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer allerdings, er sei der mangelhaften Beaufsichtigung seiner Angestellten, die mit der Führung des Beurkundungsregisters und der Erstellung des statistischen Ausweises beauftragt seien, schuldig erkannt worden, obwohl im eine entsprechende Standespflichtverletzung im Verfahren nicht zur Last gelegt worden sei.
Gemäß § 165 Abs. 4 NO hat die Notariatskammer den Beschuldigten entweder von der ihm zur Last gelegten Standespflichtverletzung frei zu sprechen oder ihn für schuldig zu erklären und eine Ordnungsstrafe zu verhängen, sofern nicht gemäß § 155 Abs. 3 von der Verhängung einer solchen abzusehen ist.
"Zur Last gelegt" wird eine Standespflichtverletzung einem Notar im Disziplinarverfahren, indem ihm die Beschuldigungspunkte bekannt gegeben werden. Diese Bekanntgabe hat - jedenfalls - anlässlich der Anberaumung der mündlichen Verhandlung zu erfolgen; diesfalls sind nach der ausdrücklichen Anordnung des § 163 Abs. 1 letzter Satz NO "die Beschuldigungspunkte bestimmt zu bezeichnen".
Eine Erweiterung der Beschuldigungspunkte in der Verhandlung wird von der Notariatsordnung nicht ausgeschlossen, setzt aber voraus, dass der Beschuldigte dadurch in seinen Verteidigungsmöglichkeiten nicht geschmälert wird. Es dürfen daher Beschuldigungspunkte, die dem Beschuldigten nicht so rechtzeitig und bestimmt bekannt gegeben wurden, dass er sich in gleicher Art und Weise verteidigen konnte, als wären sie ihm im Zuge der Anberaumung der Verhandlung bekannt gegeben worden, einem Schuldspruch gemäß § 165 Abs. 4 NO nicht zu Grunde gelegt werden.
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist in Ansehung des unter lit. c dargestellten Schuldspruches nicht zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer eine entsprechende Standespflichtverletzung im Verfahren erster Instanz konkret vorgehalten worden wäre. Vielmehr wurde dieser Punkt laut Protokoll über die Verhandlung vom 2. September 1996 lediglich insofern erörtert, als im Zuge der Ermittlung des bei der Erstellung des statistischen Ausweises eingehaltenen Verfahrens u.a. auch die Frage gestellt wurde, ob der Beschwerdeführer "dies überprüft habe", was von ihm mit "nein" beantwortet wurde. Dass dem Beschwerdeführer jedoch - wie dargelegt - bekannt gegeben worden wäre, es werde ihm eine konkrete Vernachlässigung der Pflicht, seine Angestellten zu beaufsichtigen, als Standespflichtverletzung zur Last gelegt, ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. November 2001
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