VwGH 98/18/0328

VwGH98/18/032818.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde der M R, (geb. 24.7.1961), vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/57, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. September 1998, Zl. SD 219/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. September 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Gründe des Erstbescheides seien im Ergebnis auch für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebend gewesen. Zu den Ausführungen in der Berufung werde ergänzend festgestellt: Dem vorliegenden Akt zufolge sei die Beschwerdeführerin erstmals im Oktober 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung einen Sichtvermerk für die Dauer von viereinhalb Monaten erhalten. Die nächste Einreise der Beschwerdeführerin sei im September 1991 erfolgt; vorerst habe sie ebenfalls über mehrere Sichtvermerke verfügt, die ihr wiederum nach Vorlage von Verpflichtungserklärungen erteilt worden seien. Am 2. August 1993 habe sie dann einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. In weiterer Folge habe sie eine solche zum Zweck der selbstständigen Tätigkeit als Geschäftsführerin, gültig vom 31. Juli 1993 bis 31. Jänner 1994, erhalten. In ihrem Verlängerungsantrag vom 2. Dezember 1993 habe die Beschwerdeführerin angegeben, nunmehr mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und als Hausfrau tätig zu sein und vom Lohn ihres Ehemannes zu leben. Am 9. März 1994 habe der Ehemann der Beschwerdeführerin vor dem Amt der Wiener Landesregierung zu Protokoll gegeben, dass er zwar seit 9. Dezember 1993 mit ihr verheiratet wäre, diese jedoch eine Woche nach der Eheschließung aus der Wohnung verschwunden wäre. Erst Mitte Jänner 1994 hätte sie sich bei ihm gemeldet und im Zuge dieses Gespräches zugegeben, ihn nur zum Zweck der Erlangung eines Befreiungsscheines und einer Aufenthaltsbewilligung geheiratet zu haben. Des weiteren habe der Ehemann angegeben, dass bereits ein Scheidungsverfahren unter einer näher genannten Geschäftszahl anhängig wäre, die Beschwerdeführerin zu dem Gerichtstermin am 9. März 1994 jedoch nicht erschienen wäre. Mit diesem Sachverhalt konfrontiert habe die Beschwerdeführerin vor dem Amt der Wiener Landesregierung am 10. März 1994 angegeben, sie würde nach wie vor mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt wohnen und hätte ihn keinesfalls verlassen. Über einen Scheidungstermin bei Gericht würde sie nichts wissen, von ihrem Ehemann würde ihr der Zugriff zum Postkasten verwehrt werden. Der Beschwerdeführerin sei in weiterer Folge vom Amt der Wiener Landesregierung neuerlich eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der selbstständigen Erwerbstätigkeit, gültig vom 1. Februar 1994 bis 1. März 1995, erteilt worden.

In dem Verlängerungsantrag vom 23. Jänner 1995 habe die Beschwerdeführerin zwar nur die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit beantragt, ohne nähere Angaben hinsichtlich der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehemann zu machen, sie habe dennoch auch diesem Antrag eine Heiratsurkunde sowie eine Kopie des Nachweises, dass ihr Ehemann die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, beigelegt, und weiters ihren Familienstand mit "verheiratet" angegeben. Vor dem Amt der Wiener Landesregierung habe sie am 16. Februar 1995 angegeben, dass ihr Ehemann seit fünf Monaten beim Bundesheer wäre und im Moment in Nickelsdorf Dienst versehen würde. Seit Beginn ihrer Ehe würden aber "die Beiden" gemeinsam wohnen. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers eine Aufenthaltsbewilligung, gültig vom 2. März 1995 bis 2. März 1997, erhalten.

Anlässlich ihres zuletzt gestellten Verlängerungsantrages vom 24. Jänner 1997, in dem die Beschwerdeführerin abermals angegeben habe, verheiratet zu sein, und wiederum die Heiratsurkunde sowie den österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis ihres Ehemannes vorgelegt habe, sei bekannt geworden, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann bereits im Jahr 1994 rechtskräftig geschieden worden sei. Mit dieser Tatsache konfrontiert habe die Beschwerdeführerin vor dem Amt der Wiener Landesregierung deponiert, dass sie zwar seit ca. einem Jahr keinen Kontakt zu ihrem Ehemann mehr hätte, aber nach wie vor überzeugt wäre, mit ihm verheiratet zu sein. Zu ihrer rechtskräftigen Scheidung habe sie ausgeführt, dass sie nie eine Ladung vom Gericht bekommen hätte und daher dort auch nie erscheinen hätte können. Der Ex-Ehemann der Beschwerdeführerin habe jedoch am 21. März 1997 abermals seine bereits am 9. März 1994 gemachten Angaben vor dem Amt der Wiener Landesregierung bekräftigt. Daraufhin sei der Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 21. April 1997 abgewiesen worden.

Tatsache sei somit, dass die Beschwerdeführerin bei allen Verlängerungsanträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Heiratsurkunde vorgelegt und hinsichtlich des Familienstandes angegeben habe, nach wie vor verheiratet zu sein, obwohl diese Ehe bereits im Jahr 1994 rechtskräftig geschieden worden sei. Wenn nun die Beschwerdeführerin versuche darzulegen, dass sie vom Scheidungsverfahren des Bezirksgerichtes Fünfhaus keine Kenntnis erlangt hätte und es zwar richtig sein möge, dass die Ladungen hinterlegt und somit rechtswirksam zugestellt worden wären, sie jedoch subjektiv tatsächlich keine Kenntnis von dieser Zustellung gehabt hätte und daher auch subjektiv am 24. Jänner 1994 richtig vorgebracht hätte, verheiratet zu sein, müsse ihr Folgendes entgegengehalten werden: Bereits bei ihrer Einvernahme vor dem Amt der Wiener Landesregierung am 10. März 1994 sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass ihr Ehemann angegeben hätte, dass ein Scheidungsverfahren anhängig wäre. Ihrem Vorbringen, dass sie absolut keine Kenntnis von einem anhängigen Scheidungsverfahren gehabt hätte, sei sohin der Boden entzogen. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin an der Wohnadresse ihres Ehemannes lediglich vom 20. Oktober 1993 bis 15. März 1994 gemeldet gewesen sei. Im Anschluss daran sei sie etwas mehr als einen Monat, und zwar vom 15. März 1994 bis 27. April 1994, bei ihrer Schwiegermutter gemeldet gewesen. Danach scheine ein zweimonatiger Aufenthalt in Jugoslawien auf. Am 13. Juni 1994 sei sie dann bis 28. Dezember 1994 in Wien XV an einer näher genannten Adresse angemeldet gewesen, im Anschluss daran seien immer wieder kurzfristige Anmeldungen in Wien sowie eine amtliche Abmeldung am 27. Dezember 1995 erfolgt. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Niederschrift vom 15. April 1997 vor dem Amt der Wiener Landesregierung behauptet habe, erst seit ca. einem Jahr von ihrem Mann getrennt zu leben, so entbehre diese Angabe wohl jeder Glaubwürdigkeit, da sich schon auf Grund der aufgezeigten Meldedarstellung ergebe, dass die Beschwerdeführerin seit 1994 keine gemeinsame Wohnadresse mit ihrem Mann gehabt habe.

Die belangte Behörde sei jedenfalls zu der Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführerin daher kein Glauben geschenkt werden könne, dass sie subjektiv keine Kenntnis von ihrer bereits erfolgten Scheidung gehabt habe. Es stehe somit fest, dass die Beschwerdeführerin gegenüber einer österreichischen Behörde unrichtige Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse (Familienstand) gemacht habe, um sich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Damit liege jedenfalls die Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG vor. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin - wie sie selbst vor dem Amt der Wiener Landesregierung am 15. April 1994 angegeben habe - auch ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Heiratsurkunde vorgelegt habe, weil sie als Ehefrau eines österreichischen Staatsbürgers keine Arbeitsbewilligung bzw. keinen Befreiungsschein benötigen würde.

Dieses Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin, das augenfällig dokumentiere, dass sie keinerlei Bedenken habe, sich über die für sie maßgebenden fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegzusetzen, gefährde die öffentliche Ordnung, näherhin: das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, in hohem Maß, sodass sich vorliegend die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Auf Grund der Tatsache, dass sich die Beschwerdeführerin seit September 1991 (abgesehen von ein paar kurzfristigen Unterbrechungen) im Bundesgebiet aufhalte und hier als LKW-Fahrerin beschäftigt sei, sei von einem Eingriff in ihr Privatleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei aber zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Bei der Interessenabwägung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern auch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch das oben dargestellte Fehlverhalten erlangt habe, sodass eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden könne.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den Umständen, die zur Erlassung geführt hätten, weil nicht erkennbar sei, dass die Beschwerdeführerin früher die strikte Einhaltung der österreichischen Vorschriften (insbesondere der fremdenpolizeilichen Normen) beachten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, sie hätte - wie in ihrer Berufung vom 11. November 1997 gegen den Erstbescheid bereits vorgebracht - vom Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht Fünfhaus keine Kenntnis erlangt. Dass ihr bei ihrer Einvernahme am 10. März 1994 mitgeteilt worden sei, ihr Ehemann hätte angegeben, dass ein Scheidungsverfahren anhängig wäre, bedeute noch nicht, dass sie tatsächlich Kenntnis von einem konkreten Scheidungsverfahren bei einem bestimmten Gericht gehabt habe. Sie habe selbstverständlich auf Grund dieser Mitteilung darauf vertrauen können, dass ihr eine Ladung bzw. eine Klage zugestellt werde, solche Schriftstücke habe sie aber nie erhalten. Sie habe daher zu Recht davon ausgehen können, dass eben tatsächlich kein Scheidungsverfahren anhängig gewesen sei, und daher "subjektiv richtig" am 24. Jänner 1997 bei der "Antragstellung auf Aufenthaltsbewilligung" angegeben, verheiratet zu sein. Eine unrichtige Angabe könne der Beschwerdeführerin nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie in subjektiver Kenntnis der Unrichtigkeit gemacht worden sei, nicht dann, wenn sie zwar objektiv unrichtig sei, sie subjektiv aber der Meinung gewesen sei, dass sie - wie bereits ausgeführt - noch verheiratet sei. Für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes müsse schuldhaftes Verhalten angenommen werden. Bei diesem Sachverhalt sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes keinesfalls gerechtfertigt.

2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführerin schon am 10. März 1994 das anhängige Scheidungsverfahren vorgehalten worden war (vgl. Blatt 55 der vorgelegten Verwaltungsakten), hat die belangte Behörde die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass sie vom Scheidungsverfahren keine Kenntnis gehabt habe, als unglaubwürdig eingestuft und ihr daher auch hinsichtlich der behaupteten Unkenntnis vom Scheidungsurteil nicht geglaubt. Weiters hat die belangte Behörde - wie im angefochtenen Bescheid näher dargestellt (vgl. oben I.1.) - auf Grund der polizeilichen Meldungen der Beschwerdeführerin ihre Behauptung in der Niederschrift vom 15. April 1997, sie lebe erst seit ca. einem Jahr von ihrem Mann getrennt, als unglaubwürdig gewertet. Die von der belangten Behörde solcherart vorgenommene Beweiswürdigung ist im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Kontrolle (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053), nicht als unschlüssig zu erkennen. Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt, rechtswidrig sei. Auch das Vorliegen der Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann angesichts des hohen Stellenwertes, das dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 98/18/0281, mwH), nicht als rechtsirrig angesehen werden.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, und diesem auch § 37 Abs. 2 leg. cit. nicht entgegenstehe, unbekämpft gelassen. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann diese Beurteilung nicht als rechtswidrig erkennen, wird doch im Beschwerdefall das besagte öffentliche Interesse durch die im bekämpften Bescheid festgehaltenen privaten Interessen der Beschwerdeführerin - familiäre Interessen kamen ihr auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zu - nicht überwogen.

4. Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit somit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Mai 2001

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