VwGH 98/15/0196

VwGH98/15/019627.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. September 1998, GZ RV/095-06/09/98, betreffend Umsatzsteuer 1994 und 1995, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §11;
UStG 1994 §12;
UStG 1994 §11;
UStG 1994 §12;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Der angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde neuerlich die Berufung des Beschwerdeführers betreffend Umsatzsteuer 1994 und 1995 abgewiesen hat, ist im fortgesetzten Verfahren ergangen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 5. November 1996 mit Erkenntnis vom 28. Mai 1998, 96/15/0273 - auf die Ausführungen dieses Erkenntnisses wird zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen - , aufgehoben hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Erkenntnis 96/15/00273 wird u.a. ausgeführt:

"Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 setzt der Vorsteueranspruch eine Übereinstimmung zwischen gelieferter und in der Rechnung ausgewiesener Ware voraus. Diese Voraussetzung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/15/0220 - auf dieses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen -, ausgesprochen hat, dann nicht erfüllt, wenn die in der Rechnung gewählte Bezeichnung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen ist.

Hinsichtlich der Parfumöle konnte die belangte Behörde aufgrund der Angaben in der Rechnung, einschließlich der entsprechenden Preisangaben (laut angefochtenem Bescheid zwischen S 70.000,-- und S 130.000,-- pro Liter), im gegenständlichen Fall unbedenklich davon ausgehen, dass die Rechnungen teure und qualitativ hochwertige Parfums betreffen. Das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B betreffend die Untersuchung der Parfumölprobe wurde dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren von der Behörde in Kopie übergeben. Stichhaltige Einwendungen gegen die Ausführungen des Gutachtens hinsichtlich des Wertes der Proben hat der Beschwerdeführer nicht erhoben. .... Die belangte Behörde konnte weiters durch die Bezugnahme auf das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B in schlüssiger Beweiswürdigung die Feststellung treffen, dass die tatsächlich gelieferten Waren minderwertigste Parfumöle darstellten. Da sohin die in den Rechnungen bezeichneten Gegenstände nicht mit den tatsächlich gelieferten Gegenständen übereinstimmen, hat die belangte Behörde zu Recht den Anspruch auf Vorsteuerabzug versagt.

Hinsichtlich der Vorsteuern aus dem Bezug von Fenstern und von Holz gelingt es der Beschwerde allerdings, eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde aufzuzeigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt. Es muss also jener Sachverhalt angeführt sein, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt, und weiters die Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung erfolgen, wobei auf das Vorbringen des Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im Einzelnen eingehend jene Erwägungen darzustellen sind, welche die belangte Behörde bewogen haben, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl. im Einzelnen das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Diesem Begründungerfordernis entspricht der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Vorsteuern betreffend die Lieferung von Fenstern und Holz in keiner Weise. Er enthält zum einen keine Feststellungen über die Art der tatsächlich gelieferten Gegenstände und über konkrete Ermittlungsergebnisse, auf welche sich solche Feststellungen gründen könnten. Zum anderen enthält der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Bezeichnung der Gegenstände in den Rechnungen keine hinreichenden sachverhaltsmäßigen Feststellungen, die die Beurteilung, es fehle an der Übereinstimmung zwischen der bezeichneten und der tatsächlich gelieferten Ware, zuließen. Im angefochtenen Bescheid wird nämlich zwar ausgeführt, die gewählten Beschreibungen stellten für "normalpreisige Fenster" und "normalpreisiges Holz" eine hinreichende handelsübliche Bezeichnung dar; dem Bescheid ist sodann aber nicht einmal zu entnehmen, welcher Preis für Fenster und Holz in den Rechnungen ausgewiesen ist. Es fehlen auch Ausführungen darüber, was die belangte Behörde unter "normalpreisigen" Gegenständen versteht."

Im nunmehr angefochtenen Bescheid legt die belangte Behörde dar, dass der Vorsteuerabzug nicht zustehe, weil die Lieferungen ein aliud im Vergleich zu den in den Rechnungen ausgewiesenen Gegenständen darstellten, und führt dann hinsichtlich der Fenster und der Holzlieferungen aus:

Die als fehlend gerügten Spezifikationen und Preise der Fenster und des Holzes hätten sich in der Berufungsvorentscheidung befunden, worauf die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 4. bzw 10. August 1998 hingewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe entgegnet, aus dem Schreiben der Wirtschaftskammer sei nicht erkennbar, welches Holz bzw welche Fenster die Wirtschaftskammer zur Beurteilung der Handelspreise herangezogen habe.

Nach Ansicht der belangten Behörde gehe aus der vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Berufungsentscheidung bzw den vorgehaltenen Fakten ("Spezifikation" der in Rede stehenden Fenster und Hölzer, Verkaufpreis der Erzeugerfirma RD bzw des Holzlieferanten HG, Vergleichspreise laut Schreiben der Wirtschaftskammer vom 28. Juli 1998, widersprüchliche Herkunft des Produktes) hervor, dass keine Lieferung von (hochwertigen) Fenstern und Holz stattgefunden habe, sondern ein aliud geliefert worden sei. Wenn der Beschwerdeführer in der Vorhaltsbeantwortung das Schreiben der Wirtschaftskammer kritisiere, werde entgegengehalten, dass den festgestellten Preisrecherchen in der Berufungsvorentscheidung nichts entgegengesetzt werde; darin werde ausgeführt, dass die Fenster von der F-GmbH bei RD bezogen aber an MC weiterverkauft worden seien. Die MC habe die Fenster mit einem Aufschlag von 1 % an die F-GmbH fakturiert. Da es sich dabei um ein Umgehungsgeschäft handle, komme der ursprüngliche Kaufpreis von RD zum Ansatz. Die Fa L habe an den Beschwerdeführer Einkaufspreise von 2,313.220 S und 4,046.208 S (jeweils plus USt) fakturiert, der Beschwerdeführer habe an die I-Ltd 2,428.881 S und 4,248.584 S verrechnet.

Zu den 61 m3 Buchen- und 31 m3 Eichenholz werde festgestellt, dass diese Waren von der F-GmbH bei HG bestellt und im Auftrag der F-GmbH an die W-GmbH fakturiert worden seien. Diese habe anschließend eine Rechnung an die F-GmbH gelegt. Der maßgebliche Preis von HG für die Ware betrage 337.181,55 S, der verrechnete Wert laut Faktura der Fa. L an den Beschwerdeführer betrage 2,325.815 S plus USt, der verrechnete Wert des Beschwerdeführers an die I-Ltd 2,475.380 S.

Aus diesen Feststellungen sei der Einzelpreis der gelieferten Waren herausrechenbar, was im Vorhalt vom 4. August 1998 vorexerziert worden sei. Wenn der Einwand erhoben worden sei, dass aus dem Schreiben der Wirtschaftskammer nicht erkennbar sei, welches Holz bzw welche Fenster aus welchen Regionen zur Beurteilung der Handelspreises herangezogen worden seien, werde entgegengehalten, dass auf Grund der dem Beschwerdeführer gelieferten Waren die erforderliche Spezifikation und die Lieferpreise festgestanden seien. Wenn andere Angebote etwas anderes aussagten, seien diese Aussagen für die gegenständlichen Lieferungen des Beschwerdeführers irrelevant. Deshalb habe die belangte Behörde davon Abstand genommen, den vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträgen näher zu treten.

Die Begründung eines Abgabenbescheides muss u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt. Die Begründung hat überdies in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung zu bestehen, nach welcher die Behörde die Verwirklichung (oder strittige Nichtverwirklichung) bestimmter abgabenrechtlicher Tatbestände durch den in der Begründung angeführten Sachverhalt für gegeben erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Der angefochtene Bescheid enthält zwar die rechtlichen Erwägungen, auf Grund derer die belangte Behörde den Ausschluss des Vorsteuerabzuges angenommen hat. Diese bestehen darin, dass der Vorsteuerabzug nur zusteht, wenn Gegenstand der Lieferung jener Gegenstand ist, der auch in der Rechnung ausgewiesen ist. Der Vorsteuerabzug steht nicht zu, wenn ein aliud geliefert wird.

Der angefochten Bescheid enthält aber, wie der mit dem Erkenntnis 96/15/0273 aufgehobene Bescheid, keine bestimmten Feststellungen über die - von den in den Rechnungen ausgewiesenen Gegenständen abweichende - Art der tatsächlich gelieferten Gegenstände und über konkrete Ermittlungsergebnisse, auf welche sich solche Feststellungen gründen könnten. Somit entbehrt der angefochtene Bescheid der Feststellungen, aufgrund derer sich ergäbe, dass die in der Rechnung ausgewiesenen Gegenstände einerseits und die tatsächlich gelieferten Gegenstände andererseits von unterschiedlicher Art seien, dass also die Lieferung eines aliud vorliege.

Dazu kommt, dass der angefochtene Bescheid, was ebenfalls bereits im Erkenntnis 96/15/0273 als Begründungsmangel qualifiziert worden ist, nicht einmal hinreichende sachverhaltsmäßige Feststellungen betreffend die Bezeichnung der Gegenstände in den Rechnungen enthält.

Für das fortgesetzte Verfahren ist Folgendes zu beachten:

Es wird im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse (Hingabe kopierter Verrechnungsschecks und damit Unterbleiben eines tatsächlichen Zahlungsflusses, auffällig hoher Preis der Ware, ungewöhnliche Geschäftsanbahnung) die Feststellung zu treffen sein, ob für die Warenlieferungen zwischen den Unternehmern der von Werner Rydl aufgebauten Lieferantenkette überhaupt beabsichtigt gewesen ist, Entgelt tatsächlich (und in der in den Rechnungen ausgewiesenen Höhe) zu leisten. Gemäß § 11 Abs 1 Z 5 UStG 1994 gehört zu den notwendigen Merkmalen einer Rechnung nämlich auch das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung. Eine Rechnung muss auch hinsichtlich dieses Merkmals den Erfordernissen des § 11 UStG 1994 entsprechen, soll sie zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben war. Es brauchte daher nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, wonach die von der F-GmbH gelieferten Parfümöle ein aliud gegenüber den in den Rechnungen ausgewiesenen hochwertigen Parfümölen darstellten, auch im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren vorgebrachten Umstände ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden sind.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juni 2001

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