VwGH 96/15/0273

VwGH96/15/027328.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Universitätsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 5. November 1996, Zl. GA 6-96/5136/10, betreffend Umsatzsteuer 1994 und 1995, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Der Beschwerdeführer betreibt ein Handelsunternehmen. In den Jahren 1994 und 1995 kaufte er bei EL Parfumöle, Kunststoffenster und Buchenholz. Aufgrund von Rechnungen der EL machte er im Jahr 1994 Vorsteuern in Höhe von S 1,433.717,40 und im Jahr 1995 Vorsteuern in Höhe von S 5,936.046,60 geltend. Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer 1994 und zur Umsatzsteuer 1995 versagte das Finanzamt den genannten Vorsteuern die Anerkennung.

Die gegen die Umsatzsteuerbescheide eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Begründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe Aurela-Duftstoffe, 164 Stück Kunststoffenster (Maße 90 x 118 cm) sowie 164 Stück Kunststoffenster (Maße 146 x 118 cm) und 61 m3 Buchen- und 31 m3 Eichenholz gekauft und in der Folge steuerfrei exportiert. Produzent der Parfumöle sei die F-GmbH gewesen, welche sie an die U-GmbH sowie an EL verkauft habe. Die Fenster habe die F-GmbH von der Fa. RD bezogen und weiterverkauft. Das Buchen- und Eichenholz habe die F-GmbH von der Fa. HG erhalten und weiterverkauft. Dem Beschwerdeführer seien am 14. Mai 1996 Kopien der Gutachten des Univ. Prof. Dr. B von der Universität Wien sowie der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung übergeben worden. Der Beschwerdeführer habe u.a. auf eine Aufstellung von anderen Ölen verwiesen, die einen Preis von S 15.000,-- bis S 80.000,- pro Liter aufwiesen. Aus dem Gutachten des Univ. Prof. Dr. B ergebe sich, daß sich der Handelswert von Parfumölen aus den Materialkosten sowie aus ideellen Kosten (Kreation, Idee, künstlerischer Wert, Name, Liebhaberwert, Exklusivität) zusammensetze. Die Materialwerte der untersuchten Parfumölproben lägen zwischen S 100,-- und S 600,--. Im Gutachten werde ausgeführt, daß es sich bei den Proben um billige Produkte gehandelt habe. Der Geruch der Öle sei wenig ansprechend und könne als "lausig" bzw. "billig" bezeichnet werden. Aus dem hohen Anteil an Lösungsmitteln ergebe sich, daß die Öle gestreckt worden seien. Am 14. September 1995 habe Herr U vor der Finanzstrafbehörde die Aussage gemacht, bei einer bestimmt bezeichneten Tankstelle in Tattendorf seien 1500 Liter Rapsöl in 50 Liter Kanistern eingekauft worden; in diese Kanister sei sodann jeweils ein 1/8 Liter Parfumessenz gegossen worden. Das Ergebnis sei als hochwertige Ware deklariert und nach Wien verbracht worden. Für die Geltendmachung des Vorsteueranspruches sei es gemäß § 12 UStG 1992 bzw. 1994 erforderlich, daß eine Rechnung im Sinn des § 11 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 vorliege. Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG 1972 bzw. 1994 müsse die Rechnung die handelsübliche Bezeichnung des Liefergegenstandes aufweisen. Die Rechnungen, die über die strittigen Mehrwertsteuerbeträge erstellt worden seien, erfüllten diese Voraussetzung nicht. Parfumöle würden, so sie nicht durch ihre Marke bereits spezifiert seien, durch Angabe ihrer Inhaltsstoffe, ihrer Verarbeitung und vor allem ihrer Herkunft bestimmt. Eine nicht einmal Mindestangaben aufweisende Bezeichnung, wie sie sich im gegenständlichen Fall in den Rechnungen finde, sei nicht branchenüblich. Bei den gehandelten Fenstern handle es sich um Kunststoffenster der Firma RD. Aus der Bezeichnung "F-Fenster" lasse sich nicht erkennen, weshalb es sich um außergewöhnlich wertvolle Fenster handeln solle. Bei Fenstern, die mehr als sechsmal so teuer seien wie die tatsächlich gelieferten müßten genauere Angaben über besondere Beschaffenheit (wie etwa kugelsichere Scheiben, säurefester Rahmen, vergoldete Griffe) angeführt seien. Die Beschreibung "Sicherheits-Kunststoffenster Marke F, sonnenschutzverspiegelt" mit Angabe der Größe wäre zwar für normalpreisige Fenster ausreichend, aber nicht für Fenster besonderer Art. Bei dem tatsächlich gelieferten Holz handle es sich um handelsübliches Holz, das zu einem mehr als zehnfach überhöhten Preis in Rechnung gestellt worden sei. Die Bezeichnung "F Hölzer Buche, Klasse 1-2, für Möbelbau, luftgetrocknet 18 bis 20 %, Stärke 85 mm Breite 16 cm Länge 2-3 Meter" wäre für normalpreisiges Holz wohl ausreichend. Da es sich aber nach dem Fakturenwert um ganz besonderes Holz handeln müsse, sei es durch die genannte Bezeichnung nicht konkretisiert worden. Da sohin keine hinreichende Beschreibung der Produkte existiere, sei durch die in den Rechnungen angeführten Begriffe, wie "F-Fenster" oder "F-Hölzer" oder bei den Parfumölen "Sandalus" oder "Desnude" keine hinreichende Bezeichnung gewählt worden. Da die genannten Produkte am Markt nicht erhältlich seien, sondern nur "speziellen Kunden" angeboten würden, sei die Benennung mit Phantasienamen in keiner Weise geeignet, eine konkrete Bezeichnung zu bewirken. Es liege sohin keine handelsübliche Bezeichnung der Ware vor. Die tatsächlich gelieferten Waren hätten mit hochwertigen Produkten nichts gemein. Hinsichtlich der Öle seien das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B und die Untersuchung der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich um mindeswertiges Material handle. Die Untersuchungen seien an Ölen erfolgt, die bei der U-GmbH beschlagnahmt worden seien. Es handle sich dabei um Öle, welche dieselbe Bezeichnung getragen hätten wie die vom Beschwerdeführer erworbenen. Die U-GmbH habe die Öle von der F-GmbH bezogen. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die untersuchten Proben einerseits und die vom Beschwerdeführer bezogenen Öle die gleiche Ware darstellten. Die tatsächlich gelieferten Öle seien wertlose Mischungen, deren Zutaten maximal S 50,-- bis S 500,-- pro Liter kosten würden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behöre legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 USt 1972 bzw. UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen.

Weil der angefochtene Bescheid sachverhaltsmäßige Feststellungen vermissen läßt, aus denen sich ergäbe, daß die in den Rechnungen verwendeten Bezeichnungen nicht solche seien, die für die gelieferten Waren allgemein im Geschäftsverkehr verwendet werden, vermögen ihn seine Ausführungen, die Rechnungen erfüllten nicht die Voraussetzung des § 11 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994, nicht zu stützen.

Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 setzt der Vorsteueranspruch eine Übereinstimmung zwischen gelieferter und in der Rechnung ausgewiesener Ware voraus. Diese Voraussetzung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/15/0220 - auf dieses wird gemäß § 43 Abs. 2

zweiter Satz VwGG verwiesen -, ausgesprochen hat, dann nicht erfüllt, wenn die in der Rechnung gewählte Bezeichnung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen ist.

Hinsichtlich der Parfumöle konnte die belangte Behörde aufgrund der Angaben in der Rechnung, einschließlich der entsprechenden Preisangaben (laut angefochtenem Bescheid zwischen S 70.000,-- und S 130.000,-- pro Liter), im gegenständlichen Fall unbedenklich davon ausgehen, daß die Rechnungen teure und qualitativ hochwertige Parfums betreffen. Das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B betreffend die Untersuchung der Parfumölprobe wurde dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren von der Behörde in Kopie übergeben. Stichhaltige Einwendungen gegen die Ausführungen des Gutachtens hinsichtlich des Wertes der Proben hat der Beschwerdeführer nicht erhoben. Da es unbestritten ist, daß die Parfumöle von der gemeinsamen Lieferantin der EL und der U-GmbH, nämlich der F-GmbH, hergestellt worden sind und im Hinblick auf die unbestrittene Übereinstimmung der "Phantasienamen" konnte die belangte Behörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften im Rahmen ihrer Beweiswürdigung annehmen, daß die Gegenstände, die der Beschwerdeführer von EL bezogen hat, qualitativ mit den bei der U-GmbH gezogenen Proben übereinstimmen. Die belangte Behörde konnte weiters durch die Bezugnahme auf das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B in schlüssiger Beweiswürdigung die Feststellung treffen, daß die tatsächlich gelieferten Waren minderwertigste Parfumöle darstellten. Da sohin die in den Rechnungen bezeichneten Gegenstände nicht mit den tatsächlich gelieferten Gegenständen übereinstimmen, hat die belangte Behörde zu Recht den Anspruch auf Vorsteuerabzug versagt.

Hinsichtlich der Vorsteuern aus dem Bezug von Fenstern und von Holz gelingt es der Beschwerde allerdings, eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde aufzuzeigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß die Begründung eines Abgabenbescheides u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt. Es muß also jener Sachverhalt angeführt sein, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt, und weiters die Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung erfolgen, wobei auf das Vorbringen des Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im einzelnen eingehend jene Erwägungen darzustellen sind, welche die belangte Behörde bewogen haben, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl. im einzelnen das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Diesem Begründungerfordernis entspricht der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Vorsteuern betreffend die Lieferung von Fenstern und Holz in keiner Weise. Er enthält zum einen keine Feststellungen über die Art der tatsächlich gelieferten Gegenstände und über konkrete Ermittlungsergebnisse, auf welche sich solche Feststellungen gründen könnten. Zum anderen enthält der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Bezeichnung der Gegenstände in den Rechnungen keine hinreichenden sachverhaltsmäßigen Feststellungen, die die Beurteilung, es fehle an der Übereinstimmung zwischen der bezeichneten und der tatsächlich gelieferten Ware, zuließen. Im angefochtenen Bescheid wird nämlich zwar ausgeführt, die gewählten Beschreibungen stellten für "normalpreisige Fenster" und "normalpreisiges Holz" eine hinreichende handelsübliche Bezeichnung dar; dem Bescheid ist sodann aber nicht einmal zu entnehmen, welcher Preis für Fenster und Holz in den Rechnungen ausgewiesen ist. Es fehlen auch Ausführungen darüber, was die belangte Behörde unter "normalpreisigen" Gegenständen versteht.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der pauschale Satz für den Schriftsatzaufwand umfaßt auch die Umsatzsteuer.

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