Normen
61997CJ0210 Akman VORAB;
ARB1/80 Art7;
61997CJ0210 Akman VORAB;
ARB1/80 Art7;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte beim Arbeitsmarktservice Innsbruck am 30. Jänner 1998 mit dem amtlich aufgelegten Formular den Antrag auf "Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes". In diesem Antrag stützte sich die Beschwerdeführerin auf ihren Ehegatten HD als Familienangehörigen; Beschäftigungszeiten der Beschwerdeführerin enthält der Antrag nicht.
Mit Bescheid vom 4. Februar 1998 gab das Arbeitsmarkservice Innsbruck "dem Antrag des/der D türk. StA, geb. 09.09.1974 vom 30.01.1998 auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBL. Nr. 776/1996, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit
Artikel 7 Abs. 1 zweiter Unterabsatz des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/1980) keine Folge".
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei 1992 nach Österreich eingereist und habe bei ihrem Vater (S) gelebt. Nach der Eheschließung mit ihren Ehegatten HD am 26. Februar 1996 "hat die Bezugsperson gewechselt". Die Behörde habe "diesen Wechsel und die von 1992 bis 1996 bestehende Familiengemeinschaft mit meinem Vater nicht berücksichtigt".
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 1998 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 4. Februar 1998 bestätigt.
Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag angegeben, sie habe die Erlaubnis erhalten, zu ihrem Ehegatten HD zu ziehen. Die Beschwerdeführerin sei 1992, als sie ursprünglich die Genehmigung erhalten habe, zu ihrem Vater zu ziehen, mit HD noch nicht verheiratet gewesen. 1996 habe die Beschwerdeführerin die häusliche Gemeinschaft mit ihrem Vater beendet, HD geehelicht und mit diesem eine häusliche Gemeinschaft begründet. Nach ihren Antragsangaben leite die Beschwerdeführerin von ihrem Vater keine Rechte nach Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich des ARB 1/80 ab. Mit ihrem Ehegatten HD habe die Beschwerdeführerin nicht in fünfjähriger häuslicher Gemeinschaft tatsächlich zusammengelebt und sie habe auch nicht die Erlaubnis erhalten, zu ihm zu ziehen. Demnach erfülle die Beschwerdeführerin aber nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid "gem. § 42 Abs 2 Zi 1 u. 3 VwGH" kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin sich im gesamten Verwaltungsverfahren nach ihren Antragsangaben und ihrem im Berufungsverfahren erstatteten Vorbringen nicht darauf berufen hat, sie selbst habe Beschäftigungszeiten in der Dauer von vier Jahren aufzuweisen. Die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines wurde von der Beschwerdeführerin demnach nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80) gestützt. Prüfungsgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist daher lediglich das Vorliegen der - für die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG in Betracht kommenden anderen - Tatbestandsvoraussetzung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Unterabsatz ARB Nr. 1/80.
Art. 7 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 lautet:
"Artikel 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben."
Diese Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und räumt subjektive Rechte ein. Den Betroffenen, die diese Voraussetzungen erfüllen, ist gemäß § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) von Amts wegen ein Befreiungsschein durch das Arbeitsmarktservice auszustellen.
Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 hat den Zweck, die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, dadurch zu fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande garantiert wird; durch die Bestimmung sollen somit günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat geschaffen werden (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17. April 1997, in der Rechtssache C-351/95 (Selma Kadiman), Slg. 1997, I-2133, Rand Nr. 34 und 36). Die im ersten Satz des Art. 7 ARB Nr. 1/80 den Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer eingeräumten Rechtsstellung ist nur den Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers eingeräumt, sie ist also davon abhängig, dass diese Bezugsperson dem regulären Arbeitsmarkt aktuell angehört. Dadurch unterscheidet sich der erste Satz des Art. 7 leg. cit. vom zweiten Satz dieser Bestimmung, wonach für bestimmte, den Kindern türkischer Arbeitnehmer eingeräumte Rechte ausreichend ist, dass ein Elternteil in der Vergangenheit ordnungsgemäß beschäftigt war (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-210/19 97 (Haydar Akman), Rand Nr. 30).
Dies bedeutet aber, dass der (nach den Ergebnissen des Berufungsverfahrens unbestrittenermaßen) seit 1. Juni 1995 in vorzeitiger Alterspension befindliche Vater der Beschwerdeführerin, hätte sie in ihrem am 30. Jänner 1998 gestellten Antrag ihren Vater S als Bezugsperson angegeben, nicht mehr mit Erfolg zur Ableitung von Rechten im Sinn des Artikel 7 Satz (Abs.) 1 des ARB Nr. 1/80 herangezogen werden konnte (vgl. in dieser Hinsicht die hg. Erkenntnisse vom 7. April 1999, Zl. 97/09/0235, vom 26. Mai 1999, Zl. 97/09/0179, und vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/09/0012).
Die sich im Beschwerdefall stellende Frage, ob die - "ursprüngliche" - Bezugsperson (hier: der Vater) durch eine andere (einen anderen Familienangehörigen) "ersetzt" werden kann, ist nach der Textierung des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 zu verneinen. Im Sinne dieser Bestimmung ist nämlich weiters Voraussetzung, dass der betroffene Familienangehörige (hier: die Beschwerdeführerin) die Genehmigung erhalten haben muss, zu dem dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers zu ziehen, und nur zu diesem, nicht auch zu anderen in Österreich wohnhaften und beschäftigten Familienmitgliedern (vgl. hiezu nochmals das genannte Erkenntnis Zl. 97/09/0179).
Dem Antrag der Beschwerdeführers vom 30. Jänner 1998 in Verbindung mit ihrem Berufungsvorbringen ist aber unmissverständlich zu entnehmen, dass 1996 gerade ein derartiger "Wechsel der Bezugsperson" anlässlich der Eheschließung erfolgt ist und von 1992 bis zur Eheschließung im Jahr 1996 nur der Vater und nicht (auch) der im Antrag angegebene Ehegatte HD die Bezugsperson der Beschwerdeführerin gewesen ist, sodass nicht beantwortet werden muss, inwieweit bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen mehrere Personen als Bezugspersonen im Sinne des Art. 7 ARB Nr. 1/80 in Frage kommen. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erweist sich daher, angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin wohl 1992 die Genehmigung erhalten hat, zu ihrem dem regulären Arbeitsmarkt bis 1. Juni 1995 angehörenden Vater zu ziehen, jedoch mit ihrem Ehegatten HD erst sei 1996 in einer tatsächlichen Hausgemeinschaft lebt, als zutreffend, weil auch nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin damit klargestellt ist, dass sie und ihr Ehegatte keine gemeinsamen Wohnsitzzeiten in der Dauer von fünf Jahren haben. Bei diesem Ergebnis ist es aber unerheblich, zu welchem Ergebnis eine Prüfung über das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 führen würde. Die Beschwerdeführerin konnte schon aus den dargelegten Erwägungen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Satz (Abs.) 1 zweiter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 und damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG nicht erfüllen.
Der behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt keine Wesentlichkeit zu, weil die belangte Behörde auch bei Vermeidung dieser gerügten Verfahrensfehler zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG). Dass sie vor der Eheschließung im Jahr 1996 bereits bei ihrem späteren Ehegatten HD gewohnt habe, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Der in der Beschwerde ins Treffen geführte Nachweis darüber, dass sie ab dem 8. März 1994 bis 8. März 1996 "tatsächlich im Inland gewohnt bzw. gelebt hätte", könnte der Beschwerdeführerin keine Wohnsitzzeiten mit dem als Bezugsperson angegebenen Familienangehörigen HD verschaffen und ist demnach nicht erheblich.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Jänner 2001
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