VwGH 2000/20/0167

VwGH2000/20/016721.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über den Antrag des TS in Linz, geboren am 28. April 1960, vertreten durch Dr. Peter Behawy, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Stadtplatz 22/I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. September 1999, Zl. 206.640/0-XI/34/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs5 idF 1998/I/158;
AVG §33 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
AVG §13 Abs5 idF 1998/I/158;
AVG §33 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 2000 wurde die zur hg. Zl. 2000/20/0027 protokollierte Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. September 1999, Zl. 206.640/0-XI/34/98, wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 21. April 2000 zugestellt.

Mit dem vorliegenden, am 5. Mai 2000 zur Post gegebenen und somit - berechnet ab der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses - innerhalb der Frist des § 46 Abs. 3 VwGG eingebrachten Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist mit der näher ausgeführten Begründung, sein rechtskundiger Vertreter habe davon ausgehen können, dass die Bescheidbeschwerde innerhalb der offenen Beschwerdefrist rechtzeitig beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sei, weil die Übermittlung des Telefax am 20. Jänner 2000 um

20.26 Uhr mittels Sendebestätigung verifiziert worden sei. Die Zurückweisung der Beschwerde stelle ein - rückschauend betrachtet - unvorhergesehenes Ereignis dar, mit welchem der Vertreter des Antragstellers im Hinblick auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf die bisherige Praxis des Gerichtes nicht zu rechnen brauchte. Auch nach der Novellierung des § 13 Abs. 5 AVG im Jahr 1998, wonach mit Telefax eingebrachte Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangten, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als bei ihr eingelangt gelten würden, habe der Vertreter des Antragstellers davon ausgehen können, dass nicht auf den Zeitpunkt des Einlangens eines Anbringens bei der Behörde abzustellen, sondern einzig und allein maßgeblich sei, wann das entsprechende Anbringen von der Behörde entgegengenommen worden sei. Es könne keinen wesentlichen Unterschied machen, ob ein Schriftstück in einen bei der Behörde vorhandenen Briefkasten eingeworfen werde oder das entsprechende Anbringen im Wege eines Telefax übermittelt werde. Durch die vom Verwaltungsgerichtshof überraschend vertretene, unvorhersehbare Ansicht sei der Vertreter des Antragstellers von der rechtzeitigen Absendung der Bescheidbeschwerde per Post abgehalten worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller im Ergebnis geltend, er habe sich - gemessen an der im zitierten Zurückweisungsbeschluss vertretenen Auffassung - in einem zumindest nicht grob fahrlässigen Rechtsirrtum darüber befunden, dass mit Telefax eingebrachte Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangen, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als bei ihr eingelangt gelten. Die Tatsache dieses Irrtums und seine Ursächlichkeit für die Versäumung der Beschwerdefrist sind nicht zweifelhaft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in jüngerer Zeit wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen und es sei, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, mwN).

Rechtsirrtümer darüber, wann eine Beschwerde als eingelangt gilt, werden bei einem Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters nur in besonderen Ausnahmefällen zur Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages führen können.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Vorschrift, dass mit Telefax eingebrachte Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlangen, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als bei ihr eingelangt gelten, ist dem gemäß § 62 Abs. 1 VwGG im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 13 Abs. 5 AVG in der Fassung der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 zu entnehmen. Im Durchführungsrundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 18. Dezember 1998 zu dieser Novelle wird - obgleich ohne Stütze in den Erläuterungen zur Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 - zu dieser Regelung des § 13 Abs. 5 letzter Satz leg. cit. "zur Klarstellung" die Auffassung vertreten, dass "dieser Zeitpunkt nur für jene Fälle, insbesondere auch für Fristenberechnungen, rechtserheblich ist, in denen es auf das Einlangen bei der Behörde ankommt (vgl. vor allem § 73 Abs. 3). In jenen Fällen, in denen es auf das Einbringen ankommt, ist die Zeit bis zum Wiederbeginn der Amtsstunden gemäß § 33 Abs. 3 nicht einzurechnen."

Vertritt man hingegen wie der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass auf Telefax-Anbringen das im § 33 Abs. 3 AVG vorgesehene Privileg der Nichteinrechnung des Postenlaufes in den Lauf der Frist nicht anwendbar ist, so kommt es für die Rechtzeitigkeit einer solchen Verfahrenshandlung wie bei allen anderen Anbringen auf das Einlangen und die hiefür geregelte Entgegennahme durch die Behörde (Einbringungsstelle) an. Wie bei schriftlichen Anbringen eine Entgegennahme erforderlich ist (nur in diesem Sinne ist das "Einlangen" innerhalb der Frist fristwahrend, nicht aber z.B. ein Durchschieben des Schriftstückes unter der Tür des Amtsraumes) enthält nun auch § 13 Abs. 5 letzter Satz AVG in der Novellenfassung eine ausdrückliche Regelung über den Tatbestand des Einlangens. Für außerhalb der Amtsstunden einlangende Anbringen der in § 13 Abs. 5 letzter Satz leg. cit. genannten Art wird angeordnet, dass diese erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als bei ihr eingelangt gelten. Diese generell auf den Wiederbeginn der Amtsstunden abstellende Regelung schließt es von vornherein aus, dass der gesetzlich ungeregelt gebliebene, bloß manipulative Umstand, ob die Einbringungsstelle das Empfangsgerät in der Zeit nach Beendigung der Amtsstunden empfangsbereit hält oder abschaltet, für die Fristwahrung maßgebend sein könnte (vgl. zum Ganzen nunmehr auch das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2000, Zl. 2000/03/0152).

Im Hinblick auf den Umstand, dass die vom Vertreter des Antragstellers in der dem Wiedereinsetzungsantrag zu Grunde liegenden Beschwerdesache gesetzte Verfahrenshandlung auf einer Rechtsauffassung beruht, wie sie auch vom Bundeskanzleramt im erwähnten Durchführungsrundschreiben geäußert (und so auch einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2000, B 460/00, zu Grunde gelegt) wurde, kommt der Verwaltungsgerichtshof zur Auffassung, dass die dem Antragsteller zuzurechnende - objektiv gegebene - Fristversäumung nicht auf einem Verschulden beruht, das den minderen Grad des Versehens überschritten hätte.

Was die Vertretbarkeit der der Verfahrenshandlung zu Grunde gelegten Rechtsauffassung des Antragsstellers anlangt, wonach die Einbringung des Telefax-Anbringens nach dem Ende der Amtsstunden des Verwaltungsgerichtshofes noch als rechtzeitig erschiene, lag im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung eine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht vor, zumal das hg. Erkenntnis vom 5. August 1999, Zl. 99/03/0311, im damaligen Zeitpunkt im Rechtsinformationssystem des Bundes erst seit kurzer Zeit und sonst noch nicht publiziert war.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG war dem Antrag auf Wiedereinsetzung daher stattzugeben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. September 2000

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