Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit einer am 8. Februar 1995 persönlich bei der Österreichischen Botschaft in Zagreb überreichten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Als seinen derzeitigen Wohnsitz "im Ausland" führte er eine Adresse in L, Niederösterreich, an. Laut einer vorgelegten Bestätigung der Gemeinde L vom 26. Mai 1994 war der Beschwerdeführer seit 7. März 1994 in dieser Gemeinde gemeldet und auch wohnhaft. Dies geht auch aus der in den Verwaltungsakten befindlichen Kopie eines Meldezettels hervor. Aus einer ebenfalls im Verwaltungsakt erliegenden Strafregisterauskunft einer kroatischen Behörde vom 6. September 1994 ist weiters eine ausländische Adresse des Beschwerdeführers in P ersichtlich.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. Jänner 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Februar 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Im Hinblick auf einen von dieser Behörde unterstellten "unsteten Aufenthalt" des Beschwerdeführers wurde am 16. Jänner 1997 gemäß § 25 ZustellG die Zustellung dieses Bescheides durch öffentliche Bekanntmachung verfügt. Letztere erfolgte durch Anschlag an der Amtstafel am 22. Jänner 1997.
Am 15. Dezember 1999 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eine Berufung des Beschwerdeführers gegen den genannten Bescheid vom 16. Jänner 1997 ein. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit machte der Beschwerdeführer geltend, dass ihm der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 16. Jänner 1997 rechtswirksam erst am 2. Dezember 1999 (nach seinem schriftlichen Ersuchen um Bekanntgabe des Verfahrensstandes über den am 8. Februar 1995 gestellten Antrag) zugestellt worden sei. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung sei unzulässig gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich sowohl vor als auch nach der Antragstellung vom 8. Februar 1995 an der im Antrag angeführten inländischen Adresse besuchsweise bei seiner Lebensgefährtin bzw. nunmehrigen Ehegattin aufgehalten und sei dort auch gemeldet gewesen. Aus den beigelegten Antragsunterlagen sei überdies seine kroatische Adresse hervorgegangen. Eine Zustellung sei nur dann rechtswirksam, wenn alle sie betreffenden Vorschriften eingehalten worden seien. Würden bei der Zustellung Mängel unterlaufen, so gelte die Zustellung gemäß § 7 ZustellG erst in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen sei. Vor Vornahme einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 ZustellG müsse zunächst versucht werden, die unbekannte Adresse einer Person zu erfahren. Erst wenn dies zu keinem Ergebnis führe oder nach der Sachlage aussichtslos erscheine, könne die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung vorgenommen werden. Da im berufungsgegenständlichen Fall die erstmalige Zustellung des bekämpften Bescheides durch öffentliche Bekanntmachung vorgenommen worden sei, obwohl zu keinem Zeitpunkt eine Änderung der Abgabestelle erfolgt sei und eine Ersatzzustellung stets möglich gewesen sei, gelte die Zustellung erst am 2. Dezember 1999 als vollzogen.
In den Verwaltungsakten findet sich ein mit 15. Dezember 1999 datierter Ausdruck folgender Meldedaten des Beschwerdeführers:
ordentlicher inländischer Wohnsitz M
gemeldet von 20.11.1992 bis 3.3.1994
ordentlicher inländischer Wohnsitz L
gemeldet von 7.3.1994 bis 30.1.1995, von 13.2.1995 bis 26.4.1995, von 17.5.1995 bis 30.8.1995, von 19.9.1995 bis 7.12.1995, von 19.12.1995 bis 14.2.1996, von 9.9.1998 bis 30.11.1998, von 27.4.1999 bis 2.7.1999 und ab 21.9.1999
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 16. Jänner 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 8. Februar 1995 "via Österreichische Botschaft Zagreb" einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für das Bundesgebiet gestellt habe. Dieser Antrag sei abgewiesen worden. Die Zustellung des genannten Bescheides sei auf Grund der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung unbekannten Abgabestelle gemäß § 25 ZustellG durch Anschlag an der Amtstafel erfolgt. Der Bescheid sei mit 10. Februar 1997 in Rechtskraft erwachsen. Am 15. Dezember 1999 habe der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung erhoben, da die Rechtsauffassung vertreten worden sei, dass erst durch die Übermittlung einer Bescheidkopie eine rechtswirksame Zustellung erfolgt sei. Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 22. Jänner 1997 erfolgt sei und die Berufung des Beschwerdeführers erst am 15. Dezember 1999 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 und § 25 ZustellG lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
§ 25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind."
Sowohl nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, das zur erstinstanzlichen Erledigung geführt hat, als auch nach dem Vorbringen zur Rechtzeitigkeit seiner Berufung und nach dem Inhalt der Meldeauskunft war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zwischen seiner Antragstellung am 8. Februar 1995 und dem Versuch, den Bescheid am 22. Jänner 1997 durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen, jedenfalls zeitweise eine Abgabestelle im Verständnis des § 4 ZustellG in L hatte.
Die erstinstanzliche Behörde ist bei Verfügung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung offenbar davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der verfügten Zustellung die Abgabestelle in L, aber auch die aus den Verwaltungsakten weiters ersichtliche in P, nicht mehr bestand; andernfalls hätte sie dort eine Zustellung verfügen müssen.
Hätten diese Abgabestellen am 22. Jänner 1997 tatsächlich nicht mehr bestanden und wären auch sonst keine Adressen des Beschwerdeführers bekannt gewesen, so hätte sich für die Behörde erster Instanz das Bild ergeben, dass der Beschwerdeführer die bisherige Abgabestelle in L aufgegeben, der Behörde jedoch davon keine Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustellG gemacht hätte. Unter "bisheriger Abgabestelle" im Verständnis des § 8 Abs. 1 ZustellG ist nämlich jedenfalls eine solche zu verstehen, die der Beschwerdeführer während des anhängigen Verwaltungsverfahrens, wenn auch nur zeitweise, tatsächlich hatte, und von der er weiß, dass sie der Behörde bekannt war.
Die erstinstanzliche Behörde wäre daher nach dem Vorgesagten bei Annahme der Aufgabe dieser Abgabestelle gehalten gewesen, nach § 8 ZustellG vorzugehen. Sie hätte daher zunächst amtswegig die aktuelle Abgabestelle zu ermitteln gehabt. Wäre dies nicht ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, so hätte die erstinstanzliche Behörde gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG mit Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzugehen gehabt.
Auf Grund der Subsidiarität des § 25 ZustellG gegenüber § 8 ZustellG ist, wenn eine Partei der Behörde die Änderung ihrer bisherigen Abgabestelle entgegen dem § 8 Abs. 1 ZustellG nicht mitgeteilt hat, nicht durch öffentliche Bekanntmachung, sondern durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch zuzustellen (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 3 zu § 25 ZustellG wiedergegebene Judikatur).
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Annahme der erstinstanzlichen Behörde, der Beschwerdeführer sei im Jänner 1997 "unsteten Aufenthaltes" gewesen, zutraf oder nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nach ständiger Judikatur nicht zugesprochen werden kann.
Wien, am 24. November 2000
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