VwGH 2000/18/0120

VwGH2000/18/01203.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des SE, (geboren am 15. November 1968), in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. April 2000, Zl. SD 995/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §40 Abs1;
FrG 1997 §48 Abs1;
SMG 1997 §39 Abs1;
SMG 1997 §39 Abs5;
SMG 1997 §40 Abs5;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §40 Abs1;
FrG 1997 §48 Abs1;
SMG 1997 §39 Abs1;
SMG 1997 §39 Abs5;
SMG 1997 §40 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. April 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, sei am 18. Juli 1992 mit einem von der österreichischen Botschaft in Teheran ausgestellten Visum in das Bundesgebiet gelangt. In weiterer Folge seien ihm Sichtvermerke und Aufenthaltstitel erteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1999 sei er des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass er zwischen 1995 und dem 30. August 1997 wiederholt Haschisch und Kokain erworben und besessen sowie weiters zwischen April 1995 und Juni 1997 durch Verkauf von zumindest 50 bis 100 Gramm Kokain an unbekannt gebliebene Abnehmer eine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt habe. Es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass der im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 48 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet, habe sonstige familiäre Bindungen oder Sorgepflichten nicht geltend gemacht und sei aufrecht beschäftigt. Auch angesichts der Dauer seines Aufenthaltes sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine besondere Gefährlichkeit, sondern darüber hinaus auch eine außerordentlich hohe Wiederholungsgefahr an. Die vom Fehlverhalten des Beschwerdeführers und von der Suchtgiftkriminalität im Allgemeinen ausgehende hohe Sozialschädlichkeit beeinträchtige - vor allem auch unter Bedachtnahme auf den etwa zweijährigen Tatzeitraum - die angeführten öffentlichen Interessen in derart erheblichem Ausmaß, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert gewesen sei. Dem stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen und auch unter Bedachtnahme auf die Integration seiner Ehegattin wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation nicht schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Überdies könne er - wenn auch eingeschränkt - den Kontakt zu seiner Ehegattin vom Ausland aus aufrecht erhalten.

Die von ihm ins Treffen geführte Drogentherapie falle nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht. Zum einen liege das für die besagte Verurteilung ausschlaggebende, von 1995 bis 1997 gesetzte Fehlverhalten noch nicht so lange zurück, dass aufgrund des verstrichenen Zeitraums eine wesentliche Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen angenommen werden könne. Zum anderen biete die Therapie allein noch keine Gewähr dafür, dass er nicht neuerlich gegen suchtgiftrechtliche Strafbestimmungen verstoßen könnte, zumal eine allfällige Suchtgiftergebenheit nicht Tatbestandsmerkmal der von ihm verwirklichten Straftatbestände sei.

Angesichts des Zeitpunktes der Verwirklichung des seiner Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhaltes erweise sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Sinn des § 38 FrG als unzulässig. Da sonst keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

In Anbetracht des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall der für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Gründe, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn aufgrund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Die Beschwerde bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers, sie bringt jedoch vor, dass das dieser Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten von ihm zuletzt am 30. August 1997 gesetzt worden sei und daher bereits so lange zurückliege, dass eine wesentliche Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentlichen Interessen anzunehmen sei. Darüber hinaus sei ihm zum Zweck der Therapie seiner - für die Weitergabe des Suchtgiftes ausschlaggebend gewesene - Suchtgiftergebenheit gemäß § 39 SMG ein Strafaufschub gewährt worden und unterziehe er sich mit Erfolg dieser Therapie.

1.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Der besagten Verurteilung liegt nach den unbestrittenen Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider in der Zeit zwischen April 1995 und Juni 1997 durch Verkauf von zumindest 50 bis 100 Gramm Kokain an unbekannt gebliebene Abnehmer eine große Menge Suchtgift - somit eine solche, die geeignet war, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG) - in Verkehr gesetzt und darüber hinaus zwischen 1995 und dem 30. August 1997 wiederholt Haschisch und Kokain erworben und besessen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. November 1999, Zl. 99/18/0367, mwN). Angesichts des sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die besagte Wiederholungsgefahr begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährde und somit die Voraussetzung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG erfüllt sei und dass ferner die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, keinem Einwand. Auch lag das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, dass aufgrund des seither verstrichenen Zeitraumes eine zuverlässige Prognose über ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers hätte gestellt werden können.

An dieser Beurteilung vermag der von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 39 SMG ein Strafaufschub zur Durchführung einer Therapie seiner Suchtgiftergebenheit gewährt worden sei und er sich dieser Therapie erfolgreich unterziehe, nichts zu ändern. Wenn auch im Hinblick auf einen solchen Strafaufschub die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes bis zum Vollzug der unbedingt verhängten Freiheitsstrafe bzw. zu deren bedingten Nachsicht aufgeschoben wird und die Frage, ob im Grund des FrG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, für diesen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit zu beurteilen ist (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0419, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), kann für den Beschwerdeführer daraus, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung bezüglich der Annahme nach § 48 Abs. 1 FrG und der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 leg. cit. nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt hat, nichts gewonnen werden. So liegt dieser Beurteilung (u.a.) das ihm angelastete Fehlverhalten des Verkaufs einer für eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß erforderlichen Menge an Kokain, sohin ein das öffentliche Interesse am Schutz der Gesundheit beeinträchtigendes Fehlverhalten von sehr großem Gewicht, zugrunde. Vor diesem Hintergrund bietet selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie keine Gewähr dafür, dass vom Beschwerdeführer keine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen mehr ausgehe, und kann auch nicht angenommen werden, dass von ihm, sollte sich die Suchtgifttherapie künftig als erfolglos erweisen, nach vollzogener Freiheitsstrafe keine solche Gefahr mehr ausginge.

2.1. Im Licht des § 37 FrG macht die Beschwerde weiters geltend, dass der Beschwerdeführer nunmehr bereits acht Jahre lang in Österreich aufhältig, seit 25. Oktober 1993 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, aufrecht beschäftigt und hier voll integriert sei, wobei ein ausreichendes Familieneinkommen vorhanden sei. Darüber hinaus hätte die Behörde auch deshalb von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen sollen, weil er als iranischer Staatsbürger aufgrund der besagten Verurteilung in seinem Heimatstaat mit größten Schwierigkeiten bis zu Gefängnisaufenthalten von unbestimmter Dauer zu rechnen habe.

2.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat den Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich seit 18. Juli 1992 aufhältig, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und hier beschäftigt ist, in gebührender Weise berücksichtigt. Wenngleich diese für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass die aus seinem Aufenthalt in Österreich resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Suchtgiftdelikte eine ganz erhebliche Minderung erfahren hat. Wenn er auch bis zu diesen Straftaten in Österreich strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, so zeigt das seiner Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten doch seine Gleichgültigkeit und die von ihm ausgehende massive Gefahr in Bezug auf das Leben und die Gesundheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Dem weiteren Beschwerdeeinwand, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat aufgrund der besagten Verurteilung mit Gefängnisaufenthalten in unbestimmter Dauer zu rechnen habe, ist zu erwidern, dass mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass er in ein bestimmtes Land (etwa in den Iran) auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Abgesehen davon ist es im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ohne Belang, ob die Abschiebung des Fremden in ein bestimmtes Land aus den Gründen des § 57 Abs. 1 FrG unzulässig wäre, weil diese in einem gesonderten Verfahren nach § 75 FrG zu prüfen sind. Im Übrigen muss die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Situation vom Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung bestehen daher keine Bedenken.

3. Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr auch bei Erlassung eines auf § 48 Abs. 1 erster Satz FrG gestützten Aufenthaltsverbotes eingeräumten Ermessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0291, mwN), von der Verhängung dieser Maßnahme Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 3. August 2000

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