VwGH 2000/18/0069

VwGH2000/18/006910.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des LT, (geboren am 25. März 1968), vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Februar 2000, Zl. SD 855/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z5;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z5;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Februar 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 5 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit Dezember 1992 im Bundesgebiet. Ihm seien zunächst Sichtvermerke und in weiterer Folge Aufenthaltstitel erteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 12. Februar 1999 sei er der gewerbsmäßigen Schlepperei schuldig erkannt und nach § 105 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon zehn Monate bedingt) rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass er in der Zeit von Dezember 1996 bis August/September 1997 um seines Vorteils willen Schlepperei begangen und so die gemeinsame rechtswidrige Ein- bzw. Ausreise von mehr als fünf Fremden, nämlich insgesamt 25 ägyptischen Staatsangehörigen, gefördert habe sowie hiebei teilweise gewerbsmäßig, d.h. zur Erzielung eines fortlaufenden Einkommens, vorgegangen sei. Auf Grund dieser Verurteilung sei nicht nur der im § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, sondern auch der in Abs. 2 Z. 5 dieser Gesetzesbestimmung normierte Tatbestand verwirklicht.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass das der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde, dies umso mehr, als er bei der Verübung seiner Straftaten (auch) gewerbsmäßig vorgegangen sei. Zu seinen Ungunsten falle ins Gewicht, dass er in seinem am 26. August 1999 - sohin nach Rechtskraft des genannten Urteils - gestellten Antrag auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung ausdrücklich angegeben habe, bisher nicht strafrechtlich verurteilt worden zu sein. Durch diese wahrheitswidrige Angabe habe er die Aufenthaltsbehörde über das Vorliegen eines wesentlichen Versagungsgrundes getäuscht, sodass ihm in weiterer Folge eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit bis 20. September 2001 erteilt worden sei.

Auf Grund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers seien die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage verheiratet. Familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden jedoch nicht. Er sei als Werbemittelverteiler beschäftigt.

Angesichts seines mehr als 7-jährigen inländischen Aufenthaltes sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Dadurch, dass er die rechtswidrige Ein- bzw. Ausreise von 25 Fremden gefördert und sich solcherart ein (Zusatz-)Einkommen verschafft habe, bringe er seine ausdrückliche Geringschätzung maßgeblicher fremdenrechtlicher Vorschriften zum Ausdruck. Die dadurch bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei von solchem Gewicht, dass sich die vorliegende Maßnahme als dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG als zulässig erweise.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert sei. Dem sei das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung und Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestanden. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Gesamt(fehl)verhalten gegründete öffentliche Interesse an seiner Ausreise und seinem Fernbleiben vom Bundesgebiet. Die gegenständliche Maßnahme erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG sei nicht gegeben gewesen.

Da keine besonderen, zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorgelegen seien, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Sein Vorbringen, er hätte sich seit Verübung seiner Straftaten, sohin seit über zwei Jahren, wohlverhalten, sei jedenfalls nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung zu bewirken. Angesichts der Schwere seiner Straftaten habe dieser erst kurze Zeitraum keinesfalls hinreichen können, die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit als gering oder gar weggefallen ansehen zu können.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine der unbefristete Ausspruch gerechtfertigt. Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne nicht abgesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, das vorliegend die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG verwirklicht und die im § 36 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt seien. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde hält indes den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig und bringt vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine "Zukunftsprognose" dahingehend vorzunehmen, ob anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer neuerlich straffällig werde. Dies sei von Relevanz dafür, ob die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn dringend geboten sei. Ergäbe diese "Zukunftsprognose" nämlich, dass im Hinblick darauf, dass er bereits den unbedingt verhängten Teil der Freiheitsstrafe von fünf Monaten verbüßt habe, von seiner Läuterung auszugehen sei, wäre die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über ihn nicht mehr dringend notwendig, zumal die öffentlichen Interessen durch diesen Umstand relativiert wären. Im Übrigen habe es sich bei seinem Fehlverhalten um seinen ersten Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung gehandelt und sei davon auszugehen, dass er auf Grund des erlittenen Haftübels und des damit verbundenen Abschreckungseffektes nicht mehr straffällig werde. Darüber hinaus liege das seiner Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten (vom Dezember 1996 bis September 1997) zweieinhalb Jahre zurück und habe er sich seither wohlverhalten. Auch könne bei der Anwendung des § 37 FrG entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine Beeinträchtigung der Integration des Beschwerdeführers in Österreich durch seine Straffälligkeit angenommen werden. Dieser sei im Bundesgebiet seit über sieben Jahren aufhältig und beruflich zur Gänze integriert, sodass die belangte Behörde bei richtiger Gewichtung der privaten und öffentlichen Interessen zur Auffassung hätte gelangen müssen, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes unzulässig sei.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den mehr als 7-jährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und die daraus ableitbare Integration zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Wenn sie trotzdem die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG bejaht hat, so ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen. Zu Recht hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, besteht doch ein besonders großes öffentliches Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0347, mwN) und kommt gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0272, mwN). Diese Maßnahme erscheint umso mehr geboten, als der Beschwerdeführer - unbestrittenermaßen - nur wenige Monate nach seiner Verurteilung die Aufenthaltsbehörde durch die wahrheitswidrige Angabe in seinem Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung, dass er bisher nicht strafrechtlich verurteilt worden sei, über das Vorliegen eines wesentlichen Versagungsgrundes getäuscht hat. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass dem Beschwerdeführer (auch) die gewerbsmäßige Begehung von Schlepperei, somit das Handeln in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), zur Last liegt und sich das strafbare Verhalten über einen längeren Zeitraum (rund neun Monate) erstreckt hat. Mit dem Beschwerdevorbringen, dass er den unbedingt verhängten Teil der Freiheitsstrafe verbüßt habe, dadurch geläutert sei und seit September 1997 nicht mehr gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen habe, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, liegt doch das für seine Verurteilung ausschlaggebende Fehlverhalten, das er unbestrittenermaßen von Dezember 1996 bis September 1997 gesetzt hat, noch nicht so lange zurück, um auf Grund des verstrichenen Zeitraums eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die besagten öffentlichen Interessen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides annehmen zu können.

Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich. Die aus dem mehr als 7-jährigen Aufenthalt und der beruflichen Tätigkeit ableitbare Integration des Beschwerdeführers in Österreich hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangene Straftat eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Wenn die Beschwerde meint, dass die belangte Behörde - wie sich aus § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 FrG ableiten lasse - das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers nicht als Grund für eine Minderung seiner privaten Interessen hätte heranziehen dürfen, ist ihr zu entgegnen, dass mit der von der belangten Behörde angenommenen Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente nichts anderes zum Ausdruck gebracht wird, als dass das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers durch seine aus seiner Integration (die neben der Dauer seines Aufenthaltes auch von seinem Verhalten in Österreich abhängt) ableitbaren persönlichen Interessen nicht wesentlich reduziert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0123).

3. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 10. Mai 2000

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