VwGH 2000/16/0227

VwGH2000/16/022711.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der L & Co Ges.m.b.H in W, vertreten durch Dr. Ilse Heimerl-Wagner, Rechtsanwältin in Wien VI, Mariahilfer Str. 103/2/DG, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 26. März 1999, MD-VfR-L 19/98, betreffend Haftung für Getränkesteuer Jänner 1995 bis Dezember 1996, zu Recht erkannt:

Normen

31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §248;
EURallg;
LAO Wr 1962 §193 Abs3;
VwRallg;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §248;
EURallg;
LAO Wr 1962 §193 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz des Magistrates der Stadt Wien vom 29. April 1998 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass für den von ihr an die K. GmbH verpachteten Betrieb in Wien V, Margaretenstraße 97 eine Getränkesteuerschuld für Jänner 1996 bis Dezember 1996 in Höhe von S 200.565,50 und für den ebenfalls an die K GmbH verpachteten Betrieb in Wien XXIII, Draschestraße 61, eine Getränkeschuld für Jänner 1995 bis Dezember 1996 in Höhe von S 79.524,20 aushafteten. Für diese Abgabenschuldigkeiten hafte die Beschwerdeführerin als Verpächterin.

In einer Eingabe vom 18. Mai 1998 wurde von der Beschwerdeführerin bestritten, dass Getränkesteuer "im behaupteten Ausmaß" überhaupt angefallen sei. Außerdem wurden Einwendungen gegen die Heranziehung zur Haftung in dem von der Behörde in Aussicht genommenen Ausmaß erhoben.

Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 wurde die Beschwerdeführerin als Verpächterin zur Haftung für die Getränkesteuerschuldigkeiten der K. GmbH im oben angeführten Umfang herangezogen.

Gegen den Haftungsbescheid wurde Berufung erhoben. In einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz vom 30. Juli 1998 wurde die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuer geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Juni 1999, B 868/99, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Nach dem Inhalt des die Beschwerde ergänzenden Schriftsatzes der Beschwerdeführerin erachtet sie sich vor dem Verwaltungsgerichtshof in ihrem Recht verletzt, nicht zur Haftung für die Getränkesteuerschuldigkeiten der K GmbH herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuer geltend.

Wer zur Berufung gegen einen Haftungsbescheid (§ 171 WAO) befugt ist, kann nach § 193 Abs. 1 WAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenbescheid (§ 146 WAO) berufen, wenn ein solcher bereits ergangen ist oder die Abgabe erstmals durch den Haftungsbescheid festgesetzt wurde.

Wurde die Abgabe durch Selbstbemessung (§§ 149 und 150 WAO) festgesetzt, so steht gemäß § 193 Abs. 3 WAO auch dann, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, dem zur Berufung gegen den Haftungsbescheid Befugten noch innerhalb der Berufungsfrist das Recht zur Berichtigung der Abgabenerklärung zu. Durch eine solche Berichtigungserklärung wird die Verjährung neu in Lauf gesetzt.

§ 191 Abs. 2 und 4 WAO gilt sinngemäß.

Ist ein Abgabenbescheid dem Abgabenschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss aber sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Um den Rechtsschutzgedanken des § 193 Abs. 3 WAO voll wirksam Rechnung zu tragen, muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar zu § 248 BAO, 2553 und 2554).

Wenn der Gesetzgeber normiert, der Haftungspflichtige habe im Fall der Selbstbemessungsabgabe das Recht zur Berichtigung der Abgabenerklärung, dann ist ihm auch in der Weise Kenntnis von den Abgabenerklärungen, den Revisionsberichten und den erforderlichen Unterlagen zu verschaffen, um ihn in die Position des damaligen Steuerschuldners zu versetzen und ihm die Möglichkeit der Berichtigung der vom damaligen Steuerschuldner abgegebenen Abgabenerklärung zu geben. Ist er auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht in der Lage eine solche Berichtigung vorzunehmen, dann kann ihm nicht mit Recht der Vorwurf der Unterlassung einer solchen Berichtigung gemacht werden (vgl die hg Erkenntnisse vom 25. Mai 2000, Zl. 2000/16/0238, und vom 19. Juni 2000, Zl 2000/16/0199). Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin überdies noch vor der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides Zweifel an der Richtigkeit der Abgabenschuldigkeit vorgebracht, ohne dass sich die Abgabenbehörden damit auseinandergesetzt haben. Die Behörde wäre daher verhalten gewesen, der Beschwerdeführerin alle für die Berichtigung erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Da dies in Verkennung der Rechtslage nicht erfolgte, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Bereits im Verwaltungsverfahren, aber auch in der am 18. August 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerdeergänzung wurde die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuervorschreibung geltend gemacht. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2000, Rechtssache C-437/97 , kann sich niemand auf Artikel 3 abs. 2 der Richtlinie 92/12 berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt. Wird der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde die Rechtsposition eingeräumt, eine Berichtigungserklärung nach § 193 Abs. 3 WAO abgeben zu können, dann erachtet der Gerichtshof die Voraussetzungen eines von der Beschwerdeführerin vor dem 9. März 2000 eingelegten Rechtsbehelfs als gegeben.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juli 2000

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