VwGH 2000/11/0210

VwGH2000/11/02104.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch

Dax - Klepeisz - Kröpfl - Klimburg, Rechtsanwaltspartnerschaft, 7000 Eisenstadt, Techno-Park, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 21. Juni 2000, Zl. 5-V-A3851/1-2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §7;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen B und F wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von fünfzehn Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 29. Februar 2000, entzogen. Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 3 und 8 FSG verpflichtet, sich einer Nachschulung zu unterziehen.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, bei der Untersuchung der Atemluft des Beschwerdeführers am 29. Februar 2000 habe der geeichte Alkomat zwei Messergebnisse mit einem Wert von jeweils 0,71 mg/l aufgewiesen. Es liege damit ein gültiges Messergebnis vor. Die Tatsache, dass der Drucker funktionsuntüchtig geworden sei, ändere nichts am Vorliegen eines gültigen Messergebnisses. Es liege somit keine Verweigerung der Atemluftuntersuchung vor. Entgegen der Auffassung der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer allerdings nicht nur einmal ein gleichartiges Delikt begangen, sondern es sei ihm von der Erstbehörde bereits viermal die Lenkberechtigung aufgrund von Alkoholdelikten entzogen worden.

Er habe am 24. Oktober 1986 einen Unfall mit Sachschaden verursacht und anschließend Fahrerflucht begangen sowie den Alkotest verweigert. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1986 sei ihm deshalb die Lenkerberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen worden.

Am 8. Juni 1989 habe er ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Atemalkoholgehalt von 0,5 mg/l aufgewiesen. Deshalb sei ihm mit Bescheid vom 20. Juni 1989 neuerlich die Lenkerberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen worden.

Am 16. Oktober1991 habe er ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Atemalkoholgehalt von 0,87 mg/l aufgewiesen. Deshalb sei ihm mit Bescheid vom 21. Oktober 1991 die Lenkerberechtigung für die Dauer von sieben Monaten entzogen worden.

Am 8. November 1997 habe er ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Atemluftalkoholgehalt von 0,75 mg/l aufgewiesen. Deshalb sei ihm die Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten entzogen worden.

Das am 29. Februar 2000 erfolgte Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem Atemluftalkoholgehalt vom 0,71 mg/l stelle eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 dar. Es liege damit eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG vor. Im Hinblick auf die wiederholte Begehung von Alkoholdelikten trotz vorangegangener Entziehungsmaßnahmen sei eine Entziehungsdauer von fünfzehn Monaten erforderlich. Der Beschwerdeführer sei ein beharrlicher Wiederholungstäter mit einer tief verwurzelten Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr. Diese Delikte gehörten zu den gefährlichsten und verwerflichsten Verkehrsdelikten. Die schon länger zurückliegenden Alkoholdelikte würden nicht als bestimmte Tatsachen gewertet, sondern nur bei der Wertung und Prognoseentscheidung betreffend die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit berücksichtigt. Dies entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines falle nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht, weil der Zeitraum zu kurz sei und in diese Zeit auch das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung falle. Die Anordnung der Nachschulung sei bei einem Alkoholgehalt der Atemluft vom 0,6 mg/l oder mehr zwingend (§ 26 Abs.8 FSG).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass ihm die belangte Behörde nicht bekannt gegeben habe, sie werde - außer der von der Erstbehörde berücksichtigten Vorstrafe - auch den Umstand berücksichtigen, dass ihm bereits viermal die Lenkberechtigung aufgrund von Alkoholdelikten entzogen worden sei. Hätte die belangte Behörde diesbezüglich Parteiengehör gewährt, hätte er vorgebracht, dass drei der angeführten Alkoholdelikte nicht als bestimmte Tatsache und auch sonst nicht zur Beurteilung der Verkehrzuverlässigkeit herangezogen werden dürften. Länger zurückliegende Alkoholdelikte könnten nur zur Untermauerung nicht aber zur Erhöhung der von der Erstbehörde ausgesprochenen Entziehungszeit herangezogen werden. Durch die Verletzung des Parteiengehörs habe ihm die belangte Behörde zudem die Möglichkeit genommen, die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zurückzuziehen, mit dem eine Entziehungszeit von nur sechs Monaten ausgesprochen worden war.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer, der die Richtigkeit der Feststellungen über die von ihm begangenen Alkoholdelikte und die verfügten Entziehungsmaßnahmen nicht bekämpft, keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels auf. Die belangte Behörde hat ohnedies ausdrücklich erwähnt, dass die länger zurückliegenden Alkoholdelikte keine bestimmten Tatsachen darstellten, sodass das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere geht.

Die Berücksichtigung länger zurückliegender (getilgter) Verwaltungsstrafen im Rahmen der Wertung von bestimmten Tatsachen entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0001 und Zl. 97/11/0069). Der Beschwerdefall bietet keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Ein Verbot der "reformatio in peius" (wie im Verwaltungsstrafverfahren zufolge § 51 Abs. 6 VStG) besteht somit im (administrativen) Verwaltungsverfahren nicht, weshalb die belangte Behörde berechtigt war, die Entziehungszeit zum Nachteil des Beschwerdeführers zu erhöhen (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 258 bis 261 zu § 66 AVG zitierte Rechtsprechung). Es besteht keine Verpflichtung der Berufungsbehörde, dem Berufungswerber anzukündigen, dass sie den mit Berufung angefochtenen Bescheid zu seinem Nachteil abzuändern beabsichtige, und ihn zur Zurücknahme der Berufung einzuladen, sodass auch die diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers nicht begründet ist.

Soweit der Beschwerdeführer auch in der Rechtsrüge die Auffassung vertritt, im Rahmen der Wertung (einer bestimmten Tatsache) könnten nur bestimmte Tatsachen, nicht aber andere strafbare Handlungen berücksichtigt werden, genügt es, ihn auf die oben zitierte gegenteilige ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen.

Der Beschwerdeführer meint, selbst bei Berücksichtigung der länger zurückliegenden Alkoholdelikte und Entziehungsmaßnahmen wäre eine Erhöhung der Entziehungszeit allenfalls auf sieben bis neun Monate zulässig gewesen, nicht aber auf fünfzehn Monate.

Auch damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung auf. Die belangte Behörde ist im Hinblick darauf, dass wiederholte Bestrafungen wegen Alkoholdelikten im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen und auf Grund dieser Delikte verfügte Entziehungen der Lenkberechtigung den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten haben, neuerlich ein Alkoholdelikt zu begehen, zutreffend zur Auffassung gelangt, beim Beschwerdeführer handle es sich um einen beharrlichen Wiederholungstäter mit einer tief verwurzelten Neigung zur Begehung derartiger Delikte. Bei dieser Sachlage hat sie Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt, wenn sie ihm die Lenkberechtigung für die Dauer von fünfzehn Monaten entzogen hat (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0102, und vom 27. Juni 2000, Zl. 2000/11/0026).

Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 4. Oktober 2000

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