Spruch:
- 1. Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
- 2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig befunden. Dieser Bescheid wurde - wie sich aus der diesbezüglichen Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag im Zusammenhang mit dem auf der vorgelegten Bescheidausfertigung angebrachten Eingangsstempel ergibt - dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 8. Juni 2000 zugestellt. Die vorliegende Beschwerde wurde nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG, nämlich am 25. Juli 2000, zur Post gegeben. Den zugleich mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet der Beschwerdeführer damit, dass die seit über zehn Jahren als Kanzleileiterin beim Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beschäftigte, sonst immer zuverlässige P.H., die regelmäßig mit der Postübernahme sowie dem Vormerk und der Wahrung von Terminen und Fristen befasst sei, den angefochtenen Bescheid übernommen habe. Unmittelbar nach der Übernahme des Schriftstückes habe P.H. den Ablauf der Beschwerdefrist im Termin- und Fristenbuch der Anwaltskanzlei eingetragen, dabei jedoch unbemerkt eine Seite überblättert und daher den Fristablauf irrtümlich eine Woche später, jedoch vorsorglich zwei Tage vor dem vermeintlichen Fristablauf, nämlich am 25. Juli 2000 eingetragen. Für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe auf Grund der langjährigen einschlägigen Tätigkeit seiner Kanzleileiterin kein Anlass bestanden, die Richtigkeit des Fristvormerks zu kontrollieren, sodass dessen fehlerhafte Eintragung ein für ihn unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dargestellt habe, welches erst am 25. Juli 2000 zu Tage getreten sei.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten ist dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Aufgaben, die ihm gegenüber seinen Klienten erwachsen, auch insoweit erfüllen muss, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muss gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Jänner 1999, Zlen. 98/02/0412, 0413, mit weiteren Nachweisen).
Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hiebei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang gleichfalls wiederholt ausgesprochen hat, darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich auch nicht nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Kommt der Rechtsanwalt im erwähnten Zusammenhang seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. zum Ganzen abermals den bereits zitierten hg. Beschluss vom 26. Jänner 1999 mit weiteren Nachweisen).
Im Beschwerdefall hat der Rechtsanwalt nach den Darlegungen des Antrages die Berechnung der Beschwerdefrist nicht selbst vorgenommen, sondern dies der Kanzleileiterin überlassen. Auch hat er selbst weder auf die richtige Berechnung noch auf die richtige Eintragung des Endes der Beschwerdefrist im konkreten Einzelfall abzielende Maßnahmen gesetzt. Die Berufung auf das "Überblättern" durch die Kanzleiangestellte ist im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht zielführend, weil es nicht darauf ankommt, ob der Kanzleiangestellten ein Verschulden bzw. ein den minderen Grad eines Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung vorzuwerfen ist. Schon aus den Behauptungen des Antrages geht somit hervor, dass im Beschwerdefall der einschreitende Rechtsanwalt die Frist nicht selbst berechnete und überdies kein auf die Überprüfung der Eintragung von richtig ermittelten Fristen gerichtetes (ausreichendes) Kontrollsystem bestand, sodass bei dieser Sachlage nicht davon gesprochen werden kann, dass nur ein Verschulden des Rechtsanwaltes vorlag, das den minderen Grad des Versehens nicht überstiegen hat.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war demnach nicht stattzugeben.
Auf Grund der mit 8. Juni 2000 angegebenen Zustellung des angefochtenen Bescheides endete die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof am 20. Juli 2000. Die gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erst am 25. Juli 2000 zur Post gegebene Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2000
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