VwGH 2000/01/0094

VwGH2000/01/00947.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1.) der ZB in G, geboren am 23. Dezember 1955,

2.) des FB, ebendort, geboren am 9. April 1973, sowie 3.) der BB, ebendort, geboren am 4. September 1974, alle vertreten durch Dr. Georg Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen die Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. September 1999, 1.) Zl. 212.219/0-VI/18/99,

2.) Zl. 212.217/0-VI/18/99, sowie 3.) Zl. 212.218/0-VI/18/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs4;
AsylG 1997 §5 Abs1;
Dubliner Übk 1997 Art11 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs4;
AsylG 1997 §5 Abs1;
Dubliner Übk 1997 Art11 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, der mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheide sowie der vom Verfassungsgerichtshof anlässlich der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof übermittelten Akten steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der "BR Jugoslawien", die am 25. Juni 1999 in das Bundesgebiet eingereist sind, beantragten am selben Tag die Gewährung von Asyl. Sie wurden am 1. Juli 1999 (Erst- und Drittbeschwerdeführerin), sowie am 25. Juni 1999 (Zweitbeschwerdeführer) niederschriftlich einvernommen und gaben dabei an, aus dem Kosovo zu stammen, der albanischen Volksgruppe anzugehören und moslemischen Glaubens zu sein.

Zu ihrer Fluchtroute gaben sie an, sie hätten ihr Heimatdorf Vucitrn gemeinsam auf Grund der politischen Verhältnisse verlassen, als während des Bürgerkrieges ihr Haus von serbischen Milizen niedergebrannt worden sei. Daraufhin seien sie in ein Lager nach Mazedonien geflüchtet.

Nachdem es ihnen zunächst nicht gelungen sei, ein Visum für Österreich zu erlangen, hätten sie am 18. Mai 1999 einen Antrag auf Erteilung von Visa an die Republik Frankreich gestellt. In der französischen Botschaft in Skopje seien ihnen die Visa ausgestellt worden. Sie seien am 18. Juni 1999 mit dem Flugzeug von Skopie nach Paris geflogen und eingereist. Dort seien sie zwar kontrolliert, von der französischen Fremdenpolizei jedoch nicht dahingehend belehrt worden, in Frankreich einen Asylantrag zu stellen. Am selben Tag seien sie mit dem Zug von Paris nach Luxemburg gereist und von dort mit Schleppern über Deutschland nach Österreich gelangt, wo sie am 25. Juni 1999 ohne Passkontrolle die Grenze überschritten hätten und von einem ihnen namentlich nicht bekannten Schlepper direkt vor das Bundesasylamt, Außenstelle Graz, befördert worden seien.

Die Behörde erster Instanz stellte für die Republik Österreich an das französische Innenministerium mit Schreiben vom 8. Juli 1999 das Ersuchen um Übernahme der Beschwerdeführer zwecks Prüfung ihrer Asylanträge im Hinblick auf die Zuständigkeit Frankreichs nach Art. 5 oder Art. 6 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages, BGBl. III Nr. 165/1997 - DÜ, auf welches Schreiben hin sich Frankreich bereit erklärte, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen und ihre Asylanträge zu prüfen.

Die Behörde erster Instanz wies daraufhin die Asylanträge der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (i.d.F. BGBl. I Nr. 4/1999) - AsylG -, als unzulässig zurück, weil Frankreich gemäß Art. 5 DÜ zur Prüfung der Asylanträge der Beschwerdeführer zuständig sei. Die Beschwerdeführer wurden aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, sie seien als Flüchtlinge in das Bundesgebiet eingereist und hätten in keinem anderen Land Schutz vor Verfolgung finden können, weshalb die Zurückweisung ihrer Asylanträge nicht gerechtfertigt sei. Außerdem hielten sich die beiden Töchter der Erstbeschwerdeführerin (= Schwestern des Zweitbeschwerdeführers) legal in Österreich auf, weshalb Österreich ihre Asylanträge überprüfen solle.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen ab. Sie schloss sich vollinhaltlich den von der erstinstanzlichen Behörde in den Begründungen ihrer Bescheide wiedergegebenen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sowie der darauf gestützten Beurteilung der Rechtsfrage an. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 6. März 2000, B 1630-1632/99-12) verbesserte Beschwerde, in welcher jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Familiennachzug verletzt, weil sich die beiden Töchter der Erstbeschwerdeführerin bzw. Schwestern des Zweitbeschwerdeführers bereits seit längerer Zeit in Österreich aufhalten. Dieser Umstand sei im bisherigen Verfahren nicht beachtet worden, sodass auch diesbezügliche Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden fehlten. Dazu käme, dass die Drittbeschwerdeführerin am 3. Dezember 1999 einen ehelichen Sohn zur Welt gebracht habe, sodass nach § 4 Abs. 4 AsylG der Schutz in einem sicheren Drittstaat unbeachtlich sei, da davon auszugehen sei, dass ihrem Sohn in Österreich Asyl gewährt werde. Auch habe die belangte Behörde bei Vollziehung des § 5 Abs. 1 AsylG die durch Art. 8 EMRK gebotene Interessenabwägung unterlassen. Dass nach dem DÜ ein anderer Mitgliedstaat der EG zur Prüfung des Asylantrages zuständig sei, könne dann nicht gelten, wenn dadurch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt werde. Es habe sohin die belangte Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt. Da bereits ein Teil ihrer Familie in Österreich verwurzelt sei, würde eine Ausweisung ihr bestehendes Familienband zerstören. Weiters erachten sie sich in ihrem Recht gemäß Art. 14 EMRK verletzt, da die angefochtenen Bescheide "zu einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen von Fremden, die bereits in Österreich Familienangehörige haben, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist", führe. Es verstoße gegen Art. 14 EMRK, wenn nicht vergleichbare Fälle ohne objektiven oder angemessenen Rechtfertigungsgrund einer gleichen Maßnahme oder Regelung unterworfen werden. Auch aus diesem Grund sei das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt worden, weil ohne sachliche Rechtfertigung auf das Familienleben nicht eingegangen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 4 Abs. 1 AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn der Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann.

Gemäß § 4 Abs. 4 AsylG ist der Schutz in einem sicheren Drittstaat unbeachtlich, wenn 1. die Asylwerber EWR-Bürger sind oder 2. den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde oder 3. den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde.

§ 5 Abs. 1 AsylG lautet:

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden."

Die Beschwerdeführer ziehen nicht in Zweifel, dass das DÜ ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages und Frankreich Vertragspartei dieses Abkommens ist.

Die Beschwerdeführer bestreiten auch nicht, dass Österreich im Sinne des Art. 11 Abs. 1 DÜ innerhalb der Frist von sechs Monaten nach der Einreichung des Asylantrages Frankreich ersucht hat, die Beschwerdeführer aufzunehmen, und Frankreich sich bereit erklärte, sie einreisen zu lassen und ihre Asylanträge zu prüfen.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist zum Thema, ob und welche subjektiven öffentlichen Rechte aus § 5 Asylgesetz bzw. aus dem DÜ entstehen, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0419.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend § 4 Abs. 4 AsylG 1997 ist zu entgegnen, dass die Asylantragstellung betreffend den am 3. Dezember 1999 geborenen Sohn der Drittbeschwerdeführerin schon allein auf Grund des Umstandes, dass damit nicht bereits "in Österreich Asyl gewährt wurde", die Rechtsfolgen des § 4 Abs. 4 AsylG nicht auszulösen vermag. Es erübrigt sich damit ein weiteres Eingehen auf die von den Beschwerdeführern dazu angestellten Überlegungen.

Insoweit die Beschwerdeführer auf Art. 8 EMRK und die dort vorgesehene Interessenabwägung sowie auf Art. 14 EMRK verweisen, ist darauf hinzuweisen, dass diese behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist; das Vorbringen zu Art. 8 EMRK war überdies schon Gegenstand der ursprünglichen, an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem abgetretenen Beschwerde. Da der Zweck der Genfer Flüchtlingskonvention, auf deren wesentlichen Bestimmungen das Asylverfahren aufbaut, sowie des zu seiner Umsetzung geschlossenen DÜ der Schutz vor Verfolgung im ersten sicheren Staat ist, den ein Flüchtling erreichte, nicht jedoch die Familienzusammenführung bzw. die sich daraus pro futuro ergebende Verwurzelung im Familienverband mit sich bereits im Lande befindlichen Familienangehörigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424) und auch eine Verletzung des Art. 14 EMRK auf Grund der von den Beschwerdeführern vorgebrachten Argumente nicht zu erkennen ist, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, den gegenständlichen Fall (neuerlich) dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der einfachgesetzlichen Bestimmungen, die hier anzuwenden sind, vorzulegen (vgl. hiezu auch den in den gegenständlichen Fällen ergangenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 2000, Zlen. B 1630-1632/99-12).

Insofern die Beschwerdeführer eine Verletzung "in § 7 AsylG" rügen, übersehen sie, dass eine materielle Prüfung der Asylanträge nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide war.

Steht - wie im gegenständlichen Fall - die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages durch Frankreich fest (hier unbestrittenermaßen nach Art. 5 DÜ), ist die Zurückweisung der Asylanträge gemäß § 5 Abs. 1 AsylG berechtigt.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt somit erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt; die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. September 2000

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