VwGH 99/18/0288

VwGH99/18/028817.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der M R, geboren am 1. Juli 1956, vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Hilschergasse 25/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Juni 1999, Zl. SD 410/99, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Juni 1999 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 1996 gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2, Z. 6 und Z. 7 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 (im Folgenden: FrG 1992), über sie verhängten Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und habe im Jänner 1992 einen Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes gestellt. Diesen Antrag habe sie damit begründet, dass sie in einem namentlich genannten Espresso in Wien als Sängerin mit einen Lohn von S 8.000,-- monatlich beschäftigt sei. Daraufhin habe sie einen Sichtvermerk bis Jänner 1993 erhalten. Nur wenige Zeit später habe sich herausgestellt, dass das von der Beschwerdeführerin behauptete Beschäftigungsverhältnis nie bestanden habe und die Beschwerdeführerin unrichtige Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse gemacht habe, um sich einen Sichtvermerk zu verschaffen. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes im Jänner 1993 sei die Beschwerdeführerin illegal und unangemeldet in Österreich verblieben. Sie sei zweimal wegen unberechtigten Aufenthaltes und zweimal wegen Übertretung des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden. Die Mittel für ihren Unterhalt habe sie nicht nachweisen können, zumal die Einkünfte aus dem illegalen Betrieb eines Lokales dabei nicht hätten berücksichtigt werden können. Bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Grund der §§ 19 und 20 FrG 1992 darauf Bedacht genommen worden, dass die volljährige, verheiratete Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich lebe. Zur Ehe der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger sei festgehalten worden, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Gatten, der eine Lebensgemeinschaft mit einer anderen Frau unterhalte, nicht zusammenlebe.

Den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen damit begründet, dass ihre Verfehlungen in Österreich nicht schwer wögen und sie nach drei Jahren ein Interesse daran habe, nach Österreich einzureisen, um ihre Tochter zu besuchen und "Firmenangelegenheiten zu ordnen". Es seien jedoch weder die Voraussetzungen gemäß § 44 FrG noch jene gemäß § 114 Abs. 3 leg. cit. für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gegeben. Das Aufenthaltsverbot hätte auch nach der neuen Rechtslage erlassen werden können.

Nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei die Beschwerdeführerin am 4. Juni 1996 wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, des schweren Betruges und der Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr (davon drei Monate unbedingt) rechtskräftig verurteilt worden. Sie habe einen verfälschten Reisepass - die Gültigkeitsdauer des darin eingetragenen Sichtvermerkes sei von "08.01.1993" auf "08.01.1998" verändert worden - im Rechtsverkehr gebraucht sowie einen schweren Betrug und eine Veruntreuung begangen. Hiezu komme noch, dass die Beschwerdeführerin trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes immer wieder nach Österreich zurückgekehrt und hier unangemeldet aufhältig gewesen sei. Nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe sie das Bundesgebiet nicht verlassen. Am 23. August 1996 sei sie wegen Übertretung des Fremdengesetzes und Meldegesetzes zur Anzeige gebracht worden. Nach Verhängung der Schubhaft sei sie am 23. September 1996 in ihre Heimat abgeschoben worden. Bereits am 21. September 1997 sei sie neuerlich wegen unerlaubter Einreise trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes und Übertretung des Meldegesetzes festgenommen und rechtskräftig bestraft worden. Am 25. September 1997 sei sie neuerlich abgeschoben worden. Zuletzt sei die Beschwerdeführerin am 30. März 1998 in Wien angehalten und festgenommen worden. Nach rechtskräftiger Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes und des Meldegesetzes sei sie am 4. April 1998 abermals in ihre Heimat abgeschoben worden.

Durch dieses Verhalten habe sie augenfällig und beharrlich dokumentiert, nicht in der Lage oder nicht gewillt zu sein, die fremdenrechtlichen Bestimmungen Österreichs zu beachten. Eine positive Prognose könne daher keinesfalls erstellt werden.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG habe sich das Gewicht der für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen durch das neuerliche Fehlverhalten der Beschwerdeführerin noch deutlich erhöht, wogegen die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Bindung zu ihrer Tochter keine Veränderung erfahren habe. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die erwachsene Tochter der Beschwerdeführerin diese nicht im Ausland besuchen könne. Angesichts des Umstandes, dass das Aufenthaltsverbot auch auf § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG 1992 gestützt gewesen sei, sei auch aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Verpflichtungserklärung für einen "Besuch" in der Dauer von 1999 bis 2004 nichts Entscheidendes zu gewinnen. Das vor und nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes gesetzte Fehlverhalten der Beschwerdeführerin habe die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen lassen, dass das Aufenthaltsverbot auch bei Anwendung der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG hätte erlassen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0426, mwN).

Für - auf das FrG 1992 gegründete - Aufenthaltsverbote, die, wie das vorliegende, vor dem Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 FrG Folgendes:

"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit der selben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - vom Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."

2. Die von der Beschwerdeführerin nicht bekämpfte Rechtsansicht, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 hätte erlassen werden können, begegnet keinen Bedenken.

Dass infolge der §§ 49 Abs. 1 iVm 47 Abs. 3 FrG ein Aufenthaltsverbot gegen Ehegatten von Österreichern gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. nur zulässig ist, wenn aufgrund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, hätte das (auch) auf die mit § 36 Abs. 2 Z. 6 und Z. 7 FrG übereinstimmenden Bestimmungen des § 18 Abs. 2 Z. 6 und Z. 7 FrG 1992 gestützte Aufenthaltsverbot nicht unzulässig gemacht, weil die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung sind, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 99/18/0326). Darauf, ob die von der Beschwerdeführerin (vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes) begangenen Übertretungen des Fremdengesetzes 1992 und des Meldegesetzes den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllten, braucht nicht eingegangen zu werden, weil das diesen Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten von der belangten Behörde jedenfalls im Rahmen der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG zu berücksichtigen gewesen wäre.

Mangels aktenkundiger oder vorgebrachter besonderer - für den Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet

sprechender - Umstände kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde - bei fiktiver Geltung des Fremdengesetzes 1997 im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. (anders als nach dem FrG 1992) eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.

3.1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann auch keine Rede davon sein, dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu ihren Gunsten geändert hätten. Unstrittig hat die Beschwerdeführerin einen Sichtvermerk verfälscht und im Rechtsverkehr verwendet sowie einen schweren Betrug und eine Hehlerei begangen, wofür sie zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden ist. Sie ist ungeachtet des Aufenthaltsverbotes nicht freiwillig ausgereist, sondern musste abgeschoben werden. Aufgrund späterer illegaler Einreisen und Aufenthalte musste sie noch zwei weitere Male abgeschoben werden. Darüberhinaus wurde sie auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes mehrmals wegen Übertretung des Fremdengesetzes und des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft. Durch dieses Fehlverhalten hat die Beschwerdeführerin deutlich unter Beweis gestellt, dass ihr Aufenthalt nach wie vor eine massive Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen, insbesondere des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Bestimmungen, darstellt. Da demgegenüber eine allfällige Verschiebung der Interessenlage zu Gunsten der Beschwerdeführerin durch die vorgelegte Verpflichtungserklärung ihres Gatten jedenfalls in den Hintergrund zu treten hätte, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob diese Erklärung geeignet ist, ausreichende Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin nachzuweisen.

3.2. Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, aufgrund des Aufenthaltsverbotes daran gehindert zu sein, mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Kontakt zu treten, ist ihr zu entgegnen, dass insoweit keine Änderung seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten ist. Abgesehen davon hat sie unstrittig bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mit ihrem Mann zusammengelebt. Hinzugefügt sei, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin weder im Aufenthaltsverbots-Bescheid noch im angefochtenen Bescheid vorgeworfen hat, ihre Ehe sei "ungültig".

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde im Rahmen der ihr auch bei der Beurteilung nach § 44 FrG zukommenden Ermessensentscheidung (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0426) das Aufenthaltsverbot hätte aufheben müssen.

4. Da die belangte Behörde demnach zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 hätte erlassen werden können und die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, nicht weggefallen sind, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass sie das Aufenthaltsverbot weder nach § 114 Abs. 3 FrG noch nach § 44 leg. cit. aufgehoben hat.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Februar 2000

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