VwGH 99/18/0075

VwGH99/18/007531.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des U K, (geboren 2.3.1967), in Wien, vertreten durch

Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Jänner 1999, Zl. SD 1084/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 16. Mai 1991 zunächst illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, welcher rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe seinen Aufenthalt legalisiert und habe Sichtvermerke bzw. Aufenthaltsbewilligungen mit Gültigkeit bis 22. Februar 1997 erteilt erhalten. Ein Verlängerungsantrag sei mit Bescheid vom 16. Jänner 1998 von der Aufenthaltsbehörde rechtskräftig zurückgewiesen worden. Seit Rechtskraft dieses Bescheides sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unrechtmäßig, sodass die Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 37 Abs. 1 FrG - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden nicht. Auf Grund der Dauer des inländischen Aufenthalts sei jedoch von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei jedoch seit etwa elf Monaten unrechtmäßig. Darüber hinaus sei er weder polizeilich gemeldet, noch sozialversichert. Es sei auch kein Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels anhängig, woraus ein Bemühen des Beschwerdeführers um Legalisierung seines Aufenthaltes ableitbar wäre. Diese solcherart bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen Privatinteressen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten gewesen seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es würde dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder auf diese Weise den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Hinsichtlich des Berufungsvorbringens, wonach der Beschwerdeführer bereits gemäß § 35 Abs. 1 FrG aufenthaltsverfestigt sei, sei auszuführen, dass die Bestimmungen des § 35 leg. cit. im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen könnten, da der Aufenthalt des Beschwerdeführers unrechtmäßig sei und er über keine Niederlassungsbewilligung verfüge. Darüber hinaus sei die Begründung der Ausweisung aber in diesem unrechtmäßigen Aufenthalt und nicht im mangelnden Sozialversicherungsschutz gelegen. Dass der Beschwerdeführer über keine Krankenversicherung verfüge, sei lediglich eine festgestellte Tatsache zur Darstellung der Gesamtumstände im Beschwerdefall. Gleiches gelte für den Verstoß des Beschwerdeführers gegen melderechtliche Vorschriften.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich seien höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise, ist - im Ergebnis - zielführend.

2. Im angefochtenen Bescheid wird zutreffend die Auffassung vertreten, dass den die Einreise und den Aufenthalt vor Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgen durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die belangte Behörde hat aber im vorliegenden Fall den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Der Beschwerdeführer ist unbestritten am 16. Mai 1991 nach Österreich eingereist. Nach Ausweis des Verwaltungsaktes wurde die gegen ihn von der Bezirkshauptmannschaft Baden im Bescheid vom 21. Mai 1991 erlassene Ausweisung mit Bescheid vom 16. Juni 1993 behoben, weiters wurden dem Beschwerdeführer ein Sichtvermerk vom 30. Juni 1993 bis 20. Dezember 1993 und daran anschließend Aufenthaltsbewilligungen bis 22. Februar 1997 erteilt. Der Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 16. Jänner 1998, mit dem der am 21. Februar 1997 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zurückgewiesen wurde, wurde nach Ausweis des Verwaltungsaktes am 4. Februar 1998 beim zuständigen Postamt hinterlegt und ab diesem Tag zur Abholung bereitgehalten. Unter Bedachtnahme auf § 6 Abs. 3 AufG, wonach dann, wenn - wie vorliegend - über einen vor Ablauf der Geltungsdauer einer Aufenthaltsbewilligung gestellten Verlängerungsantrag nicht vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden wird, der Fremde bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der ersten Instanz zum weiteren Aufenthalt berechtigt ist, hat sich der Beschwerdeführer vier Jahre und acht Monate und damit über etwa zwei Drittel seines gesamten Aufenthalts in der Dauer von etwa sieben Jahren und sechs Monaten rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer Österreich nach der Erlassung des besagten, am 4. Februar 1998 zugestellten Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 16. Jänner 1998 (für einen längeren Zeitraum) verlassen hätte. Gemessen an der Gesamtdauer seines Aufenthaltes von siebeneinhalb Jahren stellt der unrechtmäßige Aufenthalt von lediglich etwa einem Jahr - vom 4. Februar 1998 bis zur Zustellung des angefochtenen Bescheides am 21. Jänner 1999 (Blatt 169 der vorgelegten Verwaltungsakten) - keine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, dass deshalb die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet (jedenfalls) nicht höher zu bewerten seien als das für seine Ausweisung sprechende maßgebliche öffentliche Interesse. Weiters fällt der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers vor der Aufhebung der (im Jahr 1991) gegen ihn erlassenen Ausweisung im Juni 1993 zu seinen Ungunsten deswegen nicht ins Gewicht, weil ihm im Anschluss daran - wie schon erwähnt - Aufenthaltsberechtigungen erteilt wurden. Dass die Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht zur Erreichung eines anderen der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, hat die Behörde im angefochtenen Bescheid im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 35 FrG ausdrücklich klargestellt.

Die belangte Behörde hat demnach in Anbetracht der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation § 37 Abs. 1 FrG unrichtig angewendet und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen sowie auf die Frage, ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG gegeben sind, näher einzugehen.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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