VwGH 99/16/0217

VwGH99/16/021725.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Münzgasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 1. Juni 1999, Zl. AO 730/2-4/99, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303 Abs1 litb;
FinStrG §165 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litb;
FinStrG §165 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 1999 wies die belangte Behörde die Anträge des Beschwerdeführers vom 9. Juli und 19. Oktober 1998 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 12. September 1997 rechtskräftig abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens ab und den Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Jänner 1999 auf Wiederaufnahme dieses Finanzstrafverfahrens zurück. Mit dem Erkenntnis vom 12. September 1997 war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, anlässlich seiner Einreise aus Liechtenstein im Herbst 1992 1.138 Stück eingangsabgabepflichtige Goldbarren und eingangsabgabepflichtige Heilmittel vorsätzlich dem Zollverfahren entzogen zu haben. Über den Beschwerdeführer wurde wegen Begehung des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG eine Geldstrafe von S 45.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 27 Tage) und ein Wertersatz von S 234.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) festgesetzt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 9. Juli 1998 habe der Beschwerdeführer erstmals ein fachärztliches Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Günther Vogel, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 4. Juli 1998 vorgelegt, in welchem dem Beschwerdeführer bescheinigt werde, unter "Schizophrenie-paranoider Typus 295.3x" zu leiden. Auf Grund der zweimaligen Untersuchung habe der Sachverständige festgestellt, dass bei dem Beschwerdeführer eine schizophrene Entwicklung im Jahre 1985 begonnen habe. Demnach sei der völlige Mangel an Krankheitseinsicht, die Kritiklosigkeit zu sozialdeviantem bzw. kriminellem Verhalten kennzeichnend und charakteristisch, wobei Unterscheidungs- und Entschlussfähigkeit in Ansehung der begangenen Straftaten fehlten. Psychiatrisch habe Dr. Vogel eine schwere seelische Störung konstatiert. Aus dem Gutachten des Dr. Vogel ergebe sich, dass der Beschwerdeführer bereits im September 1995 untersucht worden sei. Demnach habe der Beschwerdeführer nachweislich bereits im ordentlichen Finanzstrafverfahren die Möglichkeit gehabt, auf die durchgeführte Untersuchung durch den Sachverständigen und deren Ergebnis hinzuweisen und die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erwirken. Der Beschwerdeführer habe im Finanzstrafverfahren nur ein Attest des Dr. Hans Jörg Molderings vom 23. Oktober 1995 vorgelegt, aus welchem sich ergebe, dass der Beschwerdeführer wegen einer schizoaffektiven Störung nicht arbeitsfähig sei. Daraus habe sich jedoch nicht ableiten lassen, dass er im Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe zwar im ordentlichen Verfahren im Zuge seiner Selbstanzeige vom 19. März 1993 darauf hingewiesen, ein "black out" gehabt zu haben. Er habe jedoch kein fachärztliches Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorgelegt, obwohl dies möglich gewesen wäre. Wenn sich der Beschwerdeführer weder im Zuge des Finanzstrafverfahrens erster Instanz noch im Zuge des Rechtsmittelverfahrens der Vorlage des Gutachtens von Dr. Vogel bedient habe, könne dieses Versäumnis nicht im Wege des Wiederaufnahmeantrages nachgeholt werden. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich gewesen, auf seine Untersuchung durch Dr. Vogel im Jahre 1995 hinzuweisen und die Vorlage eines Sachverständigengutachtens im ordentlichen Verfahren zu beantragen.

Hinsichtlich des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 19. Oktober 1998 , dem das Erkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen (Senat IX) vom 16. Oktober 1998, angeschlossen war, sei festzuhalten, dass die Vorlage dieses Erkenntnisses keinen Wiederaufnahmegrund darstelle, weil es sich dabei nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache oder ein neu hervorgekommenes Beweismittel handle, sondern um eine neu, d. h. nach Abschluss des Strafverfahrens, entstandene Tatsache. Eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel liege dann vor, wenn diese Tatsache oder dieses Beweismittel im Verfahren bereits existent, der Partei jedoch unbekannt geblieben sei. Beweismittel, die nach rechtskräftiger Beendigung des Finanzstrafverfahrens entstünden, führten nicht zur Wiederaufnahme. In dem dem Wiederaufnahmsantrag ebenfalls angeschlossenen Gutachten des Sachverständigen Dr. Max Neumann vom 10. August 1998 werde die Diagnose erstellt, der Beschwerdeführer leide unter "Schizophrenie, paranoider-Typ". Demnach sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Ereignisse sei ab Beginn der 90iger Jahre - krankheitsbedingt - eine nicht mehr ausreichend vorhandene Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben. Dr. Neumann habe weiters ausgeführt, eine rückwirkende Zuordnung, ab wann von einer eingeschränkten Dispositions- und Diskretionsfähigkeit auszugehen sei, erweise sich naturgemäß sehr schwierig.

Im ordentlichen Finanzstrafverfahren hätten in keinem Zeitpunkt Zweifel an der zum Tatzeitpunkt gegebenen Zurechnungsfähigkeit bestanden. Auf Grund der zeitnahen Bestätigung der Zurechnungsfähigkeit durch die ausgesprochene rechtskräftige Verurteilung wegen Amtsmissbrauches gemäß § 302 StGB sei nach Ansicht der Finanzstrafbehörde II. Instanz auch nicht damit zu rechnen gewesen, dass durch dieses Gutachten eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt worden wäre.

Gemäß § 165 Abs. 4 FinStrG müsse der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat von dem Zeitpunkt an gestellt werden, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund nachweislich Kenntnis erlangt habe. Dem neuerlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 25. Jänner 1999 seien das fachärztliche Gutachten des Dr. Günther Vogel vom 4. Juli 1998, das fachärztliche Gutachten des Dr. Max Neumann vom 19. August 1998 und das Erkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 16. Oktober 1998 beigelegt. Auf Grundlage dieser Gutachten und der zitierten Entscheidung habe der Wiederaufnahmswerber wiederum die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens begehrt. Der Beschwerdeführer habe bereits im Oktober 1998 nachweislich Kenntnis vom Vorliegen dieser Urkunden gehabt, die Frist von einem Monat zur Einbringung eines Wiederaufnahmeantrages sei daher versäumt und der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vom 12. September 1997 daher zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in folgenden Rechten verletzt:

"1/1 Ein ordnungsgemäß und vollständig durchgeführtes

Verfahren vor dem gesetzlichen Richter,

1/2 unter völliger Ausschaltung und Hintanhaltung jeglichen

willkürlichen Verhaltens der bel. Behörde und aller fiskalischen, rechts- und tatsachenwidrigen Benachteiligungsversuche infolge deutlichen Mangels an Fachwissen und gehäuften Verkennens der Sach- und Rechtslage in deutlichem Widerspruche zu den von der bel. Behörde zu befolgenden Rechtsvorschriften. Dieser Mangel an Wissen besteht auf dem außerhalb des engeren Aufgabenbereiches des Sachbearbeiters liegenden Wissensgebiete der Neurologie, Psychiatrie, Psychologie und Sachverständigentätigkeit.

1/3 Sorgfältige Durchführung der ausreichenden Ermittlungstätigkeit zur zweifelsfreien Feststellung von Amtswegen der alles entscheidenden Schuld- und Zurechnungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt durch beantragte Sachverständigenbeiziehung, Zulassung und Würdigung der vorgelegten Beweisurkunden mit z.T. gehobener Beweiskraft (Beil. 3-13) und der Wiederaufnahmeanträge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben.

1/4 Einhaltung eines ordnungsgemässen und vollständig durchgeführten Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere endlich durch Abgehen und künftiges Unterlassen, ständig berechtigte Parteivorbringen zu ignorieren, die gestellten Wiederaufnahmeanträge zu bewilligen und die aktenkundigen Beweiskurkunden durch Sachverständigenbeiziehung als Grundlage der Rechtsentscheidung zuzulassen.

1/5 Gewährleistung, daß durch leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten (Beilagen 3-13) die tatsächlich nachgewiesene Zurechnungs unfähigkeit zum Tatzeitpunkt fälschlicherweise gegenteilig dargestellt werden darf durch das bisherige völlige Ausserachtlassen des konkreten Sachverhaltes der geistigen Krankheit und der Schuldausschliessungsgründe gem. § 7 FinstrG.

2 Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG). 3 Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz

(Art. 7 B-VG) durch Schutz vor Behördenwillkür und deren willkürliche Weigerung, Sachverständigenbeweise und -beiziehung zuzulassen und Wiederaufnahmeanträge zu bewilligen. Die bel. Behörde hat anzuerkennen, dass ihr im offenen Verfahren aufgrund der aktenkundig gewesenen Beweisurkunden (Beilage 3-13) Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten hätten aufkommen müssen, welche sie rechtzeitig durch Sachverständigenbeiziehung beseitigen hätte können und müssen, so daß urkundlich die schwere Krankheit gem. § 7 FinStrG bereits im offenen Verfahren erwiesen worden wäre, die zum Tatzeitpunkt nichteinmal dem Patienten bekannt gewesen ist. Durch dieses schuldhaft unterlassene Ermittlungsverfahren erachte ich mich in meinen Rechten beschwert, bereits im offenen Verfahren dessen Beendigung mit Freispruch erhalten zu haben."

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der umfangreich gehaltenen Beschwerdeschrift bekämpft der Beschwerdeführer die Ab- bzw. Zurückweisung der Wiederaufnahmeanträge.

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich ergänzend zu den Feststellungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides:

Nach der Begründung des Bescheides des Bundesministers für Finanzen vom 20. August 1997, GZ. 11 1720/196-I/11/96, mit dem der Beschwerdeführer von Amts wegen in den Ruhestand versetzt wurde, hat der Gutachter Dr. Günther Vogel auf Grund der Untersuchung am 21. September 1995 zum aktuellen Beschwerdebild einen Befund erstellt (der in dieser Entscheidung wiedergegeben wird) und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet. Der Facharzt kam zu folgender Diagnose: "Schizoaffektive Störung nach DSM-III-R" und zu folgender zusammenfassenden Beurteilung:

"Die bei dem (Beschwerdeführer) vorliegenden Symptome entsprechen sowohl einer immer wieder kehrenden manischen Verstimmung mit deviantem Sozialverhalten, darüberhinaus jedoch deutliche Symptome der Beziehungs- und Beeinträchtigungsstörungen im Sinn der psychotischen Episode. Ein organischer Faktor für die Störung kann jedoch ausgeschlossen werden, sodass die diagnostischen Kriterien der schizoaffektiven Störung nach DSM-III-R 295.70 gegeben sind."

Eine weitere Begutachtung bei Dr. Brunner, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie (Fachgutachten vom 18. März 1996), hat als Diagnose eine paranoide Persönlichkeitsstörung ergeben. Nach der ärztlichen Beurteilung von Dr. Brunner ergeben sich auf Grund der paranoiden Persönlichkeitsstörung mit querulatorischem Agieren Schwierigkeiten im sozialen Umgang, insbesondere mit Behörden und Vorgesetzten, und es dürfe bei dem Beschwerdeführer zeitweise auch zu psychotischen Verdichtungen gekommen sein. Es werde dadurch Psychosewertigkeit erreicht. Das geistige Leistungsvermögen werde von Dr. Brunner mit mittelschwer eingestuft.

Der Beschwerdeführer stützte die Wiederaufnahmeanträge zunächst auf das fachärztliche Gutachten des Dr. Günther Vogel vom 4. Juli 1998. In diesem Gutachten heißt es, der Beschwerdeführer erscheine am 15. Juni 1998 mit der Bitte um fachärztliche Begutachtung anlässlich eines Beschlusses der Disziplinarkommission des BM für Finanzen. Grundlage der Begutachtung seien die Angaben des Patienten, vorliegende Arztbriefe und Befunde und die eigene Untersuchung am 21. September 1995 bzw. am 15. Juni 1998. Weiters wird in diesem Gutachten der neurologische Status vom 21. September 1995 sowie der Status Physikus vom 21. September 1995 und 15. Juni 1998 wiedergegeben. Als Diagnose wird "Schizophrenie-paranoider Typus 295.3x" angegeben.

Der Beschwerdeführer stützt seine Wiederaufnahmeanträge weiters auf die Entscheidung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 16. Oktober 1998 und das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. Max Neumann vom 10. August 1998. Gegenstand dieses Gutachtens war die Fragestellung, ob der Betroffene zum Zeitpunkt seiner Dienstpflichtverletzungen überhaupt in der Lage gewesen sei, das Unrecht der Tat einzusehen und dieser Einsicht nach zu handeln. Nach Wiedergabe des Untersuchungsergebnisses (der Befund befindet sich in den vorgelegten Akten) kommt dieser Facharzt zur Diagnose:

"Schizophrenie, paranoider Typ". Nach Ansicht des Facharztes sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei dem Beschwerdeführer zumindest ab Beginn der 90iger Jahre krankheitsbedingt, für die ihm zur Last gelegten Ereignisse eine nicht mehr ausreichend vorhandene Dispositions- und Diskretionsfähigkeit gegeben gewesen sei.

Nach den vorgelegten Akten unterscheiden sich die Befunde, die Diagnosen und die Beurteilungen des Beschwerdeführers in den Gutachten des Dr. Günther Vogel vom 21. September 1995 und vom 15. Juni 1998 sowie im Gutachten des Dr. Brunner vom 18. März 1996 und des Dr. Max Neumann vom 10. August 1998 im Wesentlichen nicht.

Gemäß § 165 Abs. 2 FinStrG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis (Bescheid, Rechtsmittelentscheidung) abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen zu verfügen, wenn ein ordentliches Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Nach § 165 Abs. 4 FinStrG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen Monatsfrist von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung in I. Instanz erlassen hat.

Sachverständigengutachten als Beweismittel sind ähnlich wie Zeugenaussagen zu sehen. Sollte ein Sachverständiger Tatsachen, die sich in dem Zeitraum ereignet haben, für den der inzwischen in Rechtskraft erwachsene Bescheid erlassen wurde, nachträglich aufdecken, erkennen oder etwa feststellen, so können solche neuen Befundergebnisse, die sich auf seinerzeit bestehende Tatsachen beziehen, durchaus einen Wiederaufnahmsgrund abgeben (dies allerdings, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere, dass das Beweismittel "ohne Verschulden" der Partei nachträglich geltend gemacht wurde, erfüllt sind). Hätte die Partei über denselben Gegenstand bereits im abgeschlossenen Verfahren ein Sachverständigengutachten erwirken können, dieses aber erst nachträglich besorgt, so liegt im neu vorgebrachten Gutachten nicht ein ohne Verschulden neu hervorgekommenes Beweismittel (vgl. Stoll, BAO-Kommentar zu § 303 BAO, 2924 und Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 33 zu § 69).

Das Straferkenntnis des Hauptzollamtes Klagenfurt als Finanzstrafbehörde I. Instanz, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, erging am 25. Februar 1997 und die abweisliche Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 12. September 1997. In der Berufung gegen das Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer ausschließlich ein ärztliches Attest des Dr. Hans Jörg Molderings aus dem Jahre 1995 vorgelegt, in welchem dem Beschwerdeführer bescheinigt wurde, er sei nicht arbeitsfähig und habe eine schizoaffektive Störung gehabt. Die Gutachten des Dr. Günther Vogel vom 21. September 1995 und des Dr. Brunner vom 18. März 1996 legte der Beschwerdeführer nicht vor, obwohl diese vor Erlassung des Bescheides I. Instanz bereits erstellt waren. Dem Beschwerdeführer war daher insofern mit Recht von der belangten Behörde ein Verschulden an der Nichtvorlage, jedenfalls aber an der Nichtgeltendmachung dieser Gutachten im Finanzstrafverfahren anzulasten. Er hat auch keine Gründe vorgebracht, die sein Verhalten als entschuldigt rechtfertigen könnten.

Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismittel führt nur dann zur Wiederaufnahme, wenn diese Tatsachen oder Beweismittel im vorangehenden Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Verschulden bedeutet die Verletzung eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlicher Fähigkeit gefordert werden kann. Waren die Tatsachen oder Beweismittel bekannt oder hätten sie der Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen, dann können diese nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens Berücksichtigung finden (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 93/14/0021). Es gilt ganz allgemein, dass eine Partei, die im vorangegangenen Verfahren Gelegenheit hatte, die ihr bekannten Tatsachen oder ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel für ihren Anspruch vorzubringen (eine solche Gelegenheit bietet sich im Allgemeinen spätestens im Rechtsmittelverfahren), diese Gelegenheit aber zufolge Fehlbeurteilung oder mangelnder Obsorge versäumte, die Folgen daraus zu tragen und sich - wegen Verwirklichung des Verschuldenstatbestandes - nicht auf den Wiederaufnahmegrund der neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel berufen kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1980, Zl. 695/80).

Demnach konnten die bereits während des Finanzstrafverfahrens bekannten Befunde und Gutachten nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen. Die Befunde, die Diagnosen und die Gutachten von Dr. Günther Vogel vom 21. September 1995 und von Dr. Brunner vom 18. März 1996 unterscheiden sich von den Befunden, Diagnosen und Gutachten von Dr. Günther Vogel vom 15. Juni 1998 und von Dr. Max Neumann vom 10. August 1998 nach der Aktenlage im Wesentlichen nicht. Daraus ergibt sich, dass nach Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 12. September 1997 zwar weitere Gutachten erstattet wurden, die dem Beschwerdeführer keine ausreichende Dispositions- und Diskretionsfähigkeit im Tatzeitpunkt bescheinigten. Diese neuen Gutachten stützen sich aber auf keine neuen Befundergebnisse. Bereits das fachärztliche Gutachten des Dr. Günther Vogel vom 21. September 1995 stellt nämlich den Befund und die Diagnose sowie die Beurteilung im Wesentlichen so dar, wie in seinem fachärztlichen Gutachten vom 15. Juni 1998, und das neuropsychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. Max Neumann vom 10. August 1998 bringt im Befund im Wesentlichen keine neuenTatsachen.

Da die nach Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 12. September 1997 erstatteten Gutachten sich auf keine neuen, vor der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 12. September 1997 unbekannt gewesenen Befundergebnissen stützen und die nachträgliche Entscheidung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 16. Oktober 1998 keinen Wiederaufnahmsgrund darstellt, versagte die belangte Behörde zu Recht die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens. Auch hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 25. Jänner 1999 liegt keine Rechtswidrigkeit vor.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Auf Grund der Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Mai 2000

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