VwGH 99/06/0196

VwGH99/06/01965.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde 1. der K KG und 2. der H K, beide in G, beide vertreten durch E & Partner, Rechtsanwaltsgemeinschaft in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 8. November 1999, GZ A 17-C-25.201/1998-4, betreffend 1. die Feststellung des rechtmäßigen Bestandes gemäß § 40 Abs. 2 und 3 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 und 2. eine Baugenehmigung, zu Recht erkannt:

Normen

BauG Stmk 1995 §13 Abs8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §4 Abs2;
BauO Stmk 1968 §4;
Flächennutzung Bebauungspläne Stmk 1964 §4 Abs1 Z5;
VwRallg;
BauG Stmk 1995 §13 Abs8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §4 Abs2;
BauO Stmk 1968 §4;
Flächennutzung Bebauungspläne Stmk 1964 §4 Abs1 Z5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Zweitbeschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes in G, welches eine annähernd rechteckige Form hat. Es ist im Flächenwidmungsplan als Sanierungsgebiet - Reines Wohnen ausgewiesen. Es grenzt im Norden an eine Verkehrsfläche, im Osten an das Grundstück Nr. 375 (in der Folge kurz: Nachbargrundstück), auf welchem sich ein Wohnhaus befindet (in der Folge auch kurz: Nachbarhaus), im Westen und im Süden jeweils an ein weiteres Grundstück an. Jenseits der nördlich gelegenen Verkehrsfläche befinden sich weitere Grundstücke sowie eine weitere Verkehrsfläche, die in die erstgenannte mündet. Im südöstlichen Bereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes befindet sich ein Gebäude, welches in den Plänen als "bestehendes Wohnhaus" bezeichnet ist, im nordwestlichen Teil ein als Bestand ausgewiesenes und als "Werkstätte und Büro" bezeichnetes Gebäude.

Mit dem am 29. Oktober 1998 bei der Behörde eingelangten Schriftsatz (vom 27. Oktober 1998) beantragten die Beschwerdeführer unter Anschluss verschiedener Unterlagen, darunter auch Baupläne, "hinsichtlich der vor dem 31.12.1984 errichteten Bauteile die Rechtmäßigkeit des Bestandes gemäß § 40 Stmk. BauG festzustellen und hinsichtlich der nach dem 31.12.1984 errichteten Bauteile, die sich aus den beigeschlossenen Bauplänen ergeben, eine Baugenehmigung zu erteilen". Ergänzend werde ausgeführt, "dass es sich bei den Bauteilen (Umhausungen von Betriebsstätten) um Lärmschutzeinrichtungen zu Gunsten der Nachbarn handelt".

Es geht dabei um als "Lager" bezeichnete Bauwerke an der Grundgrenze zum Nachbargrundstück, und zwar gemäß den Plänen um ein "Lager Bestand" im Ausmaß von 68,60 m2 (in der Folge kurz: altes Lager) und um ein "Lager neu" im Ausmaß von 95,50 m2 (in der Folge kurz: neues Lager). Das alte Lager grenzt den Plänen zufolge an das bestehende Wohnhaus; die Länge (entlang der Grundgrenze) ist mit 12,72 m ausgewiesen, die Tiefe (einschließlich der Dicke der Mauer, die entlang der Grundgrenze verläuft) mit 5,85 m. Unmittelbar anschließend an dieses alte Lager befindet sich das neue Lager, dessen Länge mit 12,80 m ausgewiesen ist, breiter als das alte Lager ist und bis zur Grundgrenze entlang der Verkehrsfläche reicht. Dieses neue Lager ist in den Bauplänen rot eingefärbt. Es ist höher als das alte Lager. Den Einreichungsunterlagen ist unter anderem eine Liste von Einverständniserklärungen von angrenzenden Grundstückseigentümern (darunter auch jener des Nachbargrundstückes) angeschlossen.

Mit Erledigung vom 23. November 1998 ersuchte die Baubehörde das Baupolizeiamt unter anderem um Bekanntgabe der Abstände zwischen den "zur Feststellung des rechtmäßigen Bestandes beantragten Bauten sowie dem 'Neubau'" zu den auf den angrenzenden Grundstücken befindlichen Gebäuden. Da der gegenständliche Antrag unter anderem die Feststellung der Rechtmäßigkeit der vor dem 31. Dezember 1984 errichteten Bauteile begehre (im beigeschlossenen Plan vom Juli 1998 offensichtlich als "Bestand" bezeichnet) sei die Rechtmäßigkeit von zwischen dem 1. Jänner 1969 und dem 31. Dezember 1984 errichteten baulichen Anlagen an die Voraussetzung gebunden, das für dieselben keine Bewilligung vorliege und sie zum Errichtungszeitpunkt bewilligungsfähig gewesen wären. Auch der als "Neubau" im genannten Plan rot gefärbelte Bau, im Antrag vom 27. Oktober 1998 als "nach dem 31.12.1984 errichtete Bauteile" bezeichnet, sei hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit an die Einhaltung der derzeit geltenden bauordnungsgemäßen Mindestabstände gebunden, zu denen auch die Abstände zu konsentierten Gebäuden auf den Nachbarliegenschaften zählten.

Diese Erhebungen brachten, soweit hier erheblich, das Ergebnis, dass das auf dem Nachbargrundstück befindliche Haus (näherhin: die der gemeinsamen Grundgrenze zugewendete Front) am nördlichen Ende einen Abstand von 3,68 m und am südlichen Ende einen solchen von 3,75 m zur gemeinsamen Grundgrenze einhalte.

Mit Erledigung vom 23. Dezember 1998 brachte die Behörde den Beschwerdeführern die Erhebungsergebnisse samt einer Kopie der Erledigung vom 23. November 1998 (Ersuchschreiben) zur Kenntnis. Die Beschwerdeführer äußerten sich mit Schriftsatz vom 29. Jänner 1999 dahin, bei dem von der Behörde als "Neubau" bezeichneten Bauwerk handle es sich um mehrere neben einander stehende Nebengebäude. Sämtliche dieser Nebengebäude seien unbewohnbar und von untergeordneter Bedeutung. Sie dienten ausschließlich dem Lärmschutz für die Nachbarn. Sie seien über Wunsch der Nachbarn errichtet worden und hätten zu einer wesentlichen Verbesserung der Lärmsituation beigetragen. Die Errichtung an der Grundstücksgrenze sei mit Zustimmung "des Nachbarn" (gemeint wohl: der Eigentümer) des Nachbargrundstückes erfolgt. Zur Frage "des Zeitpunkts der Errichtung der einzelnen Bauwerke" würden noch gesonderte Beweise vorgelegt.

Mit weiterem Schriftsatz vom 17. August 1999 legten die Beschwerdeführer zum Beweis dafür, "dass die einzelnen Bauwerke zumindest seit 1975 bestehen und dass somit die Bestimmung des § 40 BauG zur Anwendung" gelange, eine von drei Personen unterzeichnete Bestätigung vor. In dieser Bestätigung vom 2. August 1999 heißt es, diese drei genannten Personen bezeugten mit ihrer Unterschrift, "dass die 3-seitig verkleidete Flugdachkonstruktion seit 1975 besteht".

Hierauf hat die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 20. August 1998 die Anträge auf Feststellung des rechtmäßigen Bestandes (Spruchteil I) und auf Erteilung der eingangs umschriebenen Baubewilligung (Spruchteil II) abgewiesen.

Begründend führte die Behörde zu Spruchteil I zusammengefasst aus, wie sich aus dem Antrag im Zusammenhalt mit dem beigeschlossenen Bauplan ergebe, könne sich die Feststellung der Rechtmäßigkeit hinsichtlich der vor dem 31. Dezember 1984 errichteten Bauteile des Bestandes nur auf das Verbindungsobjekt mit der Bezeichnung "Lager Bestand 68,60 m2" zwischen dem mit "Wohnhaus Bestand" bezeichneten Objekt und dem mit "Lager neu 95,50 m2" bezeichneten Objekt beziehen, weil das Letztgenannte durch die rote Färbelung der Umfassungsmauern und des integrierten Lärmschutztores bzw. der Rolltore als Neubau ausgewiesen sei und sowohl für das mit "Wohnhaus Bestand" bezeichnete Objekt als auch für das mit "Werkstätte und Büro Bestand" bezeichnete Objekt im Archivakt Baubewilligungsbescheide auflägen.

Das mit Schriftsatz vom 2. August 1999 als "dreiseitig verkleidete Flugdachkonstruktion" bezeichnete, an das Wohnhaus angebaute Lagerobjekt mit einer im Plan ausgewiesenen Grundfläche von 68,60 m2, einer Breite von ca. 6 m, einer Länge von ca. 13,0 m und einer Höhe von ca. 4,5 m stelle auf Grund seiner raumbildenden Herstellung und seiner Ausmaße zweifelsfrei ein Gebäude dar, und zwar ebenso zweifelsfrei ein solches von nicht bloß untergeordneter Bedeutung, wobei diese Qualifikation nicht nur nach der heute geltenden, sondern auch zum Zeitpunkt der Errichtung und gemäß § 40 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), anzuwendenden und geltenden Rechtslage unverändert zutreffe bzw. zugetroffen habe. Insbesondere der Umstand, dass das (laut Angabe von Zeugen) seit 1975 bestehende Objekt (im Bereich der Rolltore) nicht vollständig umschlossen sei, vermöge am Vorliegen eines Gebäudes nichts zu ändern: Der Begriff des Gebäudes werde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit Jahrzehnten "als ein nach den Regeln der Baukunst umschlossener Raum" definiert, wobei es aber nicht erforderlich sei, dass der Raum völlig umschlossen sei (Hinweis auf Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, Seite 155).

Zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Gebäudes habe die Steiermärkische Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (kurz: BO) in der Fassung LGBl. Nr. 140/1974, gegolten. Maßgeblich seien die im § 4 Abs. 1 und 2 normierten Abstandsbestimmungen (es folgte deren Wiedergabe).

Auf dem Nachbargrundstück befinde sich in einem Abstand von 3,68 m bzw. 3,75 m von der gemeinsamen Grundgrenze ein zweigeschossiges Wohnhaus, welches mit Bescheid vom 16. September 1935 "baubewilligt" und mit Bescheid vom 12. August 1936 "benützungsbewilligt" worden sei. Nach den maßgeblichen Abstandsbestimmungen des § 4 BO wäre das gegenständliche Lagergebäude zum Errichtungszeitpunkt nur dann bewilligungsfähig gewesen, wenn dessen Abstand zu dem im Jahre 1935 bewilligten Haus auf dem Nachbargrundstück zumindest 7,00 m (so viele Meter wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl vermehrt um 4) betragen hätte. Darüber hinaus hätte der bauordnungsgemäße Mindestabstand zur Bauplatzgrenze mindestens 3,00 m betragen müssen (das Lagergebäude habe ohne die übliche Geschoßeinteilung eine Höhe von ca. 4,50 m), weil es - wie bereits ausgeführt - auf Grund seiner Ausmaße keinesfalls einen Bau von untergeordneter Bedeutung dargestellt habe bzw. darstelle. Da der tatsächliche Abstand zwischen den beiden einander nächstgelegenen Gebäudeecken des Hauses auf dem Nachbargrundstück und des unmittelbar an der Grundgrenze errichteten Lagergebäudes jedoch nicht mehr als ca. 5,00 m betrage, wäre es zum Zeitpunkt seiner Errichtung nicht bewilligungsfähig gewesen.

Der Antrag auf Feststellung des rechtmäßigen Bestandes sei daher abzuweisen gewesen.

Zum Spruchteil II heißt es, auch das im Plan als Neubau bezeichnete neue Lager sei im Ergebnis aus den zu I genannten Gründen nicht bewilligungsfähig. Auch hier liege ein Gebäude vor, welches auf Grund seiner Ausmaße kein Nebengebäude darstelle und der Abstandsregel des § 13 Abs. 1 und 2 Stmk. BauG unterliege (diese werden näher dargestellt). Dieses Gebäude müsste zum Haus auf dem Nachbargrundstück einen Abstand von 8,00 m einhalten (es habe ohne die übliche Geschoßeinteilung eine Höhe von über 4,50 m und wäre demgemäß nach der Bestimmung des § 13 Abs. 6 Stmk. BauG als zweigeschossig zu werten).

Auch dieses Gebäude sei daher nicht bewilligungsfähig. Daran vermöge die Erklärung jener drei Personen (vom 2. August 1999) nichts zu ändern.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Sie führten darin aus, die erstinstanzliche Behörde habe die Frage, ob vorliegendenfalls ein "kleinerer, ebenerdiger, unbewohnter Bau von untergeordneter Bedeutung" im Sinne des § 4 Abs. 3 (gemeint wohl: Abs. 2) "der vor dem Jahr 1984 gültigen Steiermärkischen Bauordnung" gegeben sei, rechtlich falsch beurteilt. Zur Frage, wann ein untergeordnetes Bauwerk vorliege, dürften keinesfalls die zum Stmk. BauG entwickelten Grundsätze "und Auslegungen" herangezogen werden. Tatsache sei, dass der Gesetzgeber bei der Beurteilung, wann ein solches untergeordnetes Bauwerk vorliege, gerade "in den Anfangsjahren der Steiermärkischen Bauordnung erheblich großzügiger" gewesen sei, als er jetzt sei. Die Größe sei in Relation zum Verwendungszweck gesehen worden. "Gerade im vorliegenden Fall, nämlich bei der Errichtung eines Lagergebäudes", welches ebenerdig und unbewohnt sei und sich in Bezug auf das Gesamtobjekt von untergeordneter Bedeutung erweise, sei die Frage der Größe nicht in Zahlen zu ermitteln gewesen, sondern eben in Relation zu den ansonsten bestehenden Bauwerken und auf dem Grundstück. Tatsächlich hätte die Baubehörde im Jahr 1975 das vorliegende Bauwerk "mit den geringeren Abständen jedenfalls bewilligt", dies insbesondere unter dem Aspekt, dass der "direkt anrainende Nachbar mit diesem Bauwerk mehr als einverstanden" gewesen sei, weil er auf diese Weise Gelegenheit gehabt habe, an das Bauwerk eine eigene Flugdachkonstruktion anzubauen. Das Objekt sei somit zum Zeitpunkt seiner Errichtung bewilligungsfähig gewesen. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil ein Ortsaugenschein nicht durchgeführt worden sei. Dabei hätte sich ergeben, dass der Nachbar an das an seiner Grundgrenze errichtete Gebäude eine "Dachkonstruktion" angebaut habe. Diese stelle sich zwar als Flugdach dar, ungeachtet dessen liege aber dadurch insofern eine gekuppelte Bebauung vor, als beiderseits an die Grundgrenze angebaut worden sei. Die Frage des Abstands zum Nachbargebäude stelle sich somit nicht mehr, weil zwischen dem Nachbargebäude und dem sich an der Grenze befindlichen Gebäude nunmehr ein Bauwerk bestehe. Im Jahr 1975, also zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes, sei allgemein noch die Auffassung vertreten worden, dass auch der Anbau einer Flugdachkonstruktion im Ergebnis zu einer gekuppelten Bauweise führe. Sohin sei auch vor diesem Hintergrund die Bebauung des Grundstückes in der vorliegenden Form jedenfalls zulässig gewesen.

Auf Grundlage des Stmk. BauG sei einzuräumen, dass keinesfalls ein Nebengebäude im Sinne des § 13 Abs. 8 leg. cit. vorliege, dessen ungeachtet sei aber die Zulassung geringerer Gebäudeabstände im Interesse des Ortsbildschutzes geboten. Diesbezüglich wäre ein entsprechendes Gutachten einzuholen gewesen. Der Gewerbebetrieb der Beschwerdeführer befinde sich in einem Wohngebiet. Es müsse, um den Ortsbildcharakter sicher zu stellen, alles getan werden, um diesen Gewerbebetrieb möglichst vom übrigen Wohngebiet abzugrenzen und damit das übrige Wohngebiet entsprechend zu schützen. Exakt dies sei durch das Vorhaben erreicht worden. Es handle sich bei "dem bestehenden Gebäude" um einen perfekten Lärmschutz für das angrenzende Wohngebiet. Bei Entfernung dieses Gebäudes würde sich der Gebietscharakter insoferne verändern, als der Lärm des bestehenden Gewerbebetriebes ungehindert zu den benachbarten Wohngebieten durchdringen könnte. Es sei auch die Gewährleistung eines problemlosen "Nebeneinanderbestehendes" (im Original unter Anführungszeichen) von Wohnhäusern und Gewerbegebieten (gemeint allenfalls: Gewerbebetrieben) im Ortsverband Teil eines aktiven Ortsbildschutzes. Das gewachsene Ortsbild würde durch die Verdrängung von Gewerbebetrieben, die auf Grund ihrer Lärmsituation nicht mehr in den Ortsverband passten, massiv negativ beeinträchtigt werden.

Zudem sei auch auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1999, Zl. 98/06/0138, zu verweisen. Darin habe der Verwaltungsgerichtshof klar gestellt, dass die Abstandsbestimmungen nur für den Bereich zu gelten hätten, in welchem eine unmittelbare Betroffenheit gegeben sei. Dieser Begriff sei der Auffassung der Beschwerdeführer zufolge "auf den gesamten § 13 Stmk. BauG anzuwenden". Vorliegendenfalls bedeute dies, dass das Anbauen an der Grundgrenze jedenfalls zulässig sei, weil zufolge der Zustimmung des Nachbarn und zufolge des Anbaus des Nachbarn an dieses Bauwerk eine "unmittelbare Betroffenheit" ausgeschlossen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Begründung abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Begründend heißt es nach Wiedergabe der Berufung zusammengefasst, könne keine Rede davon sein, dass das alte Lager angesichts seiner Dimensionen ein Bau von untergeordneter Bedeutung im Sinne des § 4 Abs. 2 BO sei. Das könne aber dahin gestellt bleiben, weil solche Bauten im Sinne des § 4 Abs. 2 BO selbstständige Bauten sein müssten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 9. November 1989, Zl. 87/06/0084), was aber hier nicht der Fall sei, weil das alte Lager an das bestehende Wohnhaus angebaut sei. Überdies berechtige § 4 Abs. 2 BO nicht, einen Bau unmittelbar an der Grundgrenze zuzulassen, was sich aus der Wortfolge "geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen" ergebe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. März 1989, Zl. 88/06/0097). Dieses Objekt sei daher nicht bewilligungsfähig gewesen.

Soweit die Beschwerdeführer hinsichtlich des Spruchteiles II. des erstinstanzlichen Bescheides auf Grundlage des § 16 Abs. 8,

2. Fall, Stmk. BauG argumentierten, gehe dies im Ansatz fehl, weil es hier nicht um die darin umschriebenen "schönheitliche Rücksichten" (im Original unter Anführungszeichen) gehe. Überdies sei ihnen zu entgegnen, dass auch § 13 Abs. 8 Stmk. BauG nur die Zulassung geringerer Abstände (von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden) gestatte, daraus aber die Zulässigkeit eines Baues an der Grundgrenze nicht erkennbar sei.

Auch die Argumentation der Beschwerdeführer in der Berufung (von der anzunehmen sei, dass sie für beide Spruchteile gelte), es bestehe eine gekuppelte Bebauung, gehe fehl. Eine solche Bauweise setze das Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundgrenze von zwei Gebäuden voraus, im Geltungsbereich der BO sei aber "nach sicherer Kenntnis der Rechtsmittelbehörde" niemals die Auffassung vertreten worden, dass der Anbau einer Flugdachkonstruktion eine gekuppelte Bauweise wäre oder zu einer solchen zu führen hätte. Nichts anderes sei im Geltungsbereich des Stmk. BauG anzunehmen. Wenn auch im § 4 Z. 17 leg. cit. die gekuppelte Bauweise mit "an einer Grenze aneinandergebaute bauliche Anlagen" definiert werde, sei auch der Einleitungssatz dieser Bestimmung zu beachten, wonach "Bebauungsweise" die Verteilung der Baumassen auf dem Bauplatz in Bezug auf die Bauplatzgrenzen bedeute. Eine "Baumasse" könne aber nur ein "Baukörper" haben, das sei das sich über das Terrain erhebende Gesamtvolumen eines Gebäudes (wird jeweils näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist zunächst das Steiermärkische

Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, anzuwenden.

§ 13 leg. cit. normiert Abstandsbestimmungen. Abs. 1 regelt den Gebäudeabstand, Abs. 2 den Grenzabstand von Gebäuden.

Nach Abs. 8 dieser Bestimmung kann die Behörde geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen.

"(1) Gebäude müssen entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch 3.

(2) Die Baubehörde kann bei Gebäuden auf einem und demselben Bauplatz auch geringere Abstände der Gebäude voneinander, bei kleineren, ebenerdigen, unbewohnten Bauten von untergeordneter Bedeutung, wie z.B. bei Geräteschuppen, Kleingaragen, Waschküchen, Holzlagen u. dgl., überdies auch geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen zulassen. Reichen sind verboten."

Verfahrensgegenständlich sind zwei Anträge, nämlich einerseits ein Feststellungsantrag gemäß § 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG hinsichtlich jener vor dem 1. Jänner 1985 errichteten Bauteile (nach dem klaren Wortlaut der Norm kommen ja begrifflich später errichtete Bauteile diesbezüglich nicht in Betracht) und ein Baubewilligungsantrag hinsichtlich der später errichteten Bauteile andererseits.

Den Behörden des Verwaltungsverfahrens ist dahin beizutreten, dass sich das, was jeweils antragsgegenständlich ist, aus den Plänen ergibt: nämlich das alte Lager einerseits (Feststellungsbegehren) und das neue Lager andererseits (Baubewilligungsbegehren). Soweit nun in der Beschwerde (erstmals) dahin argumentiert wird, das "an der gesamten ca. 24,5 m langen Längsseite offene Gebilde bestehe aus Stahlstützen, auf welcher ein Flugdach aufgesetzt" sei, die an der Nordseite und an der Ostseite angebrachten Trapezflächen dienten lediglich dem Regenschutz sowie dem Lärmschutz der Grundnachbarn, ist dem zu erwidern, dass diese Behauptung im klaren Widerspruch zu den vorgelegten Plänen steht, wonach von einer "offenen Längsseite" über eine Gesamtlänge von ca. 24,5 m (das ist etwa die Summe der Länge der beiden Lager) nicht die Rede sein kann, weil diese Pläne vielmehr den Eindruck einer im Prinzip geschlossenen Front mit drei Rolltoren beim alten Lager sowie zwei Rolltoren und einer Türe beim neuen Lager vermitteln. Erstmals in der Beschwerde wird auch die Behauptung aufgestellt, dass die an der Westseite des Objektes "angebrachten Einfahrtstore" ausschließlich "Schautore" seien. Das Unternehmen, an welches das Objekt vermietet sei, beschäftige sich mit der Errichtung von elektrisch betriebenen Einfahrtstoren und Hallentoren. Die Schautore seien erst in der Zeit nach "01.01.1995" (gemeint allenfalls: 1985) angebracht worden und würden im Rahmen der Warenpräsentation laufend ausgewechselt.

Dem ist zu entgegnen, dass auf dieses neue und von der planlichen Darstellung abweichende Vorbringen auf Grund des im Beschwerdeverfahren gemäß § 41 VwGG bestehenden Neuerungsverbotes nicht Bedacht genommen werden kann. Davon abgesehen, bedeutet der Umstand, dass es sich um Schautore handeln solle, noch keinen zwingenden Widerspruch zur Bezeichnung "Rolltor" in den Bauplänen, weil ja solche Schautore nicht funktionslos sein müssen. Sollten die Beschwerdeführer damit die Unrichtigkeit der von ihnen vorgelegten Pläne behaupten wollen, kann ihnen nur entgegnet werden, dass sie ja nicht daran gehindert waren, Pläne vorzulegen, die ihrer Auffassung nach richtig sind.

Dieses zuvor wiedergegebene, neue Vorbringen (auf welches nicht Bedacht zu nehmen ist) zielt darauf ab, darzutun, dass es sich beim alten Lager nicht um ein Gebäude im Sinne des § 4 BO handle. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführer selbst in ihrer Berufung von einem "Lagergebäude" gesprochen haben, trifft ihre Beurteilung nach den maßgeblichen Bauplänen nicht zu. Es ist schon richtig, dass ein Gebäude als ein nach den Regeln der Baukunst allseits umschlossener Raum angesehen wird (die BO kennt keine Definition des Begriffes "Gebäude"), das bedeutet aber nicht, dass dieser Raum lückenlos umschlossen sein müsste. Aus der mit Schriftsatz vom 17. August 1999 vorgelegten Erklärung vom 2. August 1999, wo von einer dreiseitig verkleideten Flugdachkonstruktion die Rede ist, die seit 1975 bestehe, ist nichts zu gewinnen, weil Derartiges nach den vorgelegten Plänen nicht Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass angesichts der ausgewiesenen Dimensionen dieses alten Lagers von einem "kleineren Bau" von "untergeordneter Bedeutung" im Sinne des § 4 Abs. 2 BO in der hier maßgeblichen Stammfassung nicht die Rede sein kann (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 12. Juni 1986, Zl. 86/06/0032, BauSlg. 700, und vom 19. September 1991, Zl. 90/06/0015). Überdies hat auch die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass § 4 Abs. 2 BO nur selbstständige Bauten betrifft, nicht aber Anbauten, Zubauten oder Bauteile (siehe das hg. Erkenntnis vom 9. November 1989, Zl. 87/06/0084), dieses alte Lager aber keinen selbstständigen Bau darstellt, weil es an das bestehende Wohnhaus angebaut ist. In diesem Zusammenhang übersehen die Beschwerdeführer auch, dass § 4 Abs. 1, 2. Satz BO, der den Gebäudeabstand regelt, auf die Entfernung der Gebäude abstellt und nicht von Gebäudefronten spricht, sodass es nicht darauf ankommt, dass die jeweiligen zu den Grundgrenzen gerichteten Fronten des alten Lagers einerseits und des Nachbarhauses andererseits einander nicht gegenüberliegen.

Auch aus dem Umstand, dass der oder die Nachbarn (der oder die Eigentümer des auf dem Nachbargrund bestehenden Hauses) ein zwischen seinem bzw. ihrem Gebäude und dem an der Grenze befindlichen Gebäude (dem Lageplan zufolge kann damit nur das neue Lager gemeint sein) ein Flugdach angebaut habe bzw. hätten, ist nichts zu gewinnen. Aus der Errichtung dieses Flugdaches kann nämlich in rechtlicher Hinsicht nicht abgeleitet werden, dass damit für diese Grundstücke die gekuppelte Bauweise festgesetzt worden wäre oder als festgesetzt zu gelten hätte (auch wenn man davon ausginge, dass dieses Flugdach konsentiert wäre, was ungeklärt blieb). Der Verwaltungsgerichtshof tritt der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass im Geltungsbereich der BO die gekuppelte Bauweise auf Gebäude (Häuser) bezogen wurde (siehe dazu Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, Anmerkung 11 zu § 1 BO unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 Z. 5 des Gesetzes über die Flächennutzungspläne und die Bebauungspläne, LGBl. Nr. 329/1964). Ebenso wenig kann beschwerdefallbezogen nach dem Regelungsinhalt des Stmk. BauG davon ausgegangen werden, dass durch die Errichtung dieses Flugdaches (an das im Übrigen konsenslos errichtete neue Lager) eine gekuppelte Bauweise als festgesetzt zu gelten hätte.

Dass es sich beim neuen Lager um kein "Nebengebäude" im Sinne des Stmk. BauG handelt, wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten, sie stützen sich aber auf § 13 Abs. 8, 2. Fall, leg. cit. Die vorgetragene, behauptete lärmschützende Wirkung dieser (konsenslos errichteten) Bauten kann aber, wie die belangte Behörde ebenfalls zutreffend erkannt hat, dem Regelungsinhalt dieser Norm nicht unterstellt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Dezember 2000

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