VwGH 99/01/0090

VwGH99/01/00903.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der A K in A, geboren am 11. Mai 1951, vertreten durch Dr. Jörg Brunhuemer, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Fellingergasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 1999, Zl. 207.636/0-IV/10/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages, Feststellung und Ausweisung gemäß § 5 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §5 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
Dubliner Übk 1997;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §5 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
Dubliner Übk 1997 Art3 Abs4;
Dubliner Übk 1997;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, reiste am 25. September 1998 in das Bundesgebiet ein. Sie stellte am 1. Oktober 1998 einen Asylantrag und wurde dazu am 2. Oktober 1998 niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab sie im Wesentlichen Folgendes an:

Sie habe von 1969 bis 1982 durchgehend in der Bundesrepublik Deutschland gelebt und gearbeitet. Anschließend sei sie mit ihrer Familie nach Bosnien zurückgekehrt und habe sich dort bis 1992 aufgehalten. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges sei sie mit ihrer Familie wieder nach Deutschland gegangen. Sie habe eine "Duldung" in Deutschland, welche bis 10. Oktober 1998 verlängert worden sei. Anschließend hätte sie mit ihrer Tochter nach Bosnien zurückkehren müssen. Am 25. September 1998 habe sie deshalb ihren Aufenthaltsort in Celle verlassen und sei mit ihrer Tochter nach Österreich gereist. Ihr Ehegatte, der in Celle lebe und bis Dezember eine Aufenthaltsberechtigung habe, habe sie mit dem PKW nach Österreich gebracht. Nach Serbien könne sie nicht mehr zurückkehren, da sie kroatisch-stämmig, ihr Ehegatte hingegen Moslem sei und sie in einem Haus im serbischen Teil Bosniens gelebt hätten. Ihr Sohn lebe in Österreich und werde für sie aufkommen.

Mit Schreiben vom 6. November 1998 stellte das Bundesasylamt an das deutsche Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unter Hinweis auf das von der Stadt Celle ausgestellte und bis 10. Oktober 1998 gültige Aufenthaltsvisum für Deutschland formal das Ersuchen, dass Deutschland die Einreise der Beschwerdeführerin zur Entscheidung über ihren Asylantrag gemäß Art. 5 Abs. 1 des Dubliner Übereinkommens gewähre.

Mit Schriftsatz des deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. November 1998 wurde dem Übernahmegesuch gemäß Art. 5 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens entsprochen. Das Bundesasylamt wies daraufhin mit Bescheid vom 11. Jänner 1999 den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AslyG -, als unzulässig zurück. Für die Prüfung des Asylantrages sei gemäß Art. 5 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages, BGBl. III Nr. 165/1997 (Dubliner Übereinkommen), Deutschland zuständig. Die Beschwerdeführerin werde aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Da ihr Sohn seit nunmehr 10 Jahren in Österreich lebe, ihr Ehegatte nach Beendigung der deutschen Aufenthaltsbewilligung ebenfalls nach Österreich kommen werde, entspreche es humanitären Gesichtspunkten, wenn sie in Österreich um Asyl ansuche.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 5 AsylG ab. Sie legte den oben ausgeführten Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrunde. Der erstinstanzliche Spruch werde vollinhaltlich bestätigt. Art. 4 des Dubliner Übereinkommens sei nicht anzuwenden, da der Sohn der Beschwerdeführerin weder unverheiratet noch minderjährig sei. Auf die Ausübung des völkerrechtlichen Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens bestehe kein subjektives Recht seitens der Beschwerdeführerin. Da sich Deutschland im Sinne des Dubliner Übereinkommens bereit erklärt habe, die Beschwerdeführerin einreisen zu lassen und ihren Asylantrag zu prüfen, sei auf den Asylantrag inhaltlich nicht einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

Die durch Staatsvertrag bestehende Zuständigkeit eines anderen Staates ist somit negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich der Prüfung des Asylantrages in Österreich. Der einzige derzeit existente Vertrag, auf den sich § 5 AsylG beziehen kann, ist das Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellten Asylantrages, BGBl. III Nr. 165/1997 (Dubliner Übereinkommen, DÜ).

Die Beschwerdeführerin bezweifelt nicht, dass das Dubliner Übereinkommen ein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages und Deutschland Vertragspartei dieses Abkommens ist.

Die Beschwerdeführerin stellt auch nicht in Abrede, dass Österreich im Sinne des Art. 11 DÜ innerhalb der Frist von sechs Monaten nach der Einreichung des Asylantrages Deutschland ersucht hat, die Beschwerdeführerin aufzunehmen und sich das deutsche Bundesamt mit Schreiben vom 23. November 1998 bereit erklärt hat, die Beschwerdeführerin zurückzunehmen und ihren Asylantrag in Deutschland zu prüfen. Sie schloss ihrer Beschwerde jedoch ein Schreiben der Stadt Celle vom 8. März 1999 an. Darin wird dem Ehegatten der Beschwerdeführerin bestätigt, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter nach einer Übernahme in die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich nach Bosnien zurückkehren müssten und im Falle der Nichtausreise in ihr Heimatland Bosnien-Herzegowina abgeschoben würden. Daraus folge, dass Österreich gemäß Art. 3 Abs. 4 DÜ sein völkerrechtliches Selbsteintrittsrecht hätte ausüben müssen. Die nach dieser Gesetzesbestimmung erforderliche Zustimmung der Beschwerdeführerin sei vorauszusetzen gewesen, da sie ihren Asylantrag in Österreich gestellt habe. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liege in Österreich. Das Arbeitsmarktservice habe ihr mit Bescheid vom 29. Jänner 1999 eine Beschäftigungsbewilligung (Saisonbewilligung) erteilt. Darüber hinaus verfüge sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten über ein österreichisches Bankguthaben in Höhe von rund S 232.328,--. Ihr Sohn bewohne in Österreich mit seiner Gattin ein Haus und habe sie mit ihrer Tochter in deren Haushalt aufgenommen. Aus all diesen Fakten folge, dass sie durch die Ablehnung der Behandlung ihres Asylantrages durch Österreich besonders gravierend beeinträchtigt werde.

Vorauszuschicken ist, dass dieses Vorbringen in weiten Teilen - insbesondere was die Bestätigung der Stadt Celle anlangt - gegen das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot verstößt. Davon abgesehen kann der nach Ergehen des angefochtenen Bescheides verfassten Stellungnahme der Stadt Celle nicht entnommen werden, dass ihr eine vollständige Offenlegung des Sachverhaltes (Ansprechen eines Asylgrundes) zu Grunde liegt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass Deutschland nach den Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens für die Prüfung ihres Asylantrages zuständig ist. Sie erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vielmehr darin, dass Österreich von seinem ihm durch Art. 3 Abs. 4 eingeräumten Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.

Art. 3 Abs. 4 lautet:

"Jeder Mitgliedstaat hat unter der Voraussetzung, dass der Asylbewerber diesem Vorgehen zustimmt, das Recht, einen von einem Ausländer gestellten Asylantrag auch dann zu prüfen, wenn er auf Grund der in diesem Übereinkommen definierten Kriterien nicht zuständig ist. Der nach den genannten Kriterien zuständige Mitgliedstaat ist dann von seinen Verpflichtungen entbunden, die auf den Mitgliedstaat übergehen, der den Asylantrag zu prüfen wünscht. Dieser Mitgliedstaat unterrichtet den nach den genannten Kriterien verantwortlichen Mitgliedstaat, wenn letzterer mit dem betreffenden Antrag befasst worden ist."

Das Dubliner Übereinkommen regelt grundsätzlich nur die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten, nicht aber Rechte von Asylbewerbern. Auch aus Art. 3 Abs. 4 DÜ erfließt dem Asylantragsteller kein subjektiv-öffentliches Recht, dass ein nach den Zuständigkeitskriterien des Dubliner Übereinkommens für die Prüfung des Asylantrages unzuständiger Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrages übernimmt. Art. 3 Abs. 4 richtet sich ausschließlich an die Mitgliedstaaten.

Ein subjektiv-öffentliches Recht kann sich nur aus § 5 AsylG ergeben. Danach ist Tatbestandsvoraussetzung für die Zurückweisung eines nicht gemäß § 4 erledigten Asylantrages als unzulässig ausschließlich die vertragliche Zuständigkeit eines anderen Staates zur Prüfung des Asylantrages. Somit entsteht auch aus dieser Bestimmung kein subjektives öffentliches Recht eines Asylbewerbers darauf, dass ein anderer als der vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständige Staat ein aus dem Dubliner Übereinkommen erfließendes zwischenstaatliches Ermessen zwecks Übertragung der Zuständigkeit von dem vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständigen Staat auf einen anderen Mitgliedstaat ausübt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0419).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000

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