VwGH 98/18/0290

VwGH98/18/029030.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des D, (geboren am 8. März 1974), in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Juli 1998, Zl. SD 455/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §39;
AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §39;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Juli 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren und bis Ende 1980 in Österreich aufhältig gewesen. Die Abmeldung von seinem österreichischen Wohnsitz sei am 12. November 1980 erfolgt. Erst am 13. August 1992 sei der Beschwerdeführer wieder nach Österreich eingereist und habe einen Sichtvermerk bzw. eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis 21. Mai 1994 erhalten. Ein Verlängerungsantrag sei wegen nicht fristgerechter Antragstellung rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin im Juli 1995 das Bundesgebiet verlassen. Erst im August 1996 sei er auf Grund einer ihm erteilten Aufenthaltsbewilligung neuerlich nach Österreich zurückgekehrt. Derzeit sei der Beschwerdeführer im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis 23. April 1999.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 30. April 1993 sei der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahles rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je S 30,-- verurteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 3. Februar 1995 sei der Beschwerdeführer wieder wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je S 30,-- rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Februar 1998 sei der Beschwerdeführer wegen versuchten Einbruchsdiebstahls nach den §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 4. Jänner 1998 gemeinsam mit einem Mittäter in eine Filiale einer Supermarktkette eingebrochen habe und dort fremde, bewegliche Sachen dem Eigentümer mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei sohin mehrfach erfüllt. Das dargestellte Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise und eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht in Frage komme.

Der Beschwerdeführer sei seit nahezu zwei Jahren in Österreich ständig niedergelassen. Er sei mit einer Landsmännin verheiratet, mit welcher er drei Kinder habe. Der Beschwerdeführer sei nicht berufstätig, die Familie lebe vom Karenzgeld der Mutter sowie der Kinderbeihilfe (Vernehmung des Beschwerdeführers beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 29. Jänner 1998). Zweifelsfrei sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Schutz des Eigentums Dritter sowie Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten sei. Bereits die erste Verurteilung habe den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, neuerlich straffällig zu werden, was die weiteren Verurteilungen zur Folge gehabt habe. Auch die Tatsache, dass die ersten Verurteilungen (nur) wegen einfachen Diebstahls, die letzte Verurteilung jedoch wegen Einbruchsdiebstahls erfolgt sei, die Vorgangsweise des Beschwerdeführers sohin zunehmend verwerflicher geworden sei, sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Alle genannten Umstände ließen eine für den Beschwerdeführer positive Zukunftsprognose nicht zu.

Auch die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG habe zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen müssen. Zunächst sei festzuhalten, dass für das Ausmaß seiner Integration lediglich der Aufenthalt ab der letzten Einreise im August 1996 ausschlaggebend gewesen sei. Auch seien die im Hinblick auf die Dauer seines inländischen Aufenthaltes gegebenen privaten Interessen des Beschwerdeführers und dessen familiären Bindungen insoweit gemindert, als die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch die in Rede stehenden, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt sei. Diesen - solcherart verminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer führt gegen den angefochtenen Bescheid u.a. ins Treffen, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot "auch in seiner Länge unberechtigt" sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0226, m.w.H.). Als für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstände gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. ist außer dem konkret gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen auch auf die privaten und familiären Interessen i.S.d. § 37 FrG Bedacht zu nehmen.

Nach den unbestrittenen Feststellungen kommen dem Beschwerdeführer sehr gewichtige persönliche Interessen in Österreich zu, wobei insbesondere seine familiäre Situation - gemeinsamer Haushalt mit seiner Ehefrau, die sich seit zwanzig Jahren rechtmäßig in Österreich aufhält, und drei Kindern im Alter von vier, drei und einem Jahr - besonders ins Gewicht fällt. Dazu kommt, dass sich der Beschwerdeführer schon früher, nämlich von seiner Geburt im Jahr 1974 bis zum Jahr 1980 sowie von 1992 bis 1995 (nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid jedenfalls bis Mai 1994 rechtmäßig), längere Zeit hindurch in Österreich aufgehalten hat.

Die belangte Behörde hat diese gravierenden persönlichen Interessen bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes - vgl. oben I.1. - völlig außer Acht gelassen und somit die dargestellte Rechtslage verkannt.

2. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes handelt es sich um einen vom übrigen Inhalt des bekämpften Bescheides nicht trennbaren Abspruch (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0398) - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. November 2000

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