Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
GewO 1994 §368 Z9;
MeldeG 1991 §22 Abs2 Z5;
MeldeG 1991 §8 Abs2;
SperrV Tir 1995;
StGB §159 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
GewO 1994 §368 Z9;
MeldeG 1991 §22 Abs2 Z5;
MeldeG 1991 §8 Abs2;
SperrV Tir 1995;
StGB §159 Abs1 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 24. März 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Über den Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 22. Mai 1997 wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 und 2 StGB eine bedingt nachgesehene Geldstrafe von 100 Tagessätzen verhängt worden, weil er Sachen, die andere durch eine strafbare Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hätten, gekauft bzw. an sich gebracht habe, und zwar am 23. Dezember 1996 und 26. Dezember 1996 jeweils durch Ankauf von Zigaretten, die andere (namentlich Genannte) durch einen Geschäftseinbruch erbeutet hätten. Ferner sei über ihn vom selben Gericht mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 2. Dezember 1997 wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB und des Vergehens nach § 114 Abs. 1 ASVG eine bedingt nachgesehene Geldstrafe von 200 Tagessätzen als Zusatzstrafe verhängt worden, weil er in Kufstein
1. in der Zeit zwischen 1. November 1996 und 30. April 1997 als Geschäftsführer der Gündogdu KEG und sohin als Schuldner mehrerer Gläubiger in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch geschmälert habe, dass er durch Fortführung des Betriebes Cafe Canaria neue Schulden eingegangen sei, andererseits Schulden bezahlt habe und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragt habe;
2. in der Zeit ab 16. August 1996 als Dienstgeber die für die Monate Juli und August 1996 sowie November 1996 bis April 1997 fälligen Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in Höhe von S 36.461,28 einbehalten und der Tiroler Gebietskrankenkasse als berechtigten Versicherungsträger vorenthalten habe.
Mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (der erstinstanzlichen Behörde) vom 22. Februar 1993 sei über ihn wegen Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 2 Z. 5 iVm § 8 Abs. 2 Meldegesetz (1991) eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt worden, weil er in der Zeit vom 20. Jänner 1993 bis 28. Jänner 1993 dem türkischen Staatsangehörigen N.C. in Kufstein Unterkunft gewährt habe, aber seiner Verpflichtung als Unterkunftgeber, dies der Meldebehörde mitzuteilen, nicht nachgekommen sei, obwohl er Grund zur Annahme gehabt habe, dass der Meldepflichtige der Meldepflicht nicht rechtzeitig (binnen drei Tagen) nachkomme. Ferner sei er von der erstinstanzlichen Behörde mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung vom 23. Jänner 1997 wegen Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz und § 11 Tiroler Landespolizeigesetz mit einer Geldstrafe von je S 400,-- belegt worden, weil er am 27. November 1996 in Kufstein in einem näher bezeichneten Gastlokal die Geschäftsführerin S.C. "in beleidigender Weise" beschimpft, mit dieser eine lautstarke wörtliche Auseinandersetzung gehabt, vorsätzlich einen Aschenbecher geworfen und einen Gast vorsätzlich mit Bier beschüttet habe, wodurch er die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört und den öffentlichen Anstand verletzt habe. Schließlich sei er von der erstinstanzlichen Behörde mit in Rechtskraft erwachsenem Straferkenntnis vom 3. März 1997 wegen Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 9 Gewerbeordnung iVm der Tiroler Sperrzeitenverordnung mit einer Geldstrafe von S 18.000,-- belegt worden, weil er in seinem Lokal in Kufstein am 9. Oktober 1996, 16. Oktober 1996, 20. Oktober 1996, 7. November 1996, 15. Jänner 1997 und 26. Jänner 1997 (jeweils) die Sperrstunde nicht eingehalten habe.
Begründend führte die belangte Behörde weiters aus, dass das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers laut den rechtskräftigen Verurteilungen/Bestrafungen deutlich seine negative Einstellung gegenüber Rechtsvorschriften zeige, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z.1 FrG). Ein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen ihn im Grund dieser Gesetzesbestimmung jedoch nicht unzulässig. Die sich in seinem Gesamt(fehl)verhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. So hielten sich seine Ehegattin seit 1989 sowie er und das Kind B. seit 1990 in Österreich auf. Seine Kinder O. und N. seien 1991 bzw. 1995 im Bundesgebiet geboren worden. Der Beschwerdeführer und seine Familie wiesen dementsprechend eine gute Integration und eine intensive private Bindung hier auf. Naturgemäß habe er eine intensive familiäre Bindung zu seiner Ehegattin und seinen drei mj. Kindern, mit denen er in Kufstein in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Seine Ehegattin arbeite seit 1997 als Hilfsarbeiterin in Wörgl und bringe ca. S 12.000,-- netto ins Verdienen. Der Beschwerdeführer gehe seit geraumer Zeit keiner Erwerbstätigkeit nach und sei "Hausmann". Im Hinblick auf sein Gesamt(fehl)verhalten und seine daraus hervorleuchtende Neigung zu Straftaten wögen seine privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Rechte (z.B. des Vermögens) anderer habe einen großen öffentlichen Stellenwert. Ebenso komme der fremdenpolizeirechtlichen Ordnung bzw. dem Umstand, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, was auf den Beschwerdeführer nicht (mehr) zutreffe (vgl. die Entziehung seiner Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 2. Juli 1997, rechtskräftig seit 22. Juli 1997) großes öffentliches Gewicht zu.
Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG liege nicht vor. Die Verbotsdauer entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umständen sowie jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger dauernder positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers erwartet werden könne.
Zu seinem Berufungsvorbringen werde bemerkt, dass das Aufenthaltsverbot wegen seines Gesamt(fehl)verhaltens seit 1993 erlassen werde, das den "Schwellwert des § 36 Abs. 2 FrG" sehr wohl erreiche. Entscheidend für die Zulässigkeit des Abstellens auf das Gesamt(fehl)verhalten sei, ob die jeweils ins Auge gefassten Verhaltensweisen des Fremden von der Rechtsordnung so verpönt seien, dass sie zusammengefasst betrachtet die in § 36 Abs. 1 FrG näher umschriebene Annahme rechtfertigten. Es könne angesichts der Bestrafung des Beschwerdeführers vom 3. März 1997 durch die erstinstanzliche Behörde keine Rede davon sein, dass nur eine Übertretung der Gewerbeordnung vorliege. Abgesehen davon beruhe das Aufenthaltsverbot nicht allein auf seinen Übertretungen der Gewerbeordnung. Selbst wenn man - wie der Beschwerdeführer - davon ausgehe, dass seine Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung (jeder für sich allein betrachtet) "geringfügigster Natur" gewesen seien, sei sein Gesamt(fehl)verhalten seit 1993 zu beachten, das keineswegs "geringfügigster Natur" sei. Der Schutz fremden Vermögens und die Beachtung der meldepolizeirechtlichen, sicherheitspolizeirechtlichen, gewerberechtlichen und fremdenpolizeirechtlichen Vorschriften insgesamt, gegen die er seit 1993 verstossen habe, hätten großen öffentlichen Stellenwert und großes öffentliches Gewicht. Auf § 36 Abs. 2 Z. 2 und 7 FrG beruhe das Aufenthaltsverbot ohnehin nicht. Dass der Beschwerdeführer den schlechten Geschäftsgang seines Lokals habe ankurbeln wollen, indem er permanent die Gewerbeordnung (Sperrstunde) übertreten habe, zeige eindrucksvoll seine Skrupellosigkeit zur Erreichung persönlicher Ziele und damit seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit.
Im Rahmen der Generalklausel des § 36 Abs. 1 FrG dürften auch strafbare Verhaltensweisen berücksichtigt werden, selbst wenn die diesbezügliche Strafe bereits getilgt sei. Schon aus diesem Grund gehe die Bemerkung des Beschwerdeführers, es wäre fraglich, ob die Übertretung des Meldegesetzes überhaupt strafwürdig gewesen wäre, ins Leere. Die Zeit seines Wohlverhaltens seit seiner letzten Straftat im Jahr 1997 sei zu kurz, um ihm jetzt schon eine dauerhafte positive Änderung seiner Einstellung zur Rechtsordnung attestieren zu können. Bei seinem Argument, dass er in Zukunft fahrlässige Krida und eine Übertretung des § 114 ASVG sowie Sperrstundenübertretungen nicht mehr begehen könne, weil er mit seinem Lokal in Konkurs gegangen sei und es daher ausgeschlossen sei, dass er in Zukunft wieder als Geschäftsführer eines Lokals zugelassen werde, übersehe er sein Gesamt(fehl)verhalten bzw. seine rechtskräftige Verurteilung wegen des Vergehens der Hehlerei bzw. die zu Grunde liegende Straftat und die daraus (im Zusammenhang mit seinem Gesamt(fehl)verhalten) hervorleuchtende Neigung zu Rechtsbrüchen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bringt vor, dass bei der Beurteilung im Grund des § 36 Abs. 1 FrG auf das tatsächliche Verhalten des Beschwerdeführers und nicht (bloß) auf seine rechtskräftigen Bestrafungen abzustellen sei. Darüber hinaus seien die beiden gerichtlichen Verurteilungen in Anbetracht der §§ 31 und 40 StGB als einzige Verurteilung zu werten, wobei die damit verhängten Strafen nicht den "vom Gesetz geforderten Grenzwert" erreichten, und könnten die von der belangten Behörde ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht als schwer wiegend bezeichnet werden.
2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0375, mwN) kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, jedoch in ihrer Gesamtheit die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen.
Die belangte Behörde sah im Beschwerdefall das für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 leg. cit. bedeutsame Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in dem seinen beiden strafgerichtlichen Verurteilungen und seinen drei verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zu Grunde liegenden, im angefochtenen Bescheid näher und - entgegen der Beschwerdeansicht - ausreichend beschriebenen Fehlverhalten sowie in seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 2. Juli 1997 verfügten Entziehung seiner Aufenthaltsbewilligung. Wenn auch der belangten Behörde einzuräumen ist, dass das besagte verpönte Verhalten des Beschwerdeführers eine nicht unerhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, so reicht dieses nicht aus, um von die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erlaubenden triftigen Gründen im besagten Sinn sprechen zu können. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass über den Beschwerdeführer wegen der von ihm begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen lediglich bedingt nachgesehene Geldstrafen, die zueinander im Verhältnis gemäß §§ 31 und 40 StGB stehen, verhängt wurden, diesen als Einheit zu wertenden Verurteilungen u.a. das Fahrlässigkeitsdelikt nach § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB zu Grunde liegt - bei einem mit der Schuldform der Fahrlässigkeit begangenen Vermögensdelikt kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt des betreffenden Fremden eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit unveränderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0029, mwN) - und es sich bei den den obgenannten Strafbescheiden vom 22. Februar 1993 und 3. März 1997 zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers nach dem Meldegesetz bzw. nach der Gewerbeordnung iVm der Tiroler Sperrzeitenverordnung um keine schwer wiegenden Übertretungen handelt, zumal die besagte Verwaltungsübertretung nach dem Meldegesetz schon wegen des seither verstrichenen langen Zeitraums zu vernachlässigen ist. Weiters ist bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen, dass der seit 1990 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen bis zum Jahr 1996 - sieht man von der besagten Übertretung des Meldegesetzes im Jänner 1993 ab - kein Fehlverhalten gesetzt hat. Schließlich führt auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 2. Juli 1997 die Aufenthaltsbewilligung entzogen wurde und er sich erst seit kurzem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, zu keiner anderen Beurteilung.
3. Da somit die belangte Behörde verkannte, dass das von ihr herangezogene Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers zur Rechtfertigung der in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme nicht ausreicht, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Juni 2000
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