VwGH 98/13/0212

VwGH98/13/021219.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 36, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. September 1998, GZ. RV/271-16/08/98, betreffend Umsatzsteuer 1990, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §11 Abs7;
UStG 1972 §11 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl 92/13/0161, verwiesen. Im damals angefochtenen, Umsatzsteuer 1985 bis 1988 betreffenden Bescheid ging die belangte Behörde vom Vorliegen eines Treuhandverhältnisses zum Ehegatten der Beschwerdeführerin aus. In den von den Auftraggebern der Beschwerdeführerin ausgestellten Gutschriften sei die Mehrwertsteuer ausgewiesen worden, sodass die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 schuldete. Die damalige Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe den Gutschriften widersprochen, sah die belangte Behörde als unglaubwürdig an.

Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuer 1985 bis 1988 betreffenden Bescheid wurde mit dem angeführten Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht wurde im Erkenntnis die Auffassung vertreten, die Anwendung des § 11 Abs. 14 UStG 1972 sei nicht auf Rechnungen im Sinne des Abs.1 beschränkt, da ein vom Gesetz zu verhindernder Missbrauch unzweifelhaft auch durch das Rechnungssurrogat der Gutschrift eintreten könne. Die Beschwerdeführerin habe aber weder im Berufungsverfahren noch in der (damaligen) Beschwerde dargelegt, auf Grund welchen bestimmten Widerspruches - für den im durchgeführten Ermittlungsverfahren keinerlei Anhaltspunkt festgestellt worden sei - es zu einer Berichtigung des Steuerausweises hätte kommen können.

In dem nunmehr dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten ist die Kopie eines an die St. GmbH in Wien gerichteten Schreibens der Beschwerdeführerin vom 16. Mai 1990 samt Aufgabeschein enthalten. In diesem Schreiben, das in Kopie am 22. Mai 1990 beim Finanzamt für den 2. und 20. Bezirk in Wien einlangte, ist im Wesentlichen ausgeführt:

Da die von Ihnen an mich gut geschriebenen Provisionen nicht mir sondern meinem Gatten ins Verdienen gebracht wurden, widerspreche ich, den in den Gutschriften enthaltenen Steuerbetrag, gemäß § 11 Abs. 7 UStG und zwar für die Jahre 1985 bis laufend.

Mit einem Schreiben vom 27. Mai 1990 teilte die St. GmbH der Beschwerdeführerin in Beantwortung des Schreibens vom 16. Mai 1990 mit, "dass wir Ihren Ausführungen folgen." Die Provisionsgutschriften für die Jahre 1985 bis "laufend" würden storniert und dem Ehemann der Beschwerdeführerin "angelastet."

Nach entsprechender Aufforderung übermittelte die St. GmbH mit Schreiben vom 15. September 1992 die die Beschwerdeführerin betreffenden Kontoauszüge für die Jahre 1989 und 1990. Nach einem auf dem Aufforderungsschreiben angebrachten handschriftlichen Vermerk eines Behördenorgans seien die Kontoauszüge in den Johann T., den Ehemann der Beschwerdeführerin, betreffenden Akten enthalten.

In der beim Finanzamt am 9. Juli 1992 eingereichten Umsatzsteuererklärung für 1990 wurde eine Gutschrift in Höhe von S 736.615,-- geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 25. November 1994 wurde die Umsatzsteuer für 1990 mit S 182.983,-- festgesetzt.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde auf den 1990 erfolgten Widerspruch verwiesen. Dieser sei auch vom Vertragspartner zur Kenntnis genommen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, an dem im hg Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl 92/13/0161, festgestellten "Sachverhalt" habe sich nichts geändert. Das Schreiben vom 16. Mai 1990 sei so allgemein gehalten, dass es nicht als ein bestimmter Widerspruch zu einer Gutschrift gewertet werden könne. Ein allgemein gehaltener und erst weit nachträglich erhobener "Widerspruch" sei im Hinblick auf die ausdrückliche Zustimmung zu den Gutschriften unbeachtlich. Aus der Aktenlage gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift den Gutschriften ausdrücklich zugestimmt habe. Im gegenständlichen Fall sei ein nachträglicher Widerspruch gar nicht möglich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 11 Abs. 7 UStG 1972 verliert eine Gutschrift die Wirkung einer Rechnung, soweit der Empfänger dem in ihr enthaltenen Steuerbetrag widerspricht. Ein solcher Widerspruch ist dabei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht mehr zu beachten, wenn der Empfänger der Gutschrift durch Leistung seiner Unterschrift auf der Abrechnung der Erteilung der Gutschrift ausdrücklich zugestimmt hat (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Juni 1983, Zl 82/15/0026).

Wenn sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides, dem nur schwer zu entnehmen ist, welchen Sachverhalt sie als erwiesen angenommen hat, auf das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl 92/13/0161, stützt, so übersieht sie zunächst, dass sich der Sachverhalt des nunmehrigen Streitjahres wesentlich von jenem der Vorjahre 1985 bis 1988 unterscheidet. Die ausdrücklich im angefochtenen Bescheid vertretene Meinung, es habe sich am Sachverhalt seit dem genannten Erkenntnis nichts Wesentliches geändert, ist nicht verständlich. Hinsichtlich des nunmehrigen Streitjahres ist nämlich entscheidend, dass die Beschwerdeführerin gegenüber der St. GmbH den von dieser ab 1985 erteilten Gutschriften mit Schreiben vom 16. Mai 1990 widersprochen hat. Die St. GmbH hat diesen Widerspruch mit Schreiben vom 27. Mai 1990 zur Kenntnis genommen und mitgeteilt, die Gutschriften zu "stornieren". Die belangte Behörde ist nicht von einer Unwirksamkeit der zwischen den Vertragsparteien ausgesprochenen Übereinstimmung über die Stornierung der Gutschriften ausgegangen. Sie hat vielmehr die Auffassung vertreten, der Widerspruch sei unbeachtlich, weil er zu allgemein gehalten und zu spät erfolgt sei. Damit ist die Behörde aber nicht im Recht:

Zum einen geht aus dem Widerspruch mit nicht zu überbietender Deutlichkeit hervor, dass die Beschwerdeführerin sämtlichen "für die Jahre 1985 bis laufend" von der St. GmbH erteilten Gutschriften widersprochen hat. Davon, dass der Widerspruch "zu allgemein" gehalten sei, kann daher keine Rede sein. Zum anderen kann dem Gesetz keine besondere Fristsetzung für die Vornahme eines solchen Widerspruches entnommen werden. Eine von der Behörde gemeinte Befristung des Widerspruchsrechtes bedürfte vielmehr einer besonderen gesetzlichen Regelung (vgl das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 19. Mai 1993, V R 110/88, BStBl II 779). Eine andere Auffassung kann entgegen der Behauptung der belangten Behörde auch dem hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1983, Zl 82/15/0026, nicht entnommen werden.

Zur Klarstellung ist im Übrigen darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die vom deutschen Bundesfinanzhof weiters vertretene Rechtsauffassung, der Widerspruch gegen den in einer Gutschrift enthaltenen Steuerausweis wirke (erst) in dem Besteuerungszeitraum, in dem er erklärt wird, auch für die Anwendung des österreichischen UStG als zutreffend erachtet.

Die weitere Behauptung der belangten Behörde, aus der "Aktenlage" gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Unterschrift den Gutschriften ausdrücklich zugestimmt habe, ist aktenwidrig. Möglicherweise hat dabei die belangte Behörde, die in ihrer Begründung mehrmals auf das hg Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl 92/13/0161, verwiesen hat, den vorliegenden Sachverhalt mit jenem des letztgenannten Erkenntnisses verwechselt: Im Falle dieses Erkenntnisses vom 29. September 1993 wiesen die von Max F. ausgestellten Rechnungen den Schriftzug der Beschwerdeführerin auf. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es aber - was die belangte Behörde offensichtlich übersehen hat - um Gutschriften der St. GmbH. Von Feststellungen darüber, dass die Gutschriften der St. GmbH die Unterschrift der Beschwerdeführerin getragen haben sollten, war aber im gesamten Verwaltungsverfahren keine Rede.

Da der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegenüber den dargestellten Rechtswidrigkeiten infolge Aktenwidrigkeit und Mängeln der Begründung der Vorzug zu geben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juli 2000

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