Normen
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §29 Abs2;
FrG 1993 §29 Abs3 Z1;
FrG 1993 §31 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §29 Abs2;
FrG 1993 §29 Abs3 Z1;
FrG 1993 §31 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.580,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 14. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe kurz darauf einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres abgewiesen worden sei. Der von ihm dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei - mit hg. Beschluss vom 21. Dezember 1995 (vgl. den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid, auf dessen Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen wird) - aufschiebende Wirkung mit der Maßgabe zuerkannt worden, dass dem Beschwerdeführer jene Rechtsstellung zukomme, die er vor Erlassung des Bescheides des Bundesministers für Inneres gehabt habe. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer im Asylverfahren angegeben, von seinem Heimatland über Bulgarien, die Jugoslawische Föderation und Ungarn nach Österreich gekommen zu sein. Demzufolge habe die Asylbehörde festgestellt, dass ihm keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme bzw. zugekommen sei, woran die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde gegen den zweitinstanzlichen Asylbescheid nichts ändere. Der Beschwerdeführer sei bislang nicht in den Besitz einer behördlichen Bewilligung für seinen Aufenthalt gelangt. Der von ihm gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei rechtskräftig abgewiesen worden. Die erstinstanzliche Behörde sei demnach zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sich seit seiner Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben seien.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 leg. cit. betreffe, sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage zwar seit Dezember 1992 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, mit dieser jedoch offensichtlich nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Er selbst gebe in der Berufung (gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid) lediglich an, gemeinsam mit seinem Onkel und seiner Tante in Österreich zu leben. Unabhängig davon, ob die Ehe des Beschwerdeführers nach wie vor aufrecht sei oder nicht, bedeute die Ausweisung jedenfalls einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dessen ungeachtet sei seine Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im Besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Denn einerseits komme gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Andererseits seien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich keineswegs höher zu veranschlagen als das genannte maßgebliche öffentliche Interesse, dürfe doch nicht übersehen werden, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von etwa 4 3/4 Jahren, der zur Gänze unrechtmäßig sei, noch keinen hohen Grad an Integration zu begründen vermöge und die Bindungen zu den von ihm genannten Familienmitgliedern in ihrer Bedeutung durch die Tatsache relativiert würden, dass er erwachsen sei. Ebenso wenig falle ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, zumal die Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem er rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Es liefe dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwider, wenn sich ein Fremder auf diese Weise den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen könnte. Sohin erweise sich die Ausweisung des Beschwerdeführers auch im Grunde des § 19 FrG als zulässig.
Auch mit dem Hinweis auf das zwischen der EWG und der Türkei abgeschlossene Assoziationsübereinkommen vom 12. September 1963 könne für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, weil unter "ordnungsgemäßer" Beschäftigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - dieser Beschluss sei in Österreich seit dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 unmittelbar anwendbar - nur eine Beschäftigung zu verstehen sei, die im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates stehe.
Da der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit seiner Einreise unrechtmäßig sei, sei er am 1. Jänner 1995, dem Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs und damit des unmittelbaren innerstaatlichen Wirksamwerdens des Beschlusses Nr. 1/80, mangels Aufenthaltsberechtigung nicht "ordnungsgemäß" beschäftigt gewesen. Er könne somit aus diesem Beschluss keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich ableiten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid kein Bescheid zugrunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt und mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.
2. Nach den insoweit unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer seit Dezember 1992 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 96/21/0012, (unter Zugrundelegung der dort zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des EuGH) ausgesprochen hat, ist bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung vorliegen, zu berücksichtigen, dass Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern nicht schlechter als begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des § 29 Abs. 3 Z. 1 FrG behandelt werden dürfen. Zwar ist gemäß § 31 Abs. 2 FrG auch die Ausweisung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen im Grunde des § 17 Abs. 1 FrG zulässig, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Begünstigte Drittstaatsangehörige haben jedoch gemäß § 29 Abs. 2 leg. cit. einen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Sichtvermerks, wenn durch ihren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Diese Bestimmungen dienen der Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes, weshalb sie - wie auch § 19 FrG bei der Ausweisung eines EWR-Bürgers oder eines begünstigten Drittstaatsangehörigen - im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen sind. Für den Fall des Beschwerdeführers als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin bedeutet dies, dass diesem - wie in dem schon zitierten Erkenntnis vom 12. April 1999 näher dargelegt wird - keine ungünstigere Rechtsstellung als dem Ehegatten eines nichtösterreichischen EWR-Bürgers beigemessen werden durfte. Auf ein Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner österreichischen Ehefrau kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Von daher hat die belangte Behörde, wenn sie allein im bisher rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 19 FrG erblickt hat, die Rechtslage verkannt. Dass die Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers zur Erreichung eines anderen der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, hat die belangte Behörde nicht ausgeführt.
3. Schon deshalb leidet der angefochtene Bescheid an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Kostenverzeichnisses des Beschwerdeführers auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. Mai 2000
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