Normen
LPolG Tir 1976 §15 Abs3 lita;
LPolG Tir 1976 §15 Abs4;
LPolG Tir 1976 §15 Abs3 lita;
LPolG Tir 1976 §15 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 25. März 1995 beantragte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Gemeinde Gries am Brenner die Erteilung einer Bordellbewilligung für einen näher bezeichneten Standort. Zur Frage des Bedarfes an einem Bordell führte er aus, im Bezirk Innsbruck Land seien 41.363 Männer der Altersgruppe von 20 bis 60 Jahren wohnhaft, das seien 29,27 % der Gesamtbevölkerung. Der Bezirk weise
52.284 Fremdenbetten aus. Bei Einrechnung der männlichen Urlaubsgäste der betreffenden Altersgruppe ergebe sich "eine Gesamtzahl von männlichen Personen für den Bezirk von ca. 122.000". Werde zugrunde gelegt, dass nur eine von zehn männlichen Personen das Angebot eines legalen Bordellbetriebes einmal im Jahr annehme, so liege eine Nachfrage von ca. 16.300 Personen vor. Dabei seien weder die Grenznähe noch die Nähe der Landeshauptstadt Innsbruck, von der der Standort nur 25 Minuten Fahrzeit entfernt sei, berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 1995 wies der Bürgermeister den Antrag ab. Begründend wurde dargelegt, es liege kein Bedarf nach der Einrichtung eines Bordells am beantragten Standort vor, weil der bewilligte Bordellbetrieb in Innsbruck in solcher Nähe liege, dass der Bedarf der Einwohner des Bezirkes Innsbruck-Land und der Gäste gedeckt sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er machte insbesondere geltend, es käme darauf an, ob sich in einer "benachbarten" Gemeinde ein Bordell befände. Dies sei nicht der Fall, weil zwischen Innsbruck und Gries am Brenner etwa 20 Gemeinden lägen. Es sei auch unter Entfernungsgesichtspunkten verfehlt, anzunehmen, der Betrieb in Innsbruck könne den im Bereich des Standortes gegebenen Bedarf decken.
Mit Bescheid vom 13. Februar 1996 wies der Gemeindevorstand der Gemeinde Gries am Brenner die Berufung ab. Er vertrat in der Bedarfsfrage u.a. die Auffassung, mit dem Begriff der "benachbarten" Gemeinde nehme das Gesetz nicht nur auf unmittelbar angrenzende Gemeinden Bezug. Im Hinblick auf lediglich 25 Minuten Fahrzeit vom geplanten Standort zum bewilligten Bordell in Innsbruck, das nicht zur Gänze ausgelastet sei, bestehe kein Bedarf nach einem Bordell in Gries am Brenner. Im Übrigen gingen die Annahmen des Beschwerdeführers in der Frage des Bedarfes von falschen Voraussetzungen aus. Die Besucher eines Bordells würden die Anonymität der Großstadt suchen; die Bevölkerung der ländlich geprägten Umgebung des Standortes würde somit einen Bordellbesuch in Innsbruck vorziehen.
Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. In der Bedarfsfrage machte er unter Wiederholung seiner Darlegungen vor den Gemeindebehörden geltend, das einzige objektive Merkmal für den Bedarf sei die Bevölkerungsstatistik. Innsbruck sei keine benachbarte Gemeinde. Die Überlegungen des Gemeindevorstandes über die Anonymität seien unerheblich.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Begründend teilte sie die Auffassungen des Gemeindevorstandes in der Bedarfsfrage.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. November 1996, B 1623/96, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 14 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (LPolG) ist
verboten:
a) die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers an Personen des anderen Geschlechtes zu deren sexueller Befriedigung (Prostitution) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle (§ 15);
b) die außerhalb behördlich bewilligter Bordelle erfolgende Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution;
c) die Gewährung oder Beschaffung der Gelegenheit, insbesondere durch Überlassung von Räumen, zur Ausübung der Prostitution oder zur Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle.
Nach § 15 Abs. 1 LPolG darf ein Bordell nur mit behördlicher Bewilligung (Bordellbewilligung) betrieben werden.
Nach Abs. 3 leg. cit. darf eine Bordellbewilligung nur erteilt werden, wenn
- a) ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells (Abs. 4) besteht,
- b) das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll und
c) öffentliche Interessen nicht dagegen sprechen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass der Betrieb eines Bordells zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in unzumutbarer Weise stören. Hiebei ist insbesondere auf mögliche Beeinträchtigungen der in der Nachbarschaft lebenden oder sonst sich längere Zeit dort aufhaltenden Personen, insbesondere Jugendlicher, Bedacht zu nehmen.
Ob ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells besteht, ist insbesondere unter Bedachtnahme auf die Einwohnerzahl und die Bevölkerungsstruktur des voraussichtlichen Einzugsgebietes sowie unter Bedachtnahme darauf zu beurteilen, ob in einer benachbarten Gemeinde bereits ein Bordell betrieben wird (§ 15 Abs. 4 LPolG).
Nach Abs. 5 leg. cit. ist eine Bordellbewilligung zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 vorliegen.
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme, Innsbruck sei eine "benachbarte Gemeinde" im Sinne des § 15 Abs. 4 letzter Halbsatz LPolG. Innsbruck sei von der geplanten Standortgemeinde ca. 20 bis 25 km entfernt. Zwischen Innsbruck und Gries am Brenner lägen zahlreiche andere Gemeinden.
Damit verkennt die Beschwerde, dass sich aus dem Gesetz eine Einschränkung des Begriffes der "benachbarten" Gemeinde auf die unmittelbar angrenzenden Gemeinden nicht entnehmen lässt. Wie weit der Kreis der "benachbarten" Gemeinden zu ziehen ist, ist anhand des Gesetzeszweckes zu ermitteln. § 15 Abs. 4 LPolG setzt die Beurteilung des Bedarfs nach dem Betrieb eines Bordells in Beziehung mit dem Betrieb eines Bordells in einer benachbarten Gemeinde; daraus folgt, dass eine Gemeinde, in der ein Bordell betrieben wird, dann als "benachbart" (zu einer Gemeinde, in der ein beantragter Standort liegt) anzusehen ist, wenn durch das bestehende Bordell der Bedarf im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. a LPolG gedeckt werden kann. Von einem solchen Verständnis gehen wohl auch die Gesetzesmaterialien (vgl. Beilage 3 zu den Stenografischen Berichten des Tiroler Landtages, VIII. Periode, Tagung am 6. und 7. Juli 1976, Seite 14) aus, wonach unter einer "benachbarten Gemeinde" nicht nur eine Gemeinde zu verstehen ist, die mit der Gemeinde, in der das Bordell betrieben werden soll, eine gemeinsame Grenze besitzt. Mit dem Hinweis auf die Entfernung zwischen Innsbruck und Gries am Brenner zeigt die Beschwerde somit eine Rechtswidrigkeit der Annahme, dass der Betrieb eines Bordells in Innsbruck den in § 15 Abs. 4 letzter Halbsatz LPolG umschriebenen Tatbestand verwirkliche, nicht auf.
Die Beschwerde bringt weiters vor, die Behörde habe sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, "welches konkrete Einzugsgebiet für das geplante Bordell zu berücksichtigen ist, welche Bevölkerungsstruktur vorhanden ist, und wie hoch eine potentielle Nachfrage sein würde".
Diese Darlegungen zeigen keine Rechtswidrigkeit auf. Verfahrensfehler der Behörde - dies gilt auch für Begründungsmängel eines Bescheides - führen nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, wenn die Behörde bei deren Unterbleiben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Relevanz des Verfahrensverstoßes darzutun ist Sache des Beschwerdeführers. Er hat durch konkretes tatsächliches Vorbringen in der Beschwerde anzuführen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1999, Zl. 99/10/0024, und die dort zitierte Vorjudikatur). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde nicht; sie zeigt daher keinen relevanten Verfahrensmangel auf.
Im Übrigen zeigen die oben wiedergegebenen, insbesondere an der "potentiellen Nachfrage" orientierten Darlegungen der Beschwerde, dass diese von verfehlten Vorstellungen über den Begriff des Bedarfes im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 LPolG ausgeht. Bedarf im Sinne dieser Gesetzesstellen besteht nicht etwa überall dort, wo eine - nicht zuletzt angebotsindizierte - Nachfrage besteht, die die gewinnbringende bzw. wirtschaftliche Führung eines Bordellbetriebes zuließe. Dem Gesetz liegt keineswegs die Zielvorstellung zugrunde, es solle die "Versorgung der Bevölkerung" mit Bordellbetrieben (überall dort, wo ausreichende Nachfrage besteht) sichergestellt werden. Auch in Ansehung des Bedarfsbegriffes hat die Auslegung den erklärten Gesetzeszweck zu beachten, die Prostitution, die als nicht wünschenswerte, in der Regel Kriminalität (Zuhälterei, Eigentumsdelikte u.ä.) nach sich ziehende Erscheinung bezeichnet wird (vgl. Beilage 3 aaO, Seite 1), auf das unvermeidliche Ausmaß einzuschränken. Nach den Zielvorstellungen des Gesetzes soll die Prostitution insgesamt auf bewilligte Bordelle beschränkt werden (Beilage 3 aaO, Seite 14); dem liegt offenbar die Überlegung zugrunde, dass es für die öffentliche Ordnung günstiger sei, wenn die Prostitution nur an einigen wenigen, behördlich genehmigten und behördlichen Kontrollen leicht zugänglichen Orten in Erscheinung trete. Angesichts dieses Gesetzeszweckes kann Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells angenommen werden, wenn jener angezeigt erscheint, um andernfalls im fraglichen Einzugsgebiet auftretende verbotene Erscheinungsformen der Prostitution wie Straßen- und Wohnungsprostitution durch nicht kontrollierte Prostituierte zu vermeiden. Die in § 15 Abs. 4 LPolG genannten Bezugsgrößen (Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur, Bestehen anderer Bordelle) bilden - neben der Beobachtung der tatsächlichen gegenwärtigen Verhältnisse - Anhaltspunkte für die Prognose eines Bedarfes im soeben dargelegten Sinn. Davon ausgehend zeigt die Beschwerde auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht auf, dass die Bedarfsbeurteilung der Gemeindebehörden von verfehlten Annahmen ausgegangen wäre. Vielmehr ist den Darlegungen des Beschwerdeführers nicht zu folgen, der schon im Verwaltungsverfahren die Behauptung eines Bedarfs vor allem auf das Vorhandensein männlicher Bevölkerung einer bestimmten Altersgruppe gründete.
Es liegt daher auch der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor, den die Beschwerde darin sieht, dass sich die belangte Behörde über die "Berechnungen" des Beschwerdeführers hinwegsetzte. Ebenso kann auf sich beruhen, ob zum voraussichtlichen Einzugsgebiet, wie die Beschwerde meint, mangels einer dem Gesetz zu entnehmenden Beschränkung auf österreichischem Staatsgebiet auch die "Region südlich des Brennerpasses" zähle.
Die nicht weiter konkretisierte Behauptung der Beschwerde, dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, ist anhand der Verwaltungsakten nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass in der Vorstellung Derartiges nicht geltend gemacht wurde, der Beschwerdeführer seinen Standpunkt im Rahmen der Berufung darlegen konnte und nicht konkretisiert wird, was der Beschwerdeführer bei gebotener Gelegenheit vorgetragen hätte, wurde dem Beschwerdeführer auch im Verfahren erster Instanz Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Aufforderung vom 12. November 1995) und von ihm wahrgenommen (Stellungnahme vom 29. November 1995).
Soweit sich die Beschwerde gegen die Annahme wendet, aus dem ländlichen Bereich stammende Bordellbesucher würden die Anonymität der Großstadt suchen, wird keine Rechtswidrigkeit aufgezeigt, weil das Ergebnis angesichts des oben dargelegten Bedarfsbegriffes nicht von der Richtigkeit dieser Annahme abhängt.
Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. März 2000
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