VwGH 97/08/0404

VwGH97/08/040420.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch die Sachwalterin H, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Berger u.a., Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Wien II, Taborstraße 10/Stiege 2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. April 1997, Zl. MD-VfR - W 11/97, betreffend Kostenbeitrag nach § 43 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

BehindertenG Wr 1986 §43 Abs3 idF 1993/042;
SHG Wr 1973 §12;
VwRallg;
BehindertenG Wr 1986 §43 Abs3 idF 1993/042;
SHG Wr 1973 §12;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 95/08/0021, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein die Kostenbeitragspflicht des Beschwerdeführers für seine "Unterbringung im Rahmen von Jugend am Werk" (unter Zugrundelegung der Familienbeihilfe als Einkommensbestandteil) bestätigender Bescheid der belangten Behörde hinsichtlich des Leistungszeitraumes vom 1. Dezember 1989 bis zum 30. Juni 1993 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der damals angefochtene Bescheid stützte sich insoweit auf § 43 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz 1986 (WBG) in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 42/1993.

Insoweit, als sich die damalige Beschwerde gegen die Auferlegung eines Kostenbeitrages für die Zeit ab dem 1. Juli 1993 richtete, wurde sie vom Verwaltungsgerichtshof für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt. Dem lag zugrunde, dass die Behörde erster Instanz über den Zeitraum ab dem 1. Juli 1993 mit Bescheid vom 26. März 1996 - nun ohne Auferlegung einer Kostenbeitragspflicht im Umfang der Familienbeihilfe - neu entschieden hatte, wodurch der angefochtene Bescheid insoweit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden war.

Der neue erstinstanzliche Bescheid stützte sich auf § 43 WBG in der am 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1993. Gemäß dieser Bestimmung in Verbindung jeweils mit § 2 der zeitraumbezogen vor bzw. ab dem 1. März 1995 anzuwendenden Verordnung der Wiener Landesregierung über die Höhe von Kostenbeiträgen nach dem WBG (LGBl. Nr. 15/1975 und Nr. 11/1995) wurden dem Beschwerdeführer für die Zeiträume vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1993, vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1994 und ab 1. Jänner 1995 Kostenbeiträge in der Höhe von monatlich S 515,--, S 549,-- und S 587,-- vorgeschrieben.

In der Bescheidbegründung wurde u.a. ausgeführt, 40 v.H. des Pflegegeldes der Stufe 3 betrügen für 1993 S 2.160,--, für 1994 S 2.214,-- und ab 1. Jänner 1995 S 2.276,-- monatlich. Diese Beträge seien dem Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 3 letzter Satz WBG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1993 zu belassen.

Zum Kostenersatz heranzuziehen sei einerseits die Familienbeihilfe, die im gegebenen Zusammenhang gemäß § 11 Abs. 3 WBG dem Gesamteinkommen zuzurechnen sei. Gemäß § 43 Abs. 5 WBG könne aber in besonderen sozialen Härtefällen von der Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch die Leistung des Kostenbeitrages der Erfolg der Maßnahme in Frage gestellt werde. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Familienbeihilfe "zur Abdeckung der persönlichen Bedürfnisse" des Beschwerdeführers verwendet werde. Von der "Vorschreibung der Familienbeihilfe" sei daher gemäß § 43 Abs. 5 WBG abgesehen worden.

Mit Bescheid vom 22. Februar 1995 sei dem Beschwerdeführer ab 1. Juli 1993 ein monatliches Pflegegeld nach dem Wiener Pflegegeldgesetz, LGBl. Nr. 42/1993, zuerkannt worden. Diese Geldleistungen hätten monatlich vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1993 S 2.675,--, vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 1994 S 2.763,-- und ab 1. Jänner 1995 S 2.863,-- betragen. Nach Abzug der schon erwähnten Beträge, die dem Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 3 letzter Satz WBG zu belassen seien, ergebe dies die jeweilige Höhe des dem Beschwerdeführer vorzuschreibenden Kostenbeitrages.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 26. März 1996 ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Behindertengesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1993 lauten:

"Gesamteinkommen

§ 11. (1) Gesamteinkommen ist die Summe aller Einkünfte einer Person nach Abzug des zur Erzielung dieser Einkünfte notwendigen Aufwandes. Als Einkünfte gelten alle Bezüge in Geld oder Geldeswert einschließlich des Unterhaltsanspruches nach Maßgabe des § 12 Abs. 1.

(2) Bei Feststellung des Gesamteinkommens bleiben außer Betracht:

1. die Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376,

2. Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege,

  1. 3. Pflegebezogene Geldleistungen,
  2. 4. Lehrlingsentschädigungen in der Höhe des Richtsatzes der Sozialhilfe, der für den Lehrling nach seinem Familienstand anzuwenden wäre,

    5. Sonderzahlungen.

(3) Die Bestimmung des Abs. 2 Z 1 gilt nicht für die Bemessung und Leistung von Kostenbeiträgen (§ 43) zu Maßnahmen, mit denen die volle Unterbringung und Verpflegung der Behinderten verbunden ist.

Kostenbeitrag

§ 43. (1) Zu den Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 5 Z 1 bis 4, der Beschäftigungstherapie nach § 22, der Hilfe zur Unterbringung nach § 24 und zu den Fahrt- und Beförderungskosten nach § 17 haben der Behinderte, dessen Ehegatte (auch der unterhaltspflichtig geschiedene Ehegatte) sowie die Eltern

1. Grades für minderjährige Kinder 1. Grades nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Kostenbeiträge zu leisten.

(2) Ein Kostenbeitrag ist unbeschadet des letzten Satzes dieses Absatzes und des Abs. 3 erst dann zu leisten, wenn und soweit das Gesamteinkommen (§ 11) des Beitragspflichtigen den vierfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten übersteigt. Diese Einkommensgrenze erhöht sich für jeden Angehörigen, für den der Beitragspflichtige auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung überwiegend sorgt, um den einfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Mitunterstützten. Wird im Rahmen einer Maßnahme nach Abs. 1 auch die notwendige Betreuung und Hilfe sichergestellt, ist unabhängig von dem vom Gesamteinkommen für die Maßnahme zu leistenden Kostenbeitrag für die Betreuung und Hilfe ein Kostenbeitrag zu leisten, wenn der Behinderte pflegebezogene Geldleistungen bezieht oder der Beitragspflichtige eine pflegebezogene Geldleistung für den Behinderten bezieht.

(3) Wird im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung der Lebensunterhalt des Behinderten sichergestellt, ist ein Kostenbeitrag zu leisten, wenn und soweit das Einkommen des Beitragspflichtigen den eineinhalbfachen Richtsatz der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten zuzüglich der Mietbeihilfe übersteigt. Diese Grenze erhöht sich für jeden Angehörigen, für den der Beitragspflichtige auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung überwiegend sorgt, um den eineinhalbfachen Betrag des Richtsatzes der Sozialhilfe für einen Mitunterstützten. Das Einkommen des Behinderten selbst und die ihm zuerkannten pflegebezogenen Geldleistungen sind in diesen Fällen insgesamt bis auf einen Betrag von der Höhe von 20 v H des Pflegegeldes der Stufe 3 heranzuziehen; in den Fällen, in denen im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung Lebensunterhalt hinsichtlich der Bekleidung nicht gewährt wird, ist dem Behinderten insgesamt ein Betrag in der Höhe von 40 v H des Pflegegeldes der Stufe 3 zu belassen.

(4) Der die in Abs. 2 und 3 bezeichneten Einkommensgrenzen übersteigende Teil des Einkommens ist je nach Art und Umfang der Maßnahme unter Bedachtnahme auf eine zumutbare Belastung des Beitragspflichtigen ganz oder teilweise zum Kostenbeitrag heranzuziehen. Für gleichartige und regelmäßig vorkommende Maßnahmen und für die im Rahmen solcher Maßnahmen sichergestellte Betreuung und Hilfe können durch Verordnung der Landesregierung nähere Vorschriften über die Höhe des Kostenbeitrages erlassen werden.

(5) In besonderen sozialen Härtefällen kann von der Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch die Leistung des Kostenbeitrages der Erfolg der Maßnahme in Frage gestellt wäre.

§ 44. (1) Kostenbeiträge, die in bestimmten Zeitabständen regelmäßig wiederkehrend zu leisten sind, sind von Amts wegen neu zu bemessen, wenn sich das der Beitragsvorschreibung zugrunde liegende Gesamteinkommen um mehr als 250 S monatlich ändert. Die Neubemessung ist ab dem der Änderung nachfolgenden Monatsersten vorzunehmen.

(2) Die für eine Beitragsleistung in Betracht kommenden Personen sind verpflichtet, jede das in Abs. 1 genannte Ausmaß übersteigende Einkommensänderung binnen 4 Wochen nach Kenntnis dem Magistrat anzuzeigen.

(3) Der Behinderte ist zur nachträglichen Leistung eines Kostenbeitrages gemäß den vorhergehenden Bestimmungen nur dann verpflichtet, wenn nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Durchführung der Maßnahmen ein die in § 43 Abs. 3 und 4 bezeichneten Grenzen übersteigendes Einkommen hatte oder die Verwertung eines bei Prüfung der Einkommensgrenzen außer Betracht gelassenen Vermögens oder von Ansprüchen nachträglich möglich oder zumutbar wird."

Von der Rechtslage vor dem 1. Juli 1993 unterscheiden sich diese Vorschriften - abgesehen von im vorliegenden Fall nicht maßgeblichen Änderungen im § 43 Abs. 2 und 4 WBG - durch die Formulierung "pflegebezogene Geldleistungen" (statt "Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden ...") in § 11 und durch die Neufassung des § 43 Abs. 3 letzter Satz WBG, der zuvor wie folgt gelautet hatte:

"Das Einkommen des Behinderten selbst ist in diesen Fällen bis auf einen Betrag in der Höhe des halben Richtsatzes der Sozialhilfe für einen Alleinunterstützten zur Gänze zum Kostenersatz heranzuziehen."

Zu § 43 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 WBG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 42/1993 liegen drei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vor, in denen aus dem Umstand, dass die Familienbeihilfe im Zusammenhang mit Kostenbeiträgen nach § 43 WBG dem Gesamteinkommen hinzuzurechnen ist, die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen gezogen wurden. In den Erkenntnissen vom 9. Juni 1992, Slg. Nr. 13.052, und vom 28. November 1994, Slg. Nr. 13.933, sprach der Verfassungsgerichtshof jeweils aus, der Verwendungszweck der Familienbeihilfe werde durch eine sozialhilferechtliche Kostenbeitragsregelung "jedenfalls" dann nicht unterlaufen, wenn deren Inhalt die Heranziehung der Familienbeihilfe für Sozialhilfemaßnahmen sei, durch die "der Lebensunterhalt (einschließlich Unterbringung und Verpflegung) vollends" gesichert sei. Im Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Slg. Nr. 14.403, fügte der Verfassungsgerichtshof hinzu, die Intention des § 12a FLAG (wonach die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes gelte und dessen Unterhaltsanspruch nicht mindere) würde unterlaufen und das Berücksichtigungsgebot (gemeint: im Verhältnis des Landesgesetzgebers zum Bund) würde missachtet, wenn § 43 Abs. 3 WBG nicht verfassungskonform in dem Sinn interpretiert würde, dass die "Maßnahme" den Lebensunterhalt des Behinderten (hiezu verwies der Verfassungsgerichtshof auf § 12 des Wiener Sozialhilfegesetzes) "vollends" sicherstellen müsse. Dem Argument der belangten Behörde, die am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Fassung der Bestimmung lasse den gegenteiligen Willen des Landesgesetzgebers erkennen, hielt der Verfassungsgerichtshof entgegen, dies ändere an der durch ihn vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung nichts, "zumal bisher der Inhalt und die Verfassungsmäßigkeit des § 43 Abs. 3 WBHG nF vom Verfassungsgerichtshof nicht erörtert wurden".

Dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes schloss sich der Verwaltungsgerichtshof in den ebenfalls noch zur alten Rechtslage ergangenen Erkenntnissen vom 18. März 1997, Zl. 95/08/0021, und vom 23. Juni 1998, Zl. 97/08/0633, an (vgl. auch das einen Kostenbeitrag nach dem NÖ Sozialhilfegesetz betreffende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 1996, Slg. Nr. 14.563, und hiezu die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0128, vom 31. März 1998, Zl. 97/08/0452, und vom 29. März 2000, Zl. 94/08/0119; zur Fortführung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in einem von ihm als weitgehend gleich erachteten Zusammenhang sein Erkenntnis vom 5. Oktober 1998, Slg. Nr. 15.281).

Ausgehend von der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Auslegung des § 43 Abs. 3 WBG hob der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 95/08/0021, hervor, dies bedeute die Rechtswidrigkeit nicht nur der Mitberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Einkommensermittlung, sondern jedweder Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach § 43 Abs. 3 WBG, wenn der Lebensunterhalt des Behinderten durch die gewährte "Maßnahme" nicht "vollends sichergestellt" sei. Demgemäß wurde - unter Verweisung auf dieses Erkenntnis - mit dem Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 97/08/0633, ein Bescheid der belangten Behörde aufgehoben, in dem - wie im vorliegenden Fall, aber noch in Anwendung der alten Rechtslage - "von der Vorschreibung der Familienbeihilfe abgesehen" worden war.

Dem nunmehr angefochtenen Bescheid liegt eine Fassung des § 43 Abs. 3 WBG zugrunde, zu der die belangte Behörde in dem vom Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Slg. Nr. 14.403, entschiedenen Fall die Auffassung vertrat, sie sei nicht in der vom Verfassungsgerichtshof als notwendig erachteten Weise deutbar. Der Landesgesetzgeber habe den Fall, dass im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung Lebensunterhalt hinsichtlich der Bekleidung nicht gewährt werde, in § 43 Abs. 3 WBG nun ausdrücklich geregelt und damit klargestellt, dass - seinem Willen nach - der Lebensunterhalt des Behinderten durch die Unterbringung nicht im vollen Umfang des § 12 WSHG sichergestellt werden müsse.

In der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides hat es die belangte Behörde vorgezogen, sich über die Argumente des Verfassungsgerichtshofes ohne deren Erwähnung hinwegzusetzen. Erst in der Gegenschrift wird - zunächst begründungslos und in offenbarem Widerspruch zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes - die Meinung geäußert, aus den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes könne nicht abgeleitet werden, dass es eine am Berücksichtigungsgebot orientierte, verfassungskonforme Auslegung auch verlange, dass bei Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach § 43 Abs. 3 WBG (möglicherweise gemeint: ohne Heranziehung der Familienbeihilfe) der Lebensunterhalt des Behinderten durch die Maßnahme vollends sichergestellt sein müsse. Darüber hinaus verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift aber auch darauf, dass "ein solches Verlangen" durch die geltende Fassung der Bestimmung "nicht gedeckt" sei, weil letztere sich auch auf jene Fälle beziehe, in denen im Rahmen einer Maßnahme durch Unterbringung und Verpflegung der Lebensunterhalt hinsichtlich der Bekleidung nicht gewährt werde. Da auch in einem solchen Fall ein Kostenbeitrag zu leisten sei, könne nicht davon gesprochen werden, der Gesetzgeber verlange, dass für die Leistung eines Kostenbeitrages der Behinderte durch die Hilfemaßnahme zur Gänze von der Sorge um seinen Lebensunterhalt enthoben sein müsse.

Dem demnach im vorliegenden Fall wiederholten Argument der belangten Behörde, die Neufassung der Bestimmung lasse erkennen, dass der Landesgesetzgeber die vom Verfassungsgerichtshof als erforderlich erachtete Rücksichtnahme nicht beabsichtigt habe, ist zunächst entgegenzuhalten, dass es darauf nicht ankommt. Maßstab der verfassungskonformen Auslegung ist im gegebenen Zusammenhang nicht die Absicht des Landesgesetzgebers, sondern die Verfassung. Fraglich kann nur sein, ob der Wortlaut der vom Landesgesetzgeber geschaffenen Bestimmung es nunmehr ausschließt, sie in der vom Verfassungsgerichtshof - mit Rücksicht auf das höherrangige Normensystem - als erforderlich erachteten Weise zu interpretieren.

Die Schwierigkeiten, denen dies nun begegnen könnten, wirken sich auf den vorliegenden Fall aber nicht aus. Schon die Behörde erster Instanz hat festgestellt, die "Abdeckung der persönlichen Bedürfnisse" des Beschwerdeführers erfolge aus der Familienbeihilfe. Dem hat die belangte Behörde hinzugefügt, der Beschwerdeführer erhalte im Rahmen der Unterbringung im Wohnhaus des Vereines "Jugend am Werk" kostenlos "Unterkunft, Verpflegung, Bettzeug, Geschirr sowie Zimmerausstattung" und "kostenlos den Transport zur Beschäftigungstherapieeinrichtung" und müsse aus eigenem Einkommen "lediglich für Bekleidung, die kleineren Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie die Körperpflege" aufkommen. Zu den "kleineren Bedürfnissen des täglichen Lebens" rechnet die belangte Behörde an anderer Stelle ihrer Entscheidung auch die Körperpflege sowie Urlaubsaktivitäten (deren Kosten der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren u.a. geltend gemacht hatte), während in der Gegenschrift als Beispiele hiefür die - auch in § 12 WSHG ausdrücklich angeführten - Bedürfnisse der "Pflege der Beziehungen zur Umwelt" und der "Teilnahme am kulturellen Leben" angeführt sind. Damit steht insgesamt schon mit Rücksicht auf das nach § 12 WSHG zu den Grundbedürfnissen des Lebensunterhaltes zählende Bedürfnis der Körperpflege (wozu sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, dass der Beschwerdeführer angeblich unter Neurodermitis leidet) unstrittig fest, dass durch die Maßnahme, zu deren Kosten der Beschwerdeführer einen Beitrag leisten soll, sein Lebensunterhalt nicht nur in Bezug auf die Bekleidung nicht "vollends sichergestellt" ist. Der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung, dass die Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 WBG in einem solchen Fall nicht erfüllt sind, steht der nunmehrige Wortlaut der Bestimmung nicht entgegen.

Damit ist es aber auch ohne Bedeutung, dass die Familienbeihilfe zwar dem Gesamteinkommen ausdrücklich hinzugerechnet, vom zu leistenden Beitrag unter Berufung auf § 43 Abs. 5 WBG aber wieder in Abzug gebracht wurde. In dieser Hinsicht kann auf die Erkenntnisse vom 18. März 1997, Zl. 95/08/0021, und vom 23. Juni 1998, Zl. 97/08/0633, verwiesen werden.

Nicht mehr ausschlaggebend ist demnach auch, dass die belangte Behörde dem vom Beschwerdeführer an den Verein "Jugend am Werk" zu leistenden "Haushaltsbeitrag" zu Unrecht jede Bedeutung abgesprochen hat. Dass es sich um eine "Zahlung auf Grund einer rein privatrechtlichen Vereinbarung" handle, ist schon deshalb kein Argument, weil dies auf Zahlungen, die zur Befriedigung der durch die Unterbringung nicht gedeckten Lebensbedürfnisse erfolgen, auch sonst in der Regel zutreffen wird. Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer noch entgegenhält, im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit dem Verein "Jugend am Werk" sei "wiederholt festgestellt" worden, dass behinderten Menschen "der Lebensunterhalt durch Unterbringung und Verpflegung" auch dann sicherzustellen sei, wenn kein solcher "Haushaltsbeitrag" entrichtet werde, so wird damit implizit zugestanden, dass im Rahmen dieser Maßnahme vom Land Wien nur die Unterbringung und Verpflegung kostenlos gewährt wird.

Hinzuweisen ist schließlich noch auf die im Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0268, behandelte Problematik der rückwirkenden Vorschreibung von Kostenbeiträgen auf Grund pflegebezogener Geldleistungen. Darauf, inwieweit die Entscheidung der belangten Behörde auch unter diesem Gesichtspunkt rechtswidrig sein könnte, braucht aber nicht mehr eingegangen zu werden. Der angefochtene Bescheid ist vielmehr schon deshalb, weil die belangte Behörde ausgehend von einem vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Verständnis der Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 WBG die Erfüllung dieser Voraussetzungen zu Unrecht angenommen hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2000

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