Normen
ASVG §67 Abs10;
GmbHG §107;
GmbHG §108 Z2;
VwRallg;
ASVG §67 Abs10;
GmbHG §107;
GmbHG §108 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 6. Juli 1994 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer "als Geschäftsführer" der Holtner Bau KFT GesmbH in Bruck/Leitha gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Zahlung der auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrage von S 375.966,07 zuzüglich Verzugszinsen ab 25. Juni 1994.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in dem er zusammenfassend vorbrachte, er sei zwar von der Holtner Bau KFT GesmbH mit Hauptsitz in Gyöngyös, Ungarn, für die in Bruck/Leitha gegründete Zweigniederlassung zum "Inlandsleiter" bestellt worden, man habe ihm aber zugesichert, dass mit dieser Funktion keinerlei Haftung verbunden sei und er sich bei der Gesellschaft schad- und klaglos halten könne. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Gesellschaft bzw. die Geschäftsführung in Ungarn sämtliche Haftungen übernehme und zu übernehmen habe, dies umso mehr, als tatsächlich die ganze Geschäftsführung, Vermögensgebarung, Lohnverrechnung, Auftragserteilung, Buchhaltung, etc. von der Zentrale in Ungarn aus gesteuert worden sei und er tatsächlich keinen Einfluss darauf gehabt habe. Es treffe ihn kein Verschulden daran, dass die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Gebietskrankenkasse abgeführt worden seien, weil es ihm faktisch unmöglich gewesen wäre, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Die für ihn einzige Möglichkeit, nämlich den Geschäftsführer aufzufordern, die Zahlungen zu veranlassen, sei fruchtlos geblieben. Im Hinblick darauf, dass die gesamte Unternehmensführung "von der Zentrale aus gesteuert" worden sei, sei es ihm auch nicht möglich gewesen, Vorkehrungen zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu treffen. Selbst zu seiner Löschung als inländischer Vertreter aus dem Firmenbuch habe er ein gerichtliches Löschungsverfahren einleiten müssen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers teilweise stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe abgeändert, dass an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren ein Betrag von S 259.303,87 zuzüglich der ab 25. Juni 1994 laufenden Verzugszinsen zu entrichten sei.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Einspruchsvorbringens des Beschwerdeführers, zum Sachverhalt, der Beschwerdeführer sei im Zeitraum Juni 1993 bis Jänner 1994 "inländischer Vertreter gemäß § 108 Z. 2 GmbH-Gesetz der Holtner-Bau KFT GesmbH mit Sitz in Ungarn" gewesen. Diese schulde für diesen Zeitraum der mitbeteiligten Partei Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren in der Höhe von S 375.966,07, deren Uneinbringlichkeit im Hinblick auf die Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22. April 1994 als erwiesen anzusehen sei.
Nach Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die Einspruchsbehörde die Auffassung, dass der Beschwerdeführer trotz gegebener Gelegenheit nicht dargelegt habe, aus welchen Gründen er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe, sodass deren schuldhafte Verletzung angenommen werden könne. Seine Einwände betreffend mangelnde Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung gingen ins Leere, weil sich der Beschwerdeführer auf eine derartige Konstruktion nicht hätte einlassen dürfen. Der im erstinstanzlichen Bescheid auferlegte Betrag sei jedoch um die vom Insolvenz-Ausfallsgeld-Fonds entrichteten Dienstnehmerbeitragsanteile herabzusetzen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - den angefochtenen Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Der Beschwerdeführer war im maßgebenden Zeitraum- wie nicht strittig ist - gem. § 108 Z. 2 GesmbH-Gesetz zum inländischen Vertreter der in das Handelsregister eingetragenen inländischen Zweigniederlassung der Holtner Bau KFT, die ihren Sitz in Ungarn hat, bestellt. Die belangte Behörde hält ihn "als Vertreter einer ausländischen GesmbH" offenbar für dem Kreis der in § 67 Abs. 10 ASVG umschriebenen Vertreter zugehörig.
Der Beschwerdeführer, der dies der Sache nach (wenngleich mit der Begründung, er habe auf die Gestion der GesmbH keinerlei Einfluss gehabt) bestreitet, ist im Ergebnis im Recht:
Gem. § 107 Abs. 1 GesmbH-Gesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 304/1996 konnten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes haben, im Inland unter der Voraussetzung der Eintragung in das Handelsregister durch eine Niederlassung Geschäfte betreiben. Gem. § 107 Abs. 2 leg. cit. war zur Eintragung ua die Zeichnung "der zur Zeichnung der Firma der inländischen Niederlassung berechtigten Personen in beglaubigter Form" beizuschließen. Gem. § 108 Z. 2 leg. cit. war die Eintragung ua dann zu versagen, wenn die Gesellschaft nicht nachweist, dass sie für ihren gesamten Geschäftsbetrieb im Inland eine zur gültigen Zeichnung der Firma ihrer inländischen Niederlassung berechtigte Vertretung bestellt hat, deren Mitglieder im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Der Beschwerdeführer hat im Verfahren dargelegt, nur "Inlandsleiter" der ungarischen Gesellschaft iS des § 108 Z. 2 GmbH-Gesetz gewesen zu sein. Davon gehen auch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei aus. Sie meinen freilich, dass ein solcher Inlandsvertreter im Sinne der §§ 107, 108 Z. 2 GesmbH-Gesetz ein zur Vertretung der Gesellschaft berufenes Organ der ungarischen Gesellschaft ist, die von der belangten Behörde zutreffend als Beitragsschuldnerin angesehen wird, da eine Zweigniederlassung keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. dazu statt vieler Wünsch, Handelsrecht I4, 178ff und die dort wiedergegebene weitere einhellige Lehre und Rechtsprechung; zB HS 7454, 9014, 18010, 20168 uva.)
Ein inländischer Vertreter im Sinne der §§ 107, 108 GesmbH-Gesetz muss aber lediglich zur "gültigen Zeichnung der Firma der inländischen Niederlassung" für den gesamten inländischen Geschäftsbetrieb bestellt sein, weshalb aus dieser Bestellung nicht der Schluss gezogen werden kann, dass der solcherart bestellte Inlandsvertreter auch zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft berufen sei. Der von der mitbeteiligten Partei betonte Umstand, dass der Beschwerdeführer die Gesellschaft "selbständig" vertreten hat, bedeutet lediglich, dass er nicht bloß gemeinsam mit einem anderen Vertreter zeichnungsberechtigt gewesen ist, besagt aber nicht, dass der Umfang seiner Vertretungsmacht über die Befugnis "zur gültigen Zeichnung der Firma der inländischen Niederlassung" hinausgegangen wäre, vor allem aber wird damit nichts darüber ausgesagt, ob der Beschwerdeführer dem Vertretungsorgan der ungarischen Gesellschaft - als Voraussetzung einer Haftung im Sinn des § 67 Abs. 10 ASVG - angehört hat. Die Frage, wer organschaftlich zur Vertretung der in Ungarn ansässigen Gesellschaft berufen ist, richtet sich vielmehr nach ungarischem Recht, während sich die Voraussetzungen und Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung (und um eine solche und nicht um die Berufung in eine Organfunktion handelt es sich bei der Bestellung des inländischen Vertreters iS des § 108 Z. 2 GesmbH-Gesetz) nach österreichischem Recht bestimmen (vgl. SZ 68/181 mit zahlreichen Hinweisen und unter Ablehnung der älteren Rechtsprechung). Weder erfordert § 108 Z. 2 GesmbH-Gesetz die Vertretung durch eine Person, die dem Vertretungsorgan der Gesellschaft angehört, noch hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen im Verfahren - auch Mitglied des zur Vertretung der ungarischen Gesellschaft nach außen berufenen Organs wäre. Die Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG erfasst jedoch nur gesetzliche, nicht aber auch gewillkürte Vertreter juristischer Personen (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0223 mit näherer Begründung).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grunde als rechtwidrig; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. März 2000
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