VwGH 95/13/0029

VwGH95/13/002929.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerden der D GmbH in W, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 49, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland 1. (Berufungssenat IIIA) vom 11. November 1994, Zl 6/2- 2219/93-11, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1990 und 2. vom 16. Jänner 1995, Zl 11-93/2202/2/11, betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis August 1991, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;
UStG 1972 §11 Abs1;
UStG 1972 §12 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde unter anderem festgestellt, dass sich die Beschwerdeführerin im Zeitraum Jänner 1990 bis August 1991 zweier Subunternehmer, der P GmbH, N Gasse 23, sowie der G GmbH, B Gasse 6, bedient habe. Die vorliegenden Rechnungen mit Steuerausweis dieser Gesellschaften im Ausmaß von insgesamt rund S 9,7 Mio hätten zum Vorsteuerabzug gedient. Hinsichtlich der P GmbH sei anlässlich einer Erhebung am 8. Oktober 1991 an der Anschrift N Gasse 23 ein versperrtes Geschäftslokal vorgefunden worden. Am Portal sei der Hinweis "wegen Umbau geschlossen" angebracht gewesen. Laut niederschriftlicher Aussage der Hausinhaberin Erika A sei das erste Mietverhältnis mit Janusz K (Gesellschafter und Prokurist der Beschwerdeführerin) beginnend mit 1.1.1989 abgeschlossen gewesen. Mitte August 1990 sei Janusz K an Erika A herangetreten und habe um Errichtung eines neuen Mietvertrages mit Pawel S als Mieter ersucht. Die vierteljährlichen Mietabrechnungen für Pawel S seien an die Adresse der Beschwerdeführerin geschickt worden. Ein Mietverhältnis mit der P GmbH bzw deren Vertretern Piotr K oder Marek G habe es nie gegeben. Pawel S sei auf einer Namensliste einer Unfallversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft als Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin aufgeschienen. Als Wohnadresse von Piotr K und Marek G scheine ein Hotel auf, in welchem die Personen laut Gästebuch aber nie gewohnt hätten. Es sei daher eine Kontaktaufnahme mit der P GmbH bzw mit deren Vertretern nicht möglich gewesen. Auch deren steuerlicher Vertreter, welcher auch die Beschwerdeführerin vertrete, habe keine Auskünfte über die P GmbH geben können.

Die G GmbH sei in der B Gasse 6 nicht existent. Die Hausinhaberin Elisabeth S habe zu Protokoll gegeben, dass die Wohnung Top 1 (die Hausbesorgerwohnung) nie an die G GmbH bzw an deren Vertreter Grzegorz M und Leszek P vermietet gewesen sei. Die G GmbH habe an der Adresse B Gasse 6 nie eine Tätigkeit ausgeübt. Lediglich Poststücke genannter Gesellschaft seien postwendend an den Absender wieder zurückgeschickt worden. Zu den Wohnadressen der Gesellschafter Grzegorz M und Leszek B wurde darauf hingewiesen, dass diese an näher angeführten Adressen zwar aufrecht gemeldet, jedoch nicht auffindbar seien. Eine Kontaktaufnahme sei daher nicht möglich gewesen. Laut Gebietskrankenkasse habe die G GmbH seit ihrer Gründung (im März 1991) bis dato keine Arbeitnehmer angemeldet, die der Beschwerdeführerin zur Verfügung hätten gestellt werden können. Mittels Vorhalt sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, die Geschäftsbeziehungen zu den angeführten Subunternehmern offen zu legen und konkrete Unterlagen (Ausmaß, Berechnungen etc) beizubringen. In Beantwortung dieses Vorhaltes sei auf persönliche Kontakte mit Piotr K, Marek G, Grzegorz M und Leszek B hingewiesen worden. An Auftragsunterlagen seien lediglich "Rahmenverträge mit einem Leistungsverzeichnis" und einige Auftragsschreiben beigebracht worden. Die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden, eine Kontaktaufnahme der Prüfungsorgane mit den Vertretern der P und G GmbH zu ermöglichen. Solche seien jedoch nicht zu Stande gekommen. Auffallend hiezu sei weiters, dass bei Prüfungsanmeldung am 3. Oktober 1991 vom Prokuristen Janusz K mitgeteilt worden sei, dass die Geschäftsverbindungen mit den Firmen P und G GmbH mit Ende August 1991 (die letzten Eingangsrechnungen der Subfirmen datierten vom 23. August 1991) aufgelöst worden seien und keinerlei Auftragsunterlagen (Regiestundenlisten zu den in Rechnung gestellten Regiearbeiten, etc) vorgelegt werden könnten. Bei Vergleich der Ausgangsrechnungen über die Abrechnung der Baustellen mit den Eingangsrechnungen der Subfirmen sei festgestellt worden, dass sowohl Ausgangs- und Eingangsrechnungen den gleichen Rechnungsinhalt aufgewiesen hätten, mit dem Unterschied, dass die Leistungen (Innenputz-, Gipsarbeiten) von der Beschwerdeführerin mit einem geringen Aufschlag an den jeweiligen Kunden weiter verrechnet worden seien. Im Zuge der Prüfung sei weiters eine Erhebung bei der bereits erwähnten Versicherungsgesellschaft durchgeführt worden, da die Beschwerdeführerin eine Kollektiv-Unfallversicherung abgeschlossen habe. Auf Grund der vorgelegten Namenslisten der versicherten Personen sei festgestellt worden, dass auf den Namenslisten unter anderem Leszek P und Grzegorz M sowie drei weitere angemeldete Arbeitskräfte der P GmbH aufgeschienen seien. Hieraus sei zu schließen, dass auf Grund der vorliegenden Namenslisten der Versicherungsgesellschaft für eine Unfallversicherung die angeführten Personen als Arbeitnehmer, die größtenteils bei der Wiener Gebietskrankenkasse nicht angemeldet gewesen seien, der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien. Die erbrachten Bauleistungen würden von den durch die Beschwerdeführerin am Arbeiterschwarzmarkt beschafften Arbeitskräfte erbracht und nicht von den Subfirmen P GmbH bzw G GmbH. Auf Grund der Feststellungen ergebe sich, dass den in den vorliegenden Eingangsrechnungen der Subfirmen angeführten Leistungen ein tatsächliches wirtschaftliches Geschehen nicht zu Grunde liege. Die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sei daher mangels Leistungsaustausch als Vorsteuer nicht anzuerkennen.

Das Finanzamt erließ für das Jahr 1990 einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid sowie für den Zeitraum Jänner 1991 bis August 1991 einen entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid.

In den dagegen erhobenen Berufungen wird im Wesentlichen ausgeführt, dass beide Gesellschaften im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien registriert und daher rechtlich existent seien. Der Geschäftsführer der G GmbH Grzegorz M habe sich regelmäßig an der Adresse B Gasse 6 aufgehalten und sei dort postalisch erreichbar gewesen. Hinsichtlich der P GmbH wurde darauf hingewiesen, dass das Objekt in der N Gasse 23 von Pawel S an die W GmbH sowie an die P GmbH untervermietet worden sei. Beide Gesellschaften hätten dort nach Wissen der Beschwerdeführerin ihre Geschäftstätigkeit entfaltet. Zum Beweis dafür wurde die Vernehmung unter anderem des Richard N, Geschäftsführer der W GmbH beantragt. Zu der erwähnten Unfallversicherung wurde ausgeführt, dass es sich dabei um eine Gruppenversicherung mit dem ausschließlichen Zweck gehandelt habe, dadurch die entsprechenden Tarifbegünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Diese Gruppenversicherung sei sämtlichen Mitarbeitern der Beschwerdeführerin sowie deren Angehörigen und Bekannten zum Beitritt offen gestanden. Mit den Geschäften der Beschwerdeführerin habe diese Versicherung rein gar nichts zu tun gehabt, und schon gar nicht habe sie der Versicherung von bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Schwarzarbeitern gedient. Die Beiträge seien demgemäß auch nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von den jeweiligen Versicherungen selbst getragen worden. Daraus ergebe sich, dass die Feststellungen und Schlussfolgerungen, auf Grund welcher seitens der Behörde die Vorsteuer aus Eingangsrechnungen der P GmbH und G GmbH mangels Leistungsaustausches aberkannt worden seien, unzutreffend seien.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen (abgesehen von einer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittigen Erhöhung der Vorsteuern für das Jahr 1990) ab. Nach § 11 Abs 1 UStG 1972 müssten Rechnungen unter anderem den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmens enthalten. Das Gesetz begnüge sich nicht mit Angaben, aus denen im Zusammenhang mit dem übrigen Sachverhalt hervorgehe, dass irgendein Unternehmer die in Rechnung gestellten Lieferungen oder Leistungen erbracht habe. Es müsste vielmehr aus den Rechnungen eindeutig jener Unternehmer zu ersehen sein, der tatsächlich geliefert oder geleistet habe. Enthielten Rechnungen wie im gegenständlichen Fall Name oder Anschrift eines Lieferanten, der unter dem angegebenen Namen oder der angegebenen Anschrift nicht existiere, dann fehle es an der Angabe von Name und Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmens und somit an einer wesentlichen Voraussetzung für einen Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1972. Wie sich aus dem gesamten Verfahren ergeben habe, hätten an den angegebenen Anschriften der P GmbH und der G GmbH keine Hinweise auf eine Ausübung einer Geschäftstätigkeit festgestellt werden können. Da außer den vorhandenen Eingangsrechnungen keinerlei Unterlagen hätten vorgelegt werden können, die einen tatsächlichen Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und den Subunternehmen hätten dokumentieren können (zB Kostenvoranschläge, Auftragsbestätigungen etc) müsse davon ausgegangen werden, dass ein Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und den Subunternehmen nicht stattgefunden habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobenen, wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Anerkennung der in den Rechnungen der P GmbH und G GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer zunächst mit der Begründung verweigert, dass - im Hinblick darauf, dass die beiden Gesellschaften an den in den Rechnungen angeführten Anschriften nicht existent gewesen seien - den Rechnungen der formale Mangel eines Fehlens der Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmens anhafte. Diese rechtliche Beurteilung ist - auf der Basis, dass die betreffenden Gesellschaften an den in der Rechnung aufscheinenden Adressen tatsächlich nicht existierten - nicht als unrichtig zu erkennen (vgl. das hg Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, 90/15/0042).

Die belangte Behörde stützt die Verweigerung der Anerkennung der in den Rechnungen der P GmbH und der G GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuern auch darauf, dass alle Personen, die zu den von der Beschwerdeführerin behaupteten Geschäftsbeziehungen hinsichtlich angeblicher Aufträge in Millionenhöhe zeugenschaftlich befragt hätten werden können, nicht auffindbar gewesen seien, die angeblichen Geschäftsbeziehungen kurz vor Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung abgebrochen worden seien und es der Beschwerdeführerin wenige Wochen später nicht mehr möglich gewesen sei, Kontakte zu den vormaligen Geschäftspartnern herzustellen und außer den vorhandenen Eingangsrechnungen keinerlei Unterlagen hätten vorgelegt werden können, die einen tatsächlichen Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und den Subunternehmen hätten dokumentieren können. Aus diesen Umständen folgerte die belangte Behörde, dass ein Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und den Subunternehmen nicht stattgefunden habe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieses Ergebnis der behördlichen Beweiswürdigung unter den gegenständlich gegebenen Umständen schon deshalb nicht als unschlüssig oder der Lebenserfahrung widersprechend zu beurteilen, weil es undenkbar ist, dass bei tatsächlich im behaupteten Umfang gegebenen Geschäftsbeziehungen - das "Auftragsvolumen" belief sich hinsichtlich der P GmbH auf rund 8,4 Mio S - keinerlei Unterlagen existieren, die geeignet sind, einen entsprechenden Leistungsaustausch zu dokumentieren. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass es plausibel und leicht nachvollziehbar erscheine, wenn im Rahmen einer ständigen, funktionierenden Geschäftsverbindung die Weitergabe von Aufträgen, insbesondere von simplen Innenausbauarbeiten so ablaufe, dass der Subauftraggeber dem Subauftragnehmer einfach das Leistungsverzeichnis seines Auftraggebers zuleite, der die Aufträge dann ausführe und fakturiere, vermag der Verwaltungsgerichtshof - unter Bedachtnahme auf das gegenständliche Auftragsvolumen - insbesondere dahingehend nicht zu teilen, dass der Subauftraggeber keinerlei Unterlagen zurückbehält, und sei es nur zu dem Zweck, um die Leistungen und Abrechnungen des Subauftragnehmers kontrollieren zu können. Darauf, dass die Geschäftsverbindung eine "ständige" und "funktionierende" gewesen sei, kann sich die Beschwerdeführerin im Übrigen deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil jene allenfalls erst im Laufe des Jahres 1990 aufgebaut worden war und die Beschwerdeführerin zu deren Beginn auf keine entsprechenden Erfahrungen zurückgreifen konnte. Der gerügten Unterlassung der Einvernahme des Richard N kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, weil dieser nur zur Frage einer allfälligen Geschäftstätigkeit der P GmbH an der Adresse N Gasse 23 als Zeuge beantragt worden war, nicht aber zur Frage eines Leistungsaustausches zwischen der Beschwerdeführerin und der P GmbH. Die Unterlassung der Einvernahme eines namentlich genannten Zeugen zur Frage, ob die abgeschlossene Gruppenversicherung lediglich den Zweck hatte, Tarifbegünstigungen für sämtliche "Mitarbeiter" der Beschwerdeführerin, deren Angehörige und Bekannte zu ermöglichen, wurde zu Unrecht als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt, weil die Beschwerdeführerin nicht aufzeigt, inwiefern diese Vernehmung allenfalls geeignet gewesen wäre, schlüssige Folgerungen zur Frage eines allfälligen Leistungsaustausches zwischen der Beschwerdeführerin und der P GmbH sowie der G GmbH zuzulassen.

Die Verfahrensrüge, die Behörde habe "offenbar" keine Beweise darüber aufgenommen, ob die beiden Subunternehmer steuerlich erfasst gewesen seien und die entsprechenden Abgaben abgeführt hätten, ist schon deswegen verfehlt, weil von der Prüferin entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin derartige Ermittlungen durchgeführt wurden, deren Ergebnisse aber zu keinen für die Beschwerdeführerin günstigen Ergebnissen geführt haben.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 29. November 2000

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