Normen
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §88;
FrG 1997 §89;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §88;
FrG 1997 §89;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. Juni 1997 (Tag des Einlangens beim Landeshauptmann von Wien) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie die Familiengemeinschaft mit ihren Eltern an. Zur Sicherung ihres Unterhaltes berief sich die Beschwerdeführerin auf Verpflichtungserklärungen ihrer Eltern sowie weiterer Familienangehöriger.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. April 1998 wies dieser den als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG 1997 könne die Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn der Fremde nicht über ausreichende Mittel zu seinem Unterhalt verfüge oder sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die Beschwerdeführerin verfüge nach ihren eigenen Angaben über keine eigenen Mittel für ihren Unterhalt. Die Beschwerdeführerin habe nun Verpflichtungserklärungen von Familienangehörigen vorgelegt. Solche Verpflichtungserklärungen erlaubten es zwar, trotz Vorliegens des in Rede stehenden Versagungsgrundes ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, jedoch sei die Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 unzulässig.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung und erklärte, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 zu beantragen. Die Voraussetzung hiefür habe sie in Form von Verpflichtungserklärungen ihrer Familienangehörigen erbracht.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1999 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 bis 3, sowie mit § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrG 1997 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen hätten, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Damit sei der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Aufenthaltszweck verfehlt. Überdies verfüge sie über keine eigenen Mittel zur Bestreitung ihres Unterhaltes. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund einer Verpflichtungserklärung sei jedoch gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 unzulässig. Weiters sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die anderen möglichen Aufenthaltszwecke nach dem FrG 1997 im Hinblick auf die Vielzahl der Bewilligungswerber nur mäßig oder überhaupt nicht erfülle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 7, § 10 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 sowie § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als
- 1. Aufenthaltserlaubnis oder
- 2.
Niederlassungsbewilligung
erteilt.
(2) Aufenthaltstitel berechtigen zum Aufenthalt für einen bestimmten Zweck oder zum dauernden Aufenthalt sowie zu den mit diesen Aufenthalten verbundenen Einreisen.
(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die
1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder
2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,
brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.
(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn
1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;
2. sie unselbständig erwerbstätig sind und ihr Arbeitsvertrag mit ihrem international tätigen Dienstgeber sie entweder
a) als leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, oder
b) als der Unternehmensleitung zugeteilte qualifizierte Mitarbeiter, die zur innerbetrieblichen Aus- oder Weiterbildung (Führungskräftenachwuchs) verpflichtet sind, oder
c) als Vertreter repräsentativer ausländischer Interessenvertretungen ausweist
und Rotationen im Hinblick auf den Dienstort vorsieht;
3. sie Ehegatten oder minderjährige unverheiratete Kinder der in Z 1 und 2 genannten Fremden sind, sofern sie nicht erwerbstätig sein wollen;
4. sie in Österreich erwerbstätig sind, ohne an einem Wohnsitz niedergelassen zu sein.
...
§ 10. ...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;
...
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 1 oder 2 ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn auf Grund einer im öffentlichen Interesse eingegangenen Verpflichtung eines Rechtsträgers im Sinne des § 1 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes, BGBl. Nr. 20/1949, oder auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten."
Das Verfahren der Beschwerdeführerin über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war am 1. Jänner 1998 bei der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde anhängig.
Der Landeshauptmann von Wien wertete diesen Antrag der Beschwerdeführerin, mit dem sie offenkundig die Begründung eines Hauptwohnsitzes im Verständnis des § 1 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihren Eltern anstrebte, zu Recht in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Dafür, dass die Beschwerdeführerin zu dem in § 7 Abs. 4 FrG 1997 umschriebenen Personenkreis zählte, dem nach Inkrafttreten des FrG 1997 eine Aufenthaltserlaubnis hätte erteilt werden können, bestanden keine Anhaltspunkte.
"Sache" des Berufungsverfahrens war angesichts des auf den - zutreffend als solchen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten - Antrag der Beschwerdeführerin vom 24. Juni 1997 begrenzten Abspruches der Niederlassungsbehörde erster Instanz nur dieser Abspruch (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Slg. Nr. 9673/A, nur Rechtssatz).
Der Berufungsantrag der Beschwerdeführerin richtete sich nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er ist auch ohne Zweifel so gemeint, stellt sich diese Antragstellung doch als unmittelbare Reaktion auf den erstinstanzlichen Bescheid dar, in welchem ausgeführt wurde, dass aufgrund einer Verpflichtungserklärung zwar eine Aufenthaltserlaubnis, nicht aber eine Niederlassungsbewilligung erteilt werden könnte. Als Konsequenz dessen ging die Beschwerdeführerin offenbar davon aus, sie könne nunmehr im Berufungsverfahren statt der von der erstinstanzlichen Behörde versagten Niederlassungsbewilligung eine Aufenthaltserlaubnis anstreben.
Freilich betrifft aber der nunmehr auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Berufungsantrag eine andere "Sache", zu deren Erledigung die Niederlassungsbehörden auch nicht zuständig sind (vgl. §§ 88 und 89 FrG 1997). Da der Berufungswerber von der Berufungsinstanz nur eine andere Entscheidung in derselben "Sache", nicht aber die Entscheidung in einer anderen "Sache" begehren kann, ist ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache kein zulässiger Berufungsantrag. Da sich der Berufungsantrag vorliegendenfalls nicht innerhalb der "Sache" des Verfahrens erster Instanz bewegte, liegt kein zulässiger Berufungsantrag vor. Die Berufung wäre ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3389).
Nach dem Vorgesagten kam der belangten Behörde daher lediglich die funktionelle Zuständigkeit zur Zurückweisung der unzulässigen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu. Demgegenüber hätte die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung einer Sachentscheidung das Vorliegen eines zulässigen Berufungsantrages, im besonderen Fall eines Berufungsantrages innerhalb der durch den erstinstanzlichen Abspruch umschriebenen Sache des weiteren Verwaltungsverfahrens vorausgesetzt. Indem die belangte Behörde eine Sachentscheidung über die Frage der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erließ, ohne dass ein tauglicher Berufungsantrag der Beschwerdeführerin vorlag, nahm sie eine funktionelle Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukam. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997).
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid ungeachtet der Frage, ob diese Unzuständigkeit als Beschwerdepunkt geltend gemacht wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren mit Zurückweisung der Berufung vorzugehen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. September 1999
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