VwGH 99/19/0029

VwGH99/19/002914.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1933 geborenen MK in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1998, Zl. 309.077/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 10. Jänner 1997 (Datum des Einlangens beim Landeshauptmannes von Wien) die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie gab an, Pensionistin zu sein und als solche in Österreich leben zu wollen. Schließlich brachte sie unter anderem Folgendes vor:

"Ich bin bosnisch-herzegowinische und kroatische Staatsbürgerin und musste aufgrund der bewaffneten Konflikte meine Heimat verlassen. Im April 1992 reiste ich zu meiner lebenden Familie nach Österreich ein. ..."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag der Beschwerdeführerin als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag könne im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen sei und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt habe. Aufgrund der Aktenlage sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag per Post an den Landeshauptmann von Wien übermittelt habe. Sie selbst habe sich in diesem Zeitpunkt in Österreich aufgehalten. Damit sei der Bestimmung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 nicht Genüge getan. Wie auch die gleich lautende Vorgängerbestimmung des § 6 Abs. 2 AufG setze § 14 Abs. 2 FrG 1997 voraus, dass der Antrag vom Ausland aus gestellt und die Entscheidung hierüber grundsätzlich vom Ausland abgewartet werde. Die Nichterfüllung dieser Erfolgsvoraussetzung ziehe zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich. Ein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Antragstellerin sei im Hinblick auf Art. 8 MRK entbehrlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 2 und § 112 FrG 1997 lauten:

"§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). ...

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ..."

Im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (18. November 1998) stand das am 1. August 1998 in Kraft getretene Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, BGBl. I Nr. 85/1998, in Kraft. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes lautete:

"§ 1. (1) Fremde, denen auf Grund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam oder die auf Grund der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, ist - sofern sie vor dem 1. Oktober 1997 nach Österreich eingereist sind, sich hier ständig aufhalten und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) BGBl. I Nr. 75/1997, bei ihnen bis auf weiteres gesichert scheinen - für die Niederlassung auf Dauer auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung (§ 23 FrG) zu erteilen und zwar, wenn

...

3. sie keine Erwerbsabsicht haben, eine Niederlassungsbewilligung für Private."

§ 1 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, lautete:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten und anderweitig keinen Schutz fanden, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie

1. vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ..."

Die Beschwerdeführerin rügt zutreffend, dass es die belangte Behörde unterließ, sich im angefochtenen Bescheid mit ihrem oben wiedergegebenen Antragsvorbringen auseinander zu setzen.

Bei Zutreffen dieses Vorbringens wäre es nicht ausgeschlossen, dass der behauptetermaßen vor dem 1. Juli 1993 eingereisten Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zugekommen wäre. Diesfalls wäre der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen gewesen, wenn sie ständig im Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 FrG 1997 bis auf weiteres gesichert gewesen wären.

Das Verfahren über ihren am 10. Jänner 1997 eingebrachten Antrag wäre dann (jedenfalls ab 1. August 1998) als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen. Ob diese Konsequenz auch schon nach § 112 FrG 1997 geboten gewesen wäre oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben.

Fiel aber die Beschwerdeführerin unter den in § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, umschriebenen Personenkreis, so erwiese sich die Versagung der Erteilung einer Bewilligung gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 als unzulässig. § 1 Abs. 1 des erstgenannten Gesetzes setzt nämlich als Voraussetzung für die Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung ausdrücklich voraus, dass sich der Fremde ständig in Österreich aufhält. Eine auf § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 gestützte Versagung einer von einem solchen Fremden beantragten Niederlassungsbewilligung erschiene daher mit dem Normzweck des § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 85/1998, unvereinbar.

Hätte die Beschwerdeführerin daher dem in § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 umschriebenen Personenkreis angehört, so hätte dies zur Folge, dass das Verfahren über ihren Antrag als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen und eine Anwendung des Versagungsgrundes des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ausgeschlossen gewesen wäre.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer stehen neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht zu (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, wiedergegebene Judikatur).

Wien, am 14. Mai 1999

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