Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 30. Juni 1996 vom Landesgericht (richtig: Landgericht) Karlsruhe wegen Totschlages rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er in der Nacht vom 23. auf 24. Oktober 1995 in einem Pforzheimer Hotel einen Landsmann ohne irgendeinen nachvollziehbaren Anlass getötet habe. Er habe auf sein Opfer mit einem Springmesser insgesamt 26 Mal, und zwar mit erheblicher Wucht, eingestochen. Wie dem Urteil weiters zu entnehmen sei, sei er bei der Begehung der Tat infolge eines akuten paranoiden bzw. paranoid-halluzinatorischen Schubs der bei ihm bestehenden schizophrenen Psychose nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seines Tuns einzusehen, weshalb er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen und keine Strafe verhängt, sondern seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden sei. In weiterer Folge sei er von den deutschen Behörden aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und schließlich im Jahr 1997 in die Türkei abgeschoben worden.
Wenn auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht verwirklicht sei, so sei im Hinblick darauf, dass Abs. 2 dieser Bestimmung nur eine demonstrative Aufzählung von bestimmten Tatsachen enthalte, zu überprüfen, ob auf Grund anderer bestimmter Tatsachen der Tatbestand des § 36 Abs. 1 FrG erfüllt sei. Es könne nun kein Zweifel daran bestehen, dass die Tathandlung des Beschwerdeführers ebenso wie eine Verurteilung zu einer Strafe wegen dieser Tat eine Tatsache darstelle, die die Annahme rechtfertige, dass sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit gefährde, liege doch eine Tathandlung vor, die bei Schuldfähigkeit jedenfalls zu einer hohen Strafe geführt hätte. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer sich in ständiger ärztlicher Behandlung befände, sich sein Zustand gebessert hätte und er um die Problematik im Fall einer Nichtbehandlung Bescheid wüsste. Wie dem zitierten Gerichtsurteil zu entnehmen sei, sei er bereits vom 20. November 1992 bis 21. April 1994 in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung gewesen und mit Depot-Neuroleptika behandelt worden. Im Mai 1994 sei bei ihm von einem Wiener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie das Vorliegen eines schizophrenen Residualzustandes nach paranoid-halluzinatorischer Psychose diagnostiziert worden. Dennoch sei es dann im Jahr 1995 zu dem folgenschweren Vorfall gekommen. Es könnten daher keineswegs künftige Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden. Demzufolge erweise sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - als gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei erstmals im Mai 1986 nach Österreich eingereist und habe zunächst einen Sichtvermerk für drei Monate erhalten. Im Dezember 1986 sei er in den Verdacht geraten, sich eine Beschäftigungsbewilligung durch Anstiftung zum Missbrauch der Amtsgewalt erschlichen zu haben, doch sei es zu keiner Verurteilung gekommen. Es sei versucht worden, ihn zur Ausreise zu verhalten, doch sei er illegal in Österreich geblieben und im April 1988 wegen unerlaubten Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden. Erst danach, ab Mai 1988, habe er eine Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) erhalten und sich hier niederlassen können. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe vier Kinder. Seine gesamte Familie lebe jedoch in der Türkei. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet mache er nicht geltend, sondern bringe lediglich vor, über eine Arbeitsbewilligung zu verfügen und eine befristete Invaliditätspension zu beziehen. Selbst wenn man von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG ausgehen wollte, sei die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten. Der der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt verdeutliche sehr augenfällig die latente Wiederholungsgefahr. Daran könnten auch eine regelmäßige Vorlage von ärztlichen Behandlungsunterlagen bzw. Kontrolluntersuchungen durch den Amtsarzt nichts ändern. Gerade wie sich aus dem vorliegenden Urteil gezeigt habe, sei es trotz ärztlicher Behandlung zu dem schwerwiegenden Vorfall gekommen. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den mehrjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen, welcher jedoch mehrmals unterbrochen worden sei. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der aus diesem Aufenthalt ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil den privaten Interessen des Beschwerdeführers die genannten hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, insbesondere jenes an der Verhinderung von Gewaltdelikten, entgegenstünden. Bei Abwägung dieser Interessen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, zumal seine gesamte Familie in der Türkei lebe.
Die Voraussetzungen einer Aufenthaltsverfestigung im Sinn der §§ 35 und 38 FrG seien keinesfalls gegeben, weil der Beschwerdeführer erst im Alter von mehr als 30 Jahren nach Österreich gekommen und hier vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts nur sechseinhalb Jahre niedergelassen gewesen sei.
Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt könne auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers in Kauf genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei diese mit zehn Jahren zu bestimmen gewesen, weil in Anbetracht des vorliegenden Fehlverhaltens derzeit nicht vorhergesehen werden könne, dass der für die Erlassung dieser Maßnahme maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, früher weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn als rechtswidrig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die unter I.1. wiedergegebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen zu der dem Beschwerdeführer angelasteten Tötungshandlung und seinem psychischen Zustand, meint jedoch, dass nur seine Erkrankung Ursache seines Handelns gewesen sei und er sich nun in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung befinde.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden kann, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG - demonstrativ - aufgezählten Fälle aufweisen, wohl aber bei einer Gesamtbetrachtung die in Abs. 1 dieser Bestimmung umschriebene Annahme rechtfertigen. Im vorliegenden Fall begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, die im psychischen Zustand des Beschwerdeführers begründete Tötungshandlung rechtfertige die Annahme, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Sicherheit gefährde, keinem Einwand. Entscheidend ist hiebei das dieser Beurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und nicht das Vorliegen einer deswegen erfolgten rechtskräftigen Bestrafung oder Verurteilung. Wenn er vorbringt, dass er nicht mehr behandlungsuneinsichtig sei und sich mittlerweile in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung befinde, so ist für ihn damit nichts gewonnen. Nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid unterzog er sich bereits vom 20. November 1992 bis 21. April 1994 einer regelmäßigen ambulanten psychiatrischen Behandlung und wurde er mit Depot-Neuroleptika behandelt. Dennoch tötete er dann im Jahr 1995 einen anderen Menschen. Zudem bringt die Beschwerde selbst vor, es bestehe auf Grund der schizophrenen Psychose des Beschwerdeführers, an der er seit Anfang der Neunziger-Jahre leide, die Gefahr, dass es bei ihm ohne medikamentöse Therapie erneut zum Ausbruch eines kollektiven psychotischen Schubs komme und er dann wieder erhebliche Gewaltdelikte gegen andere Personen begehen könnte.
Diese Umstände bieten keine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer nicht eines Tages die Therapie abbrechen und neuerlich eine Gewalttat setzen könnte. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch die Einholung des von ihm in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 1998 beantragten psychiatrischen Gutachtens zum Beweis seiner Behauptung, dass er derzeit frei von Störungen sei und bei medikamentöser Behandlung die von der Behörde angenommene Gefährlichkeit keinesfalls gegeben sei, und der in seiner Berufung angebotene Nachweis, dass er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde, noch keine Gewähr für ein Aufrechterhalten der Therapie und damit für einen Ausschluss der vom Beschwerdeführer für das Leben und die körperliche Sicherheit anderer Personen ausgehenden Gefahr bieten könnten. Davon abgesehen liegen das dem Urteil des Landgerichtes Karlsruhe zugrunde liegende Fehlverhalten und der danach einsetzende Beginn einer (neuerlichen) Behandlung noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine zuverlässige Prognose für einen dauerhaften Erfolg der Therapie hätte getroffen und damit eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen öffentlichen Interessen hätte angenommen werden können.
1.3. Demzufolge ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass vorliegend die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid überdies im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig. Der Beschwerdeführer sei, auch wenn sich seine Frau und seine Kinder im Ausland befänden, auf Grund seiner Inlandsverfestigung faktisch in Österreich integriert und besitze hier den Mittelpunkt seines Privatlebens. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes bedeute eine verfassungsgesetzlichen Grundrechten und Art. 8 EMRK zuwiderlaufende Diskriminierung.
2.2. Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat unter der Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, dringend geboten erscheine, geht doch vom Beschwerdeführer, wie die von ihm verübte Gewalttat zeigt, auf Grund seines psychischen Zustandes eine erhebliche Gefahr für die körperliche Sicherheit anderer aus, welche Gefahr auch durch die regelmäßige psychiatrische, medikamentöse Behandlung vom 20. November 1992 bis 21. April 1994 nicht gebannt werden konnte.
Im Hinblick auf dieses äußerst große Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Wenn auch die aus seinem mehrjährigen inländischen Aufenthalt ableitbare Integration und seine persönlichen Interessen schwer wiegen, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als der von ihm ausgehenden nachhaltigen Gefahr für die Allgemeinheit.
3. Wenn das Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer seit 1986 ununterbrochen in Österreich aufhältig und im Inland verfestigt sei, auf die Bestimmung des § 35 Abs. 2 FrG abzielen sollte (zur Verknüpfung des § 35 FrG mit § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0258), ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelangt, weil der Beschwerdeführer vor Begehung der Tötungshandlung ("vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes") im Oktober 1995 nicht bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war. Nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer nämlich im April 1988 wegen unerlaubten Aufenthalts (nach Ausweis der Verwaltungsakten: während des Tatzeitraums vom 21. Dezember 1987 bis 22. April 1988) rechtskräftig bestraft, womit die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthalts in diesem Zeitraum bindend feststeht.
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 16. April 1999
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