VwGH 99/17/0225

VwGH99/17/022527.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. B und M, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. April 1999, Zl. BauR-012366/1-1999-La, betreffend Vorschreibung eines Verkehrsflächenbeitrages (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Perg), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §19;
BauO OÖ 1994 §20;
LAO OÖ 1984 §152;
LAO OÖ 1996 §153;
BauO OÖ 1994 §19;
BauO OÖ 1994 §20;
LAO OÖ 1984 §152;
LAO OÖ 1996 §153;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer näher genannten Liegenschaft, bestehend unter anderem aus den Grundstücken Nr. 309/1 im Ausmaß von 597 m2 und Nr. .16 im Ausmaß von 1233 m2. Auf diesen Grundstücken befindet sich - so das Beschwerdevorbringen - seit "Jahrzehnten ein Gebäude"; mit Bescheid vom 22. November 1979 wurde das Grundstück Nr. .16 "als Bauplatz bewilligt", die Bauplatzbewilligung wurde auch im Grundbuch angemerkt. Die Liegenschaft grenzt an zwei öffentliche Verkehrsflächen und zwar an die Verkehrsfläche "Hauptplatz" sowie an die Verkehrsfläche N-Straße an.

Mit Bescheid des Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 7. Dezember 1998 wurde dem Beschwerdeführer eine Baubewilligung für die Erweiterung und Adaptierung einer Betriebswerkstätte auf den vorgenannten Grundstücken erteilt. Diese Bewilligung erwuchs in Rechtskraft. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 wurde dem Beschwerdeführer unter anderem mitgeteilt, dass die mitbeteiligte Stadtgemeinde die Straße im Bereich seiner Liegenschaft einschließlich Entwässerung als öffentliche Verkehrsfläche vor seinem Grundstück errichtet habe und somit die Verpflichtung zur Entrichtung des im beigelegten Berechnungsblatt ermittelten Verkehrsflächenbeitrages entstanden sei.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 2. Februar 1999 ein Beitrag zu den Kosten der Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche in der Höhe von S 55.445,67 gemäß den §§ 19 ff der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 vorgeschrieben.

Eine vom Beschwerdeführer gegen diese Vorschreibung erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 17. März 1999 ab.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 28. April 1999 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf rechtmäßige Anwendung der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung sowie der verfahrensrechtlichen Normen, insbesondere aber in seinem Recht, Abgaben nur entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zahlen zu müssen, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt als Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften den Umstand, dass die Vorstellungsbehörde die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides nicht aufgegriffen haben. Diese ergäbe sich daraus, dass entgegen näher erwähnter Bestimmungen aus seiner Begründung nicht ersichtlich sei, für welche Verkehrsfläche der Verkehrsflächenbeitrag vorgeschrieben worden sei.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift insoweit zutreffend darauf, dass der Beschwerdeführer selbst nicht bezweifelt, dass es sich bei der erstinstanzlichen Erledigung um einen Bescheid handelt. Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht, weist doch die strittige Erledigung sämtliche Merkmale eines Bescheides auf.

Der - für sich zutreffende - Hinweis des Beschwerdeführers auf den Umstand, dass aus dem erstinstanzlichen Bescheid nicht erkennbar sei, für die Errichtung welcher Verkehrsfläche spruchgemäß der Beitrag vorgeschrieben werde, zeigt damit (nur) das Vorliegen eines Begründungsmangels auf. Dieser Mangel wurde aber durch die Angabe der Verkehrsfläche ("Hauptplatz") in der Berufungsentscheidung beseitigt, was auch der Beschwerdeführer nicht bezweifelt. Da aber die Vorstellungsbehörde den (insoweit mängelfreien) Berufungsbescheid ihrer Überprüfung zugrunde zu legen hatte, kann in der unterlassenen Wahrnehmung eines Begründungsmangels des erstinstanzlichen Bescheides nicht eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Vorstellungsbehörde infolge Verletzung von Verfahrensmängeln liegen. Dass für die Verkehrsfläche N-Straße" ein (zu berücksichtigender) Verkehrsflächenbeitrag vorgeschrieben (und entrichtet) worden wäre, ist weder dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch dem Akteninhalt zu entnehmen.

Gemäß Art. II Abs. 5 des Landesgesetzes LGBl. Nr. 70/1998 mit dem die Oberösterreichische Bauordnung 1994 geändert wurde, sind die §§ 19 bis 21 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 idF des Art. I Z. 18 der Novelle soweit sie Verkehrsflächen der Gemeinde betreffen auch auf Abgabentatbestände anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten (mit 1. Jänner 1999) dieses Landesgesetzes verwirklicht wurden und deren Anspruch auf Vorschreibung noch nicht verjährt ist.

Die belangte Behörde hat auf Grund des oben erwähnten Schreibens vom 22. Dezember 1998 angenommen, die Verwaltungsbehörden hätten noch die einschlägigen Bestimmungen der Bauordnung 1994 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 anzuwenden; dies trifft jedoch auf Grund der erwähnten Übergangsbestimmung nicht zu.

§ 19 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 idF LGBl. Nr. 70/1998 lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Anlässlich der Erteilung einer Baubewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden, die durch eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde oder des Landes (§ 8 O.Ö. Straßengesetz 1991) aufgeschlossen sind, hat die Gemeinde dem Eigentümer des Bauplatzes oder des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, mit Bescheid einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung dieser öffentlichen Verkehrsflächenbeitrag) vorzuschreiben. Ausgenommen sind Radfahr-, Fußgänger- und Wanderwege.

(2) Wird ein Gebäude oder der Bauplatz oder das Grundstück, auf dem ein Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, durch mehrere öffentliche Verkehrsflächen aufgeschlossen, ist der Beitrag nur einmal zu entrichten.

(3) ...

(4) Abgabepflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Vorschreibung Eigentümer des Grundstücks ist."

§ 19 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 lautete auszugsweise:

"(1) Wurde von der Gemeinde eine öffentliche Verkehrsfläche (§ 8 Abs. 2 O.Ö. Straßengesetz 1991) errichtet, hat sie anlässlich der Erteilung einer Baubewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden, die durch diese öffentliche Verkehrsfläche ausgeschlossen werden, dem Bauwerber mit Bescheid einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben.

(2) Wird ein Gebäude durch mehrere öffentliche Verkehrsflächen aufgeschlossen und hat die Gemeinde bereits mehr als eine dieser Verkehrsflächen errichtet, ist der Beitrag nur zu den Kosten der Herstellung jener öffentlichen Verkehrsfläche zu leisten, für die sich bei der Berechnung der höchste Beitrag ergibt. Ergeben sich nach dieser Berechnung für zwei oder mehrerer öffentliche Verkehrsflächen gleich hohe Beiträge, ist der Beitrag nur einmal zu entrichten.

(3) ..."

Abgesehen von der Frage der Aufschließung durch mehrere öffentliche Verkehrsflächen, liegt ein inhaltlicher Unterschied der beiden Fassungen des § 19 der Oberösterreichischen Bauordnung vor bzw. nach der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 - da sachverhaltsbezogen ein Radfahr-, Fußgänger- oder Wanderweg nicht in Betracht kommt - allein darin, dass abgabepflichtig einmal der Eigentümer im anderen Fall der Bauwerber ist. Da nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers dieser (auch) Eigentümer des Bauplatzes bzw. des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, ist und zum Zeitpunkt der Vorschreibung war, kann er nicht dadurch beschwert worden sein, dass ihm der Verkehrsflächenbeitrag als Bauwerber vorgeschrieben wurde.

§ 20 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 idF LGBl. Nr. 70/1998 lautet auszugsweise:

"(1) Der Beitrag ist für die Grundstücksfläche, die der Berechnung der anzurechnenden Frontlänge zu Grunde gelegt wurde, nur einmal zu entrichten.

(2) Die Höhe des Beitrags ist gleich dem Produkt aus der anrechenbaren Breite der öffentlichen Verkehrsfläche, der anrechenbaren Frontlänge und dem Einheitssatz.

(3) Die anrechenbare Breite der öffentlichen Verkehrsfläche beträgt unabhängig von ihrer tatsächlichen Breite 3 m.

(4) Anrechenbare Frontlänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz oder dem zu bebauenden oder bereits bebauten Grundstück flächengleichen Quadrats. Abweichend davon beträgt die anrechenbare Frontlänge jedoch

1. ...

2. bei betrieblich genutzten Grundstücken

a) mit einer Fläche bis 2.500 m2 höchstens 40 m.

..."

Die eben zitierte Bestimmung betreffend betrieblich genutzte Grundstücke wurde durch die Novelle Landesgesetzblatt Nr. 70/1998 neu in die Oberösterreichische Bauordnung eingeführt; eine vergleichbare Bestimmung findet sich in der Rechtslage vor der erwähnten Novelle nicht. § 20 Abs. 4 der Oberösterreichischen Bauordnung in der Fassung vor der Novelle

Landesgesetzblatt Nr. 70/1998 kannte beispielsweise nur eine Beschränkung der anrechenbaren Frontlänge für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke.

Nach dem Akteninhalt liegt ein betrieblich genutztes Grundstück in diesem Sinne vor; auch die belangte Behörde geht im bekämpften Bescheid davon aus, dass dem Beschwerdeführer eine Baubewilligung für die Erweiterung und Adaptierung der Betriebswerkstätte auf den erwähnten Grundstücken erteilt wurde.

Der vorliegenden Abgabenbemessung wurde ein Grundstück im Ausmaß von 1.830 m2 zugrunde gelegt. Daraus errechnete sich nach § 20 Abs. 4 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 in der Fassung vor der Novelle Landesgesetzblatt Nr. 70/1998 eine anrechenbare Frontlänge von mehr als 40 m ("anrechenbare Frontlänge ist die Seite eines mit dem zu bebauenden Bauplatz oder Grundstück flächengleichen Quadrates, ..."), nämlich entsprechend dem erstinstanzlichen Bescheid 42,78 m. Damit aber erweist sich die vorgenommene Abgabenbemessung als unzutreffend.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber sei noch für das weitere Verfahren hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, der Verkehrsflächenbeitrag, der nicht innerhalb der Verjährungsfrist vorgeschrieben worden sei, dürfe für dieselbe Verkehrsfläche anlässlich der nächsten für das Anliegergrundstück erteilten Baubewilligung nicht wieder vorgeschrieben werden, da dies dem Verbot der Doppelvorschreibung widerspreche, darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof diese Ansicht nicht teilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 1999, Zl. 99/17/0224).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 1999

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